Krankenhaus

„Der Kostendruck ist einfach immens“

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Der Mensch soll im Krankenhaus im Mittelpunkt stehen, doch oft ist die Zeit für Zuwendung und Gespräche knapp bemessen.
Nachweis

Foto: St. Bernward Krankenhaus

Die Meldungen überschlagen sich: „Patient Krankenhaus kritisch krank“, „Kosten verschärfen Notlage von Kliniken“, „Diverse Krankenhäuser von Schließung bedroht“ – Der Geschäftsführer des Hildesheimer St. Bernward Krankenhauses, Stefan Fischer, erklärt, was es damit auf sich hat und wo der Mensch angesichts des Kostendrucks im Gesundheitswesen bleibt.

Herr Fischer, ist die Lage tatsächlich so dramatisch wie wir dies beinah täglich hören?
Für viele Kliniken ist die Lage leider tatsächlich dramatisch. Die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft rechnet bis zum Jahresende 2023 mit einem Defizit von 10 Milliarden Euro. Wenn dies eintritt, dürften einige Krankenhäuser die Krankenhausreform nicht mehr erleben. 
Was sind die Ursachen für die Probleme?
Die Ursachen sind vielschichtig – zu der aktuellen Zuspitzung der Lage tragen vor allem die Nachwirkungen der Pandemie, die Inflation und die allgemeinen, zum Teil kriegsbedingten Kostensteigerungen in den Bereichen Energie, Materialien und Lebensmittel bei. Im Unterschied zu anderen Unternehmensbranchen können wir die Mehrkosten nicht in Form von Preiserhöhungen an die Patienten weitergeben, das lässt das Finanzierungssystem nicht zu.


Welche Rolle spielt dabei die Privatisierung vieler Häuser?
In diesem Zusammenhang keine. Natürlich könnte man aber grundsätzlich die Frage stellen, ob die mangelnde Gesundheit von Menschen dazu dienen sollte, Überschüsse zu erzielen, die nicht wieder ins System zurückfließen. 
Bund und Länder haben sich auf eine Reform der Krankenhauslandschaft geeinigt. Werden die Probleme damit gelöst? 
Grundsätzlich begrüßen wir die geplante Krankenhausreform. Eine konkrete Bewertung der einzelnen Aspekte möchten wir an dieser Stelle noch nicht abgeben – hier warten wir ab, bis der endgültige Gesetzesentwurf vorliegt.


Wie sind das St. Bernward Krankenhaus und die übrigen Kliniken im Elisabeth Vinzenz Verbund aufgestellt?
Die Lage ist auch bei uns ernst, wenn auch nicht so dramatisch wie in anderen Krankenhäusern. Nichtsdestotrotz appellieren wir zum wiederholten Male an die Politik, ein Vorschaltgesetz zu verabschieden, damit die Krankenhäuser schnellstmöglich finanzielle Unterstützung erhalten. Im Einzelnen schließen wir uns den Forderungen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft an: Die Erlösverluste infolge des dauerhaft abgesenkten Leistungsniveaus müssen aufgefangen werden. Die Sach- und Energiekostensteigerungen in den Jahren 2022 und 2023 müssen ausgeglichen werden. Die unzureichenden Refinanzierungen der Personal- und Sachkosten müssen beendet werden, ebenso die unzureichende Investitionskostenfinanzierung.


Die Aufwendungen für das Gesundheitswesen haben in den letzten Jahrzehnten ebenso zugenommen wie die Zahl der Ärzte. Nie gab es mehr Ärzte pro Einwohner als heute. Dennoch gibt es immer wieder Berichte über stundenlanges Warten in der Notaufnahme, lange Wartelisten für Operationen oder im ambulanten Bereich für Termine beim Facharzt. Man hat den Eindruck, früher war alles besser...
Ob es früher besser lief, das muss jeder selbst für sich beurteilen. Fakt ist, dass immer wieder Menschen die Notaufnahme aufsuchen, die bei einem Facharzt oder ihrem Hausarzt besser aufgehoben wären. Lange Wartelisten für Operationen können wir nicht bestätigen – vielleicht wirken hier die Erfahrungen aus der Pandemie nach. Generell ist festzustellen: Ja, es gibt mehr Ärzte pro Einwohner als je zuvor, aber ein Mehr an Köpfen bedeutet kein Mehr an Arbeitszeit. Viele junge Ärztinnen und Ärzte wollen nicht mehr in Vollzeit arbeiten. Oder 60 Stunden in der Woche … und das ist auch gut so. Auch erfahrene Mediziner arbeiten in Teilzeit – allein schon, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Hinzu kommt der demografische Wandel. Es gibt mehr Ärztinnen und Ärzte, es werden aber auch mehr benötigt, weil immer mehr Menschen alt und oft dann leider auch krank werden.


Immer wieder geht es im Gesundheits- und im Krankenhauswesen ums Geld. Wo bleibt da eigentlich der Mensch? Ist da noch Raum für Zuwendung, Gespräche, Trost? 
Auch Krankenhäuser müssen wirtschaftlich arbeiten. Im Gegensatz zu anderen Krankenhausträgern werden bei uns allerdings sämtliche Einnahmen ins Haus reinvestiert und kein bestimmter Prozentsatz an Aktionäre ausgeschüttet. 
Der Raum für Zuwendung und Gespräche muss natürlich gegeben sein – dies macht einen gro-
ßen Teil der Genesung der uns anvertrauten Patienten aus. Bei uns im BK haben wir hierfür verschiedene Angebote etabliert, unter anderem unsere Seelsorge, den Sozialdienst, unsere Babylotsen, die Sozialmedizinische Nachsorge für Frühgeborene, die Patientenfürsprecher, das Beschwerdemanagement, die Grünen Damen, … Sie alle fangen auf, was im stressigen Arbeitsalltag hin und wieder zu kurz kommen kann. Aber es ist auch unstrittig, dass viel zu wenig Raum dafür da ist. Der Kostendruck ist einfach immens. 


Was macht heute eigentlich den Geist eines katholischen Krankenhauses aus? Was unterscheidet es von anderen Kliniken?
Jedes Krankenhaus schreibt sich auf die Fahnen, dass der Mensch und nicht der Profit im Vordergrund steht. Ob das der Realität entspricht, ist dann aber doch von Träger zu Träger verschieden. Auch wir müssen wirtschaftlich arbeiten, aber sämtliche Gewinne werden, wie bereits gesagt, ins Haus, zum Beispiel in zusätzliches Personal oder modernste Medizintechnik reinvestiert. Das heißt, am Ende profitieren bei uns die Patienten und keine Aktionäre.
Als konfessionelle Einrichtung fühlen wir uns christlichen Werten wie Nächstenliebe, Mitmenschlichkeit und gegenseitige Wertschätzung verpflichtet – sie sind fest in unseren Leitlinien, nach denen wir handeln, verankert. Dies unsere Patienten im Krankenhausalltag spüren zu lassen, ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Selbstverständnisses und ein Teil der Arbeit unseres eigens dafür eingerichteten Wertebeirats. Auch als Arbeitgeber legen wir viel Wert auf einen wertschätzenden Umgang mit unseren Mitarbeitenden und bieten verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung. Zu nennen sind hier unser betriebliches Gesundheitsmanagement, unsere Suchtberatung, das BK-Feriencamp für Mitarbeiterkinder, unser Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement oder unsere Stabsstelle für Fort- und Weiterbildung „BK-Campus Bildung“.
In Zukunft wird es immer weniger ordensgeführte Einrichtungen geben. Wie aber können wir sicherstellen, dass die Gründungsgedanken und die christlichen Traditionen, die hinter diesen Einrichtungen stehen, nicht verloren gehen? Der Elisabeth Vinzenz Verbund, zu dem auch das St. Bernward Krankenhaus gehört, hat hier einen guten Ansatz gefunden. Seit 2019 gibt es dort das Elisabeth Vinzenz Institut, das sich auf die persönlichkeitsbezogene und spirituelle Qualifizierung und Weiterentwicklung von Führungskräften in christlichen Einrichtungen konzentriert. Verschiedene, umfassende Fortbildungsprogramme, genannt seien hier das „Führungskräfte-Entwicklungs-Programm“ und „Kompetenz und Geist“, geben gezielte Anstöße zum Wachsen der je eigenen Führungskompetenz und vermitteln Handwerkzeuge für den Führungsalltag – all das immer vor dem Hintergrund christlicher Werte.


Ein bedeutender Faktor im Krankenhaus sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch in diesem Bereich gibt es Probleme: Personalmangel, Stress, Überforderung – viele Mitarbeiter im Gesundheitswesen stecken irgendwann auf und streben einen Berufswechsel an. Können Sie genügend gute Ärzte, Schwestern, Pfleger rekrutieren? 


Es wird tatsächlich immer schwieriger, Mitarbeitende zu finden. Wir sind aber in der glücklichen Lage, dass wir zum einen ein eigenes Ausbildungszentrum für Pflegeberufe am Haus haben und zum anderen akademisches Lehrkrankenhaus der Universitätsmedizin Göttingen sind. Hier gewinnen wir viele Nachwuchskräfte für uns. 
Eine andere – und vielleicht oft auch die größere – Herausforderung ist, die Mitarbeitenden zu halten. Angesichts des Fachkräftemangels können sich viele aussuchen, bei welchem Arbeitgeber sie arbeiten möchten. Wir sind deshalb sehr stolz darauf, dass wir ausgesprochen viele Mitarbeitende haben, die bei uns mehr als 20 oder 30 Jahre arbeiten. 
Meines Erachtens müssen vor allem die Rahmenbedingungen stimmen. Das heißt eine tarifliche Vergütung, flexible Arbeitszeitmodelle, eine betriebliche Altersvorsorge, eine verlässliche Dienstplanung, ein innovatives Ausfallmanagement, Erleichterungen und Prozessoptimierungen bei den Arbeits- und Dokumentationsabläufen – das ist das, was die Mitarbeitenden im Unternehmen hält. 

Unsere Belegschaft ist bunt gemischt und vielfältig und das ist gut so.  Aber die meisten unserer Mitarbeitenden haben ihren Lebensmittelpunkt bereits seit Jahren in Deutschland. 
Sie zielen vermutlich auf die Agenturen ab, die ausländische Fachkräfte vermitteln. Keine Frage, hier gibt es schwarze Schafe. Man muss sich jedoch auch fragen, was die Frauen und Männer dazu bringt, ihr Heimatland und ihre Familie zurückzulassen. Das Leben und die Möglichkeiten für ihre Familien – zum Beispiel die Ausbildung ihrer Kinder – die sie durch ihre Arbeit hier bei uns finanzieren können, hätten sie in den meisten Fällen nicht, wenn sie in ihrer Heimat denselben Beruf ausübten. Es gibt viele Agenturen, die transparent und zielgerichtet die Bedürfnisse aller zusammenbringen.  



 

Matthias Bode