Reinhard Hentschel als Propst von Halle verabschiedet

Abschied und Neuanfang

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Propst Reinhard Hentschel mit einer Hallenser Familie
Nachweis

Fotos: Stefan Schilde

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Aurelia – nach Auskunft des Vaters das letzte Kind, das Propst Hentschel in diesem Jahr taufte. Gläubige aus 90 Nationen vereint die Pfarrei St. Mauritius und St. Elisabeth Halle mittlerweile.

Nach 17 Jahren verabschiedet sich Reinhard Hentschel als Propst von Halle. Die Geschicke der Pfarrei St. Mauritius und St. Elisabeth übernimmt ein Leitungsteam aus ehrenamtlichen Laien.

„Es war eine wohlüberlegte Entscheidung, kein Schnellschuss“, sagte der scheidende Hallenser Propst Reinhard Hentschel. 17 Jahre hatte er die Geschicke der katholischen Propstei der Händelstadt geleitet. Nun verabschiedet er sich in seine Wahlheimat im Harz. Am vergangenen Sonntag feierte er mit 450 Gläubigen und Weggefährten seinen Abschied mit einer heiligen Messe in der rappelvollen Propsteikirche St. Franziskus und St. Elisabeth.
„Meine Gefühlswelt bewegt sich zwischen Spannung, Freude und Dankbarkeit auf der einen und Wehmut auf der anderen Seite.“ Wie viel Wehmut mitschwang, das wurde bei seiner Abschlussrede deutlich, als ihm die Stimme minutenlang brach. Bis zu seinem endgültigen Ruhestand im Dezember 2024 wird er die Seelsorge in sechs Pfarreien in der Harzregion verstärken.

Viel bewirkt, viele Umbrüche erlebt

In seiner Laudatio-Homilie lobte der evangelische Superintendent des Pfarrkreises Halle, Hans-Jürgen Kant, Hentschels Wirken in der pastoralen Arbeit – und darüber hinaus, zum Beispiel bei der Sanierung von Propsteikirche und Gemeindehaus. Auch die Ökumene in der Saalestadt, so Kant, habe der Propst gefördert, etwa bei den Lebenswendefeiern, der Nacht der Kirchen und Bestattungsfeiern für Menschen ohne Angehörige. Der in Hedersleben aufgewachsene Hentschel stammt aus konfessionell gemischtem Elternhaus.
Die Wirkungszeit Hentschels sei aber auch geprägt von Umbrüchen. Erst die Zusammenlegung mehrerer Pfarreien zum Gemeindeverbund Halle-Mitte. Drei Jahre später die Umwandlung zur heutigen Pfarrei St. Mauritius und St. Elisabeth. Mit der Einsetzung von Pfarrei-Leitungsteams und einem Priester als „geistlichen Moderator“, der in mehreren Pfarreien Sakramente feiert und spendet, steht nun der nächste Umbruch bevor. „Ich glaube, der Rollenwechsel vom Pfarrer zum geistlichen Moderator wäre zu viel für mich geworden. Da bin ich auch ehrlich zu mir selbst“, sagte Reinhard Hentschel.

Freude auf die Familie, klarer Schlussstrich

Nun freut sich der 68-Jährige auf seine Rückkehr in den Harz zu seiner Familie. „Meine Schwester, mein Schwager, mein Neffe und meine Mutter warten dort auf mich. Meine Familie hat mich über die Jahrzehnte getragen“, sagte er. Auch seinen Hobbys will er sich widmen. „Ich gehe leidenschaftlich gern wandern und liebe die Kultur, freue mich auf das Nordharzer Städtebundtheater.“ Seine Gemeinde schenkte ihm zum Abschied unter anderem ein Kochbuch, mit den Lieblingsrezepten der Mitglieder.
Mit Blick auf seine langjährige Wirkungsstätte will er einen klaren Schlussstrich ziehen. „Ich nehme die Rolle eines Großvaters ein, der Ratschläge gibt, wenn er gefragt wird, sich aber nicht aufdrängt“, sagte Hentschel. Gekommen sei er in eine „besorgte Gemeinde“, verlassen habe er eine „sorgende Gemeinde“.
Wird sie mit seinem Abschied und dem Fehlen eines eigenen Pfarrers nun wieder eine besorgte Gemeinde? Jedenfalls nicht, wenn man Küsterin Janina Wille fragt. „Ich bin ein zuversichtlicher Mensch. Es bringt nichts, sich zu viele Gedanken zu machen. Ich lasse es auf mich zukommen“, sagte sie.
Auch Adelhard Schmutzer ist wieder aus dem 15 Autominuten entfernten Teutschenthal in die Propstei gekommen. „Dass ich nach meinem Umzug nach wie vor nach Halle komme, hat viel mit Propst Hentschels nachvollziehbarer Art der Verkündigung zu tun.“ Er hoffe, Reinhard Hentschels  „nah an den jeweiligen Schriftlesungen orientierte“ Verkündigung werde beibehalten. Darüber hinaus sei ihm unter der neuen Pfarreileitung die seelsorgerische Ansprechbarkeit besonders wichtig – „gerade, wenn mal ein Härtefall ansteht“.

Leitungsteam Propstei Halle
Das neue Leitungsteam: Tobias Geuther, Peter Kubiak, Christine Fischer und Ricardo Fleigel (von links nach rechts). Es fehlt: Pfarrer Magnus Koschig (geistlicher Moderator)

Leitungsteam will Gesicht zeigen

Am 1. September übernimmt das neue Leitungsteam die Führung der Pfarrei. Medienwissenschaftler Ricardo Feigel, Schulsekretärin Christine Fischer, IT-Firmeninhaber Tobias Geuther und Journalist Peter Kubiak sind in das Leitungsteam gewählt worden. Den fünften Platz nimmt Pfarrer Mag-nus Koschig als geistlicher Moderator ein. Er wird – genau wie in der benachbarten Pfarrei Carl Lambert – die Sakramente feiern und spenden, daneben aber keine Leitungsaufgaben übernehmen.
Weitere Kandidaten gab es keine. Aber, sagte Ricardo Feigel: „Wir haben uns früh gefunden und werden in die Aufgabe hineinwachsen.“ Die Mischung sei gut: verschiedene berufliche Hintergründe und Kompetenzen seien dabei, Katholiken qua Geburt und Spätgetaufte, Kreativgeister und Organisationstalente. Als zuträglich könne sich auch erweisen, dass zwei von ihnen beruflich bereits im (Vor-)Ruhestand sind.
Ganz zu kompensieren sei das Fehlen von Propst Hentschel nicht. „Die Spiritualität ohne seine Ausstrahlung und sein Charisma aufrechterhalten – das wird nicht gehen“, sagte Feigel. Immerhin: Dass ohne eigenen Pfarrer Angebote oder Gruppen wegbrechen, sei vorerst nicht zu befürchten. Auf mittlere Sicht benötige es jedoch Mittel. „Wir brauchen zusätzliche Ressourcen, finanziell und personell. Rein ehrenamtlich wird das nicht stemmbar sein. Da ist auch das Bischöfliche Ordinatiat gefordert.“
Angst, sagte Christine Fischer, habe sie unter den Pfarreimitgliedern keine ausgemacht. „Eher Unsicherheit, die Frage: Was wird denn nun sein? Deshalb wollen wir für die Menschen ansprechbar sein, als Leitung Gesicht zeigen“, sagte sie. 3580 Mitglieder hat die Pfarrei derzeit. 
„Auf jeden Fall“, so Ricardo Feigel will das Hallenser Leitungsteam in den Austausch mit den anderen Pfarreien im Bistum gehen, die mittlerweile ebenfalls ehrenamtlich von Laien geführt werden. „Wir müssen uns unbedingt miteinander vernetzen. Wir können bestimmt viel voneinander lernen.“

Stefan Schilde