Felicitas Schnersch, 21: Sie kann das.

Berufswunsch: Bestatterin

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Bestatterin – mit 21? Manche Freunde wundern sich, welchen Beruf Felicitas Schnersch gewählt hat. Aber als Auszubildende zur Bestattungsfachkraft fühlt sie sich genau am richtigen Platz. Die Erfahrungen als Ministrantin helfen ihr. Von Theresa Breinlich



Büroarbeit und Organisation gehören genauso zu ihrem Beruf
wie die handwerkliche Bearbeitung eines Sargs: Felicitas Schnersch.
Die 21-Jährige sagt: „Man braucht viel Kraft, physische und psychische.“

Wenn Felicitas Schnersch die Urne in die Erde lässt, erinnert sie sich an ihre Zeit als Ministrantin. Dieser Moment, der einzigartig, für den Körper endgültig ist, bannt sie. Sie horcht auf die Ruhe und denkt daran, wie sie vor einigen Jahren das Kreuz getragen und die Trauergemeinde zum Grab geleitet hat. Eine bedeutende, verantwortungsvolle Aufgabe.
Die 21-Jährige ist im zweiten Ausbildungsjahr zur Bestattungsfachkraft, einem Beruf, von dem ihre Bekannten sagen: „Das könnte ich nicht.“ Ein Beruf, in dem bis vor einigen Jahren fast ausschließlich Männer gearbeitet haben. Doch Felicitas Schnersch schreckt der Umgang mit dem Tod nicht.
Vielmehr ging für sie mit dem Vertrag bei einem mittelgroßen Bestattungsunternehmen in Wiesbaden ein Traum in Erfüllung. Denn die junge Frau aus Zornheim in der Nähe von Mainz schreckt der Tod nicht. Schon als Kind hat sie mit ihrer Familie im Urlaub oft Friedhöfe besucht. Die stille Atmosphäre empfindet sie als etwas Schönes.

Als frühere Ministrantin weiß sie, dass der Tod etwas Normales ist

In den neun Jahren als Ministrantin in ihrer Heimatgemeinde St. Franziskus Nieder-Olm/Sörgenloch/ Zornheim hat die Rheinhessin erfahren, dass Sterben etwas Normales ist. Ihre Freunde hatten sich als Ministranten für Hochzeiten oder Taufen gemeldet. Sie ließ sich für Beerdigungen einteilen. „Das war weniger laut und intensiver. Das gefiel mir. Ich konnte immer gut damit umgehen“, sagt sie.
Das Gespräch mit der Auszubildenden findet im Abschiedsraum statt, einem in warmen Gelb- und Goldtönen gehaltenen Zimmer, in dessen Mitte ein kühlbarer Tisch steht. Sind hier Tote aufgebahrt, bekommen die Angehörigen einen Schlüssel, können jederzeit vorbeikommen und haben so Zeit zum Abschiednehmen.
Nach dem Abitur hat Felicitas Schnersch zunächst eine Hauswirtschaftsschule besucht und ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem katholischen Gemeindezentrum absolviert. Die Arbeit im sozialen Bereich, der Kontakt zu Menschen hat ihr Spaß gemacht. Es war aber nach einem Praktikum bei einem Bestattungsinstitut, dass sie dachte: „Das möchte ich in meinem Leben machen!“
Die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft wird erst seit 2003 angeboten, besteht aus einem schulischen sowie einem praktischen Teil und dauert drei Jahre. Der Frauenanteil liegt etwa bei 50 Prozent. „Es stimmt schon. Man braucht viel Kraft, physische und psychische. Wenn ich allerdings einen Verstorbenen alleine abholen muss und der Sarg ist zu schwer für mich, dann hilft mir meistens jemand“, sagt sie. Ohne ihren christlichen Glauben könnte Felicitas Schnersch ihre tägliche Arbeit nicht so gut machen. „Diese Riesenhoffnung, dass es nach dem Tod weitergeht, ist mir eine Stütze. Bei den Angehörigen mag das anders sein. Das ist auch okay“, sagt sie. Das Gebot der Nächstenliebe ist ihre Motivation: „Ich wollte gerne Menschen helfen. Wie kann ich ihnen mehr helfen, als wenn ich sie begleite, wenn sie selbst nichts mehr für sich tun können. Es hat auch etwas Schönes, wenn sich Angehörige für eine tröstende Trauerfeier bedanken. Aus etwas Schwerem etwas Schönes machen, das ist mein Antrieb“, sagt sie. Als während der Corona-Beschränkungen vieles nicht erlaubt war, wurde deutlich, wie wichtig die Aufgaben des Bestattungsinstituts sind. Angehörige von Corona-Toten durften sich nicht mehr am offenen Sarg verabschieden. Die Teilnehmerzahl bei Trauerfeiern war festgelegt.
Das gemeinsame Kaffeetrinken fiel aus. „Diese Veränderungen haben die Trauerarbeit erschwert“, sagt Schnersch.

„Ich denke nicht jeden Tag, dass ich sterben könnte“

Zweifel und auch die Frage „Warum musste das jetzt passieren?“ seien ihr noch nicht gekommen. „Das mag auch daran liegen, dass ich bisher noch keine wirklich schlimmen Fälle gesehen habe. Wir haben keinen Kontakt zur Kriminalpolizei. Bei einem Suizid oder Verbrechen würde ich vielleicht schon mit Gott hadern“, überlegt sie. Selten geht sie traurig nach Hause. Wenn sie doch etwas belastet, ist einer ihrer zehn Kollegen jederzeit bereit, mit ihr zu reden. „Wir tragen oft Schwarz und die Atmosphäre ist eher ruhig, aber ganz ehrlich: Wir lachen auch viel. Es ist wichtig, sensibel, aber nicht emotional zu sein“, sagt sie. Auch sorgt sie nach der Arbeit für Ausgleich: Sie läuft gern und macht Krafttraining. Auch wenn die junge Frau von der Arbeit abschalten kann, ändern ihr Beruf und die tägliche Beschäftigung mit dem Tod ihre Sicht auf das Leben: „Ich denke nicht jeden Tag, dass ich sterben könnte. Es ist aber schon so, dass ich manches auch einfach mal nicht tue, was nicht wichtig ist.“ Die angehende Bestatterin geht gerne zur Arbeit, weil ihre Aufgaben sehr vielfältig sind. Sie kümmert sich um Büroarbeit, Dekoration und Organisation genauso wie um die handwerkliche Bearbeitung eines Sargs. Wenn sie ihre Ausbildung beendet hat, wird sie wahrscheinlich übernommen. Darauf freut sie sich sehr.
Sie ist stolz, dass ihr viel Vertrauen entgegenbracht wird und sie Verantwortung tragen kann: „Wir Kollegen müssen uns zu einhundert Prozent aufeinander verlassen können. Eine Trauerfeier ist ein einmaliges Ereignis. Da darf nichts schiefgehen.“

Von Theresa Breinlich