Kirche auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig
„Free Blessings“ in echter Mönchskutte

Foto: Uwe Winkler
Fotoshooting von Besuchern des Wave-Gotik-Treffens mit den Geistlichen: Links Dominikanerpater Simon Hacker und Jugendreferent Stefan Plattner, rechts die evangelischen und freikirchlichen Kollegen.
Kaum sind die laminierten Schilder mit der Aufschrift „free blessings – sprich mich an!“ (kostenloser Segen) an den Talaren und der Mönchskutte angebracht, nähern sich Menschen neugierig, zeigen sich erfreut, und fotografieren die religiösen „Schwarzröcke“ – wie es beim Wave-Gotik-Treffen (WGT) üblich ist. Denn es geht dort auch um „Sehen und Gesehen-Werden“. Gleich an der Thomaskirche, dem Startpunkt der Aktion, kommt Nicole in schwarzer Kluft auf uns zu. Sie ist selbst evangelisch und Mitglied im Pfarrgemeinderat in Bad Belzig, freut sich sehr über die Aktion. Sie ist die Erste, die den Segen empfängt, von Vikarin Eva Hohmuth (ev.-luth.) und Lara-Christine Reichardt (ev. Freikirche Zeal). Nicols Partner ist selbst nicht christlich, hält sich eher im Hintergrund. Gleich im Anschluss nähern sich uns zwei Frauen vielleicht Mitte 50, die eher bunt gekleidet sind und dem Team großen Zuspruch spenden. „Wir dachten, wir können die WGT-Szene mal aufmischen“, erwidert Stefan Plattner fröhlich in langer Soutane. Er ist Jugendreferent und -seelsorger der katholischen Jugend in Leipzig. „Super!“, erwidern die beiden.
Dann bewegen wir uns in Richtung Innenstadt, teilen uns in Gruppen auf. Dominikaner Simon Hacker fällt besonders auf in seinem Habit. Wobei: Angesichts der karnevalsartigen Atmosphäre des WGT ist es wohl eher sein Schild, dass verdeutlicht, dass er tatsächlich „echt“ ist. Ein junger Mann kommt geradewegs auf ihn zu und lässt sich unverzüglich segnen. Der US-Amerikaner heißt Frank und ist selbst katholisch. Er sei freudig überrascht, dass so viel in Leipzig los sei, denn er kam einfach nur so als Tourist in die Messestadt, wie er berichtet. Nur wenige Meter weiter trifft Pater Simon auf einen befreundeten evangelischen Theologen, Christian. Sie spenden sich gegenseitig den Segen – im vollen Getümmel vor der Banksy-Ausstellung auf der Grimmaischen Straße.
Auch einige Besucher des Stadtfests, die keinen christlichen Hintergrund haben, nehmen spontan das Angebot in Anspruch, fragen, „wozu das denn gut ist“ – und gehen dann wieder oder „probieren es mal aus“. Wer jedoch denkt, dass eine solche Segnungsaktion nur flüchtige Begegnungen zuließe, täuscht sich: „Die persönlichen, tieferen Gespräche, die sich öfter ergeben, sind für mich sehr kostbar“, sagt Pfarrer Johannes Bartels vom Landesjugendpfarramt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Sachsen. So gesellen sich Ralf und Bianca, ein Grufti-Paar aus der Nähe von Nürnberg, beim Mittagessen ganz selbstverständlich zu uns und lassen uns Anteil haben an ihren teils schweren Lebenserfahrungen, möchten wissen, wie Männer dazu kommen, Priester zu werden. Bianca ist Lektorin in ihrer Kirchengemeinde. Gegen Ende der Aktion, am Wilhelm-Leuschner-Platz, wo nun Eva, Lara und Simon stehen, kommt eine Frau auf uns zu und sagt zu Pater Simon: „Sie sind Dominikaner, richtig?“ Wir sind gespannt. „Sie kennen sich aus!“, sagt der Ordensmann. Ob sie selbst christlich sei? „Nein, aber ich lese historische Romane.“ Einen Segen möchte sie nicht.