Neuer Gedenk- und Lernort in Sögel
"Aufstehen für Demokratie und Freiheit"
Foto: Lambert Brand
Die Form der Stelen erinnert an Bahnschwellen. Das ist kein Zufall. Dort, wo die Stelen auf Initiative des Vereins „Forum Sögel“ aufgestellt wurden, befand sich früher der Bahnhof, wo im Jahr 1941 die Deportation der Sögeler Juden begann. Für den Lern- und Gedenkort „Jüdisches Leben in Sögel und Umgebung“ stellte die Hümmlinggemeinde ein Grundstück im Zentrum zur Verfügung.
18 Stelen, angeordnet im Halbkreis – eine Stele für jede jüdische Familie. Auf angebrachten Tafeln sind alle Familienmitglieder aufgelistet. Weitere Schautafeln mit allgemeinen Informationen und QR-Codes informieren über das jüdische Leben in Sögel und den umliegenden Orten. Man erfährt beispielsweise, dass in Sögel, gemessen an der Einwohnerzahl, die meisten jüdischen Bürger im Regierungsbezirk wohnten. Zusätzlich wurden auf dem Boden vor den Stelen Klinkersteine mit den Namen der ermordeten Juden eingelassen. Schulen aus Sögel werden die Gedenkstätte pflegen und Patenschaften übernehmen, mit Hilfe von Mitgliedern des „Forum Sögel“.
Ergänzend zu den verlegten Stolpersteinen und dem Synagogendenkmal solle der neue Gedenkort auch ein Lernort sein, betonte der Forumsvorsitzende Bernd Eggert. Zielgruppe seien vor allem die Schulen in Sögel, Werlte, Lathen und Börger. Dort werde bereits sehr gute Aufklärungsarbeit geleistet, die jetzt noch intensiver stattfinden könne. Eggert dankte allen am Projekt Beteiligten, die unter Federführung und nach der Idee von Hermann Wichmann „mit viel Kraft und Geschick“ zur Realisierung beigetragen hätten.
Michael Grünberg, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Osnabrück/Emsland, stammt aus Sögel. Sein Vater hatte den Holocaust überlebt. Er lobte den neuen Erinnerungsort, bemängelte aber, dass es Jahrzehnte gedauert habe, bis die Aufarbeitung begonnen habe. Das Thema der Judenverfolgung sei lange verschwiegen und verdrängt worden, auch in seiner Familie. Dabei seien seine Vorfahren und viele andere jüdische Familien vor Beginn des NS-Regimes bestens im Gemeindeleben integriert gewesen. Grünberg kritisierte Aussagen von Zeitzeugen, die von nichts gewusst haben wollen. Dabei habe man beobachten können, wie die Juden mit nur einem Koffer im Gänsemarsch zum Bahnhof geführt und anschließend abtransportiert worden seien. Ihr Eigentum sei anschließend versteigert und verteilt worden.
Grünberg macht heute Mut, dass zahlreiche Menschen öffentlich gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus protestieren. Er appellierte, weiterhin „aufzustehen für die Demokratie und Freiheit“. Landrat Marc-André Burgdorf, Samtgemeindebürgermeister Frank Klaß und Bürgermeister Johannes Völker betonten, dass die Erinnerungsarbeit intensiviert werden müsse. Man sei auf einem guten Weg, dürfte aber nicht nachlassen, den bisher eher latenten, sich aber verstärkenden Antisemitismus der Rechtspopulisten und auch in Teilen der islamischen Bevölkerung offensiv zu begegnen.
Zum neuen Gedenk- und Lernort gibt es einen Begleitband und einen interaktiven Internetauftritt.