Sanierung der Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale abgeschlossen

Berlins schönster Himmel

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Blick in die neue Sankt Hedwigs-Kathedrale
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Fotos: Jörg Farys

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Blick über die Orgelpfeifen in die wiedereröffnete Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale.

Das größte und älteste katholische Gotteshaus der Stadt hat seine Türen wieder geöffnet.

„Da braucht man ja ’ne Sonnenbrille“, sagt eine Frau und schaut sich um. Sankt Hedwig erstrahlt ganz in Weiß. Ihre alten Mauern umschließen einen völlig neuen Innenraum: weit und hell, minimalistisch ausgestattet. Die Statuen der Madonna und des heiligen Petrus, der Tabernakel, die silbern glänzenden Orgelpfeifen, das goldglänzende Vortragekreuz bringen punktuell Farbe ins weithin leere Rund. Eine Mittvierzigerin findet den Raum „etwas unterkühlt, paar barocke Elemente würden mir gefallen, was fürs Herz“. Sie will in den nächsten Tagen eine Abendmesse besuchen, wenn die Beleuchtung gedimmt ist und das Abendlicht hineinstrahlt.

Im 252. Jahr ihres Bestehens öffnet der Erzbischof das neue Portal am Christkönigssonntag und betritt die Bischofskirche zur ersten Eucharistiefeier seit sechs Jahren. In seiner Begrüßung deutet er die symbolische Türöffnung als Zeichen der Offenheit Gottes für jeden Menschen und als ein Willkommen, das allen gilt: „Möge es ein Ort der Herzlichkeit und Offenheit sein für Glaubende und Nichtglaubende, für Menschen aller Religionen, für Suchende, Zweifelnde und für all jene, die einfach nur ausruhen wollen.“

Das gewaltige Gloria aus der Missa in G von Charles Villiers Stanford, vorgetragen vom Chor der Sankt Hedwigs-Kathedrale, Solisten sowie der Kammersymphonie Berlin, zieht die Blicke empor in die alles umschließende, strahlend helle Kuppel bis hoch zur kreisrunden Öffnung, dem Kuppelauge. „Wäre cool, wenn jetzt die Sonne da durchscheinen würde“, flüstert eine Jugendliche ihrem Freund zu. Doch der Himmel über Berlin trägt Novembergrau.

In seiner Predigt spricht der Erzbischof davon, wie oft er in den letzten Wochen „hoffentlich“ gedacht und gesagt habe: „Hoffentlich wird die neu gestaltete Kathedrale ein würdiger Ort der Liturgie, der Verkündigung und des Miteinanders sein. Hoffentlich werden sich hier alle in einem offenen und herzlichen Geist begegnen und von- und miteinander lernen. Hoffentlich wird diese Kirche für viele eine Heimat werden.“ Mag es auch tausend Gründe für die Hoffnungslosigkeit geben, „wir Christen setzen Zeichen der Hoffnung auf Gott und seine Gerechtigkeit“.

Kleines Mädchen bei den FürbittenIn den Fürbitten werden Obdach- und Heimatlosigkeit, Ungerechtigkeit und Spaltung thematisiert. Gott möge die Herzen der Menschen berühren, dass sie die Nöte sehen und handeln. Ein Mädchen wünscht sich von Gott „ein frohes Herz und gute Freunde“ für alle Kinder.

Abschließend bittet der Erzbischof Gott in den Anliegen derer, die kleine Steine für den Altar gespendet haben. Steine, an denen Erinnerungen hängen, an die Freizeit in der Ferienstätte St. Otto in Zinnowitz oder den verstorbenen Opa, der Steine gesammelt hat. Die etwa 1000 gespendeten Steine bilden die kleinen dunklen Einschlüsse im Weiß des Altares. Auch Bruchstücke der Berliner Mauer sind darunter.

Nach der Kommunion trägt der Erzbischof die übriggebliebenen konsekrierten Hostien zum Tabernakel. Der Leib Christi bleibt so auch außerhalb der Eucharistiefeier präsent, etwa für Krankenkommunionen oder als Wegzehrung für Sterbende. Begleitet von meditativem Orgelspiel sind die wenigen Minuten der Anbetung ein besonders inniger Moment.

Den Schlussakkord setzt das Te Deum. „Sieh Dein Volk in Gnaden an. Hilf uns, segne Herr, Dein Erbe. Leit es auf der rechten Bahn. Führe es durch diese Zeit; nimm es auf in Ewigkeit.“ Die Strophe aus dem 18. Jahrhundert scheint hineingeschrieben in unsere Zeit. So mancher wischt sich verstohlen Tränen aus den Augen.  

„Den Spieß umgedreht“

In den Grußworten gibt es auch etwas zu Lachen. Der evangelische Landesbischof Christian Stäblein ist begeistert: „Es ist so schön hier.“ Weil die evangelischen Gotteshäuser in der Nähe, der Berliner Dom und die Marienkirche, „sehr katholisch“ wirkten, könnte man den Eindruck haben, die Katholiken hätten mit der Ausgestaltung ihrer Kathedrale jetzt „den Spieß umgedreht“.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner geht auf die Hoffnungsrede des Erzbischofs ein: „Gerade in Zeiten von Krisen und Kriegen, von Verunsicherung und Spaltung brauchen wir mehr Glauben, mehr Hoffnung und mehr Zusammenhalt. Diesen Zusammenhalt werden wir auch in dieser Kathedrale feiern.“ Er freue sich auf den Besuch der Sternsinger im Roten Rathaus, auch „sie sind so ein Hoffnungszeichen“.

„Jetzt kann es losgehen! Das ist ’ne runde Sache“, ruft Erzbischof Koch am Ende des Gottesdienstes allen zu.

Während sonst nach einem gut zweistündigen Gottesdienst alle zügig zum Ausgang streben, bleiben viele noch lange in der Kirche, um zu schauen und zu staunen und sie sich „zu erlaufen“. Noch fehlen Gebrauchsspuren. Noch hängt nicht der Geruch von Weihrauch und Kerzenwachs in den Mauern. In einer der Wandnischen sitzt ein älteres Ehepaar. „Unsre Kathedrale muss jetzt wieder warmgebetet werden“, sagt der Mann und lächelt. Er hält einen Rosenkranz in der Hand.

Juliane Bittner