Streitgespräch über Nachhaltigkeitsstudie der Bischofskonferenz

„Die Landwirte können nicht mehr“

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Trecker auf Feld
Nachweis

Foto: Getty Images

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Wichtige Arbeit: Die Leistung von Landwirten sollte mehr wertgeschätzt werden, betonen die Autoren einer umstrittenen Studie der Deutschen Bischiofskonferenz

Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz haben Experten eine Studie zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft erarbeitet. Viele Bauern regen sich darüber auf. Zurecht? Wir haben zwei Männer zum Streitgespräch gebeten: Johannes Wallacher, Wirtschaftsethiker und einer der Studienautoren – und Holger Hennies, Präsident des Landvolks Niedersachsen.


Welche Reaktionen haben Sie von Landwirten auf die Studie bekommen?

Hennies: Die meisten waren ablehnend. Das ging von Unverständnis über Resignation bis zu Zorn. Viele haben gesagt: „Jetzt hat die Kirche uns auch aufgegeben.“ Wir haben in den Betrieben sowieso schon eine sehr resignative Stimmung. Da empfanden es viele als bedrohlich, dass nicht mal mehr die Kirche Hoffnung verbreitet, sondern stattdessen den Landwirten ein Modell aufzwingt, das nicht funktioniert.

Woher kommt diese resignative Stimmung?

Hennies
Holger Hennis. Foto: Landvolk Hannover

Hennies: Viele Landwirte vermissen gesellschaftliche Anerkennung. Sie fühlen sich im politischen Diskurs als Opfer. Das macht mir große Sorge, denn wir drohen sie zu verlieren an die dunkle Seite des Parteienspektrums.

Wie fanden Sie selbst die Studie, als Sie zum ersten Mal reingeschaut haben?

Hennies: Ich hatte gleich ein beklemmendes Gefühl und dachte: Oh Gott! Vom Ton her fand ich sie sehr hochtrabend – obwohl ich als ehemaliger Wissenschaftler gewohnt bin, mich durch solche Texte zu quälen. Es sind viele Plattitüden darin – und eine Wortwahl, die für Landwirte wenig wertschätzend, sondern aggressiv herabsetzend klingt. Richtig schwierig finde ich aber die massiven methodischen und inhaltlichen Schwächen.

Was meinen Sie konkret?

Hennies: Die Ziele der Studie sind ehrenwert: Biodiversität, Klimaschutz, Schutz der Böden, Generationengerechtigkeit – alles okay. Aber der Weg dahin funktioniert so nicht. Schauen Sie sich an, wer die Studie geschrieben hat! Da ist kein Agrarökonom und kein aktiver Landwirt dabei. 

Wallacher: Darf ich auch mal was dazu sagen?

Na klar!

Wallacher: Ich bitte doch um mehr Differenzierung. Erstens hat Professor Bernd Hansjürgens vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung an der Studie mitgearbeitet – ein Umweltökonomen, der für die Nationale Akademie der Wissenschaften Fachgutachten schreibt. Da können Sie doch nicht sagen, dass wir keinen Agrarwissenschaftler dabeihaben. Zweitens hat sich ein ganzer Verband von Landwirten an der Studie beteiligt: die Katholische Landvolkbewegung.

Hennies: Die hat aber auch eine bestimmte politische Ausrichtung. 90 Prozent der Landwirte sind Mitglied im Bauernverband, und den haben Sie ignoriert. Sie haben sich ein sehr kleines Spektrum an Experten rausgesucht. 

Wallacher: Das sehe ich anders. Wir erheben nicht den Anspruch, bei der Auswahl alles richtig gemacht zu haben. Aber Ihre Perspektive, Herr Hennies, ist deutlich zu einseitig.

Wie erklären Sie sich denn die Wut, die die Studie hervorgerufen hat?

Wallacher
Johannes Wallacher. Foto: HFPH / A. Futter

Wallacher: Ich kann nachvollziehen, dass Landwirtinnen und Landwirte sich durch politische Entscheidungen in den vergangenen Jahren in der Defensive gesehen haben. Ich glaube auch, dass die Entscheidung der Ampelregierung im vergangenen Jahr, in einer schwierigen Haushaltssituation einen übermäßigen Teil der Lasten bei den Landwirtinnen und Landwirten abzuladen …

… und die Agrardiesel-Steuersubvention schrittweise zu streichen …

Wallacher: … politisch falsch und unklug war.

Aber?

Wallacher: Ausgangspunkt unserer Studie ist die Tatsache, dass die Ressource Boden immer knapper wird, der Druck auf diese Ressource weltweit enorm zunimmt und die Landnutzung sich deswegen verändern muss. Und dass das eine Herausforderung ist im Spannungsfeld zwischen Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt. 

Das ist unstrittig, oder?

Hennies: Das ist unstrittig. Da sind wir uns einig.

Wallacher: Uns war es vor allem wichtig, ethische Perspektiven für den Umgang mit diesem Spannungsfeld aufzuzeigen. Und unsere Forderungen weichen nicht groß ab von dem Bericht, den die Zukunftskommission Landwirtschaft der Bundesregierung 2024 gegeben hat. Deswegen ist mir Ihre Kritik zu pauschal. 

Herr Hennies, welche Schwächen werfen Sie der Studie konkret vor?

Hennies: Manche Zahlen sind total veraltet. Die Flächenprämie, die Sie nennen …

… also die Prämie, die landwirtschaftliche Betriebe vom Staat pro bewirtschaftetem Hektar bekommen …

Hennies: … ist zum Beispiel von 2016. Heute ist die Flächenprämie nur noch etwa halb so hoch wie damals. Sie nutzen veraltete Zahlen, um eine politische Wirkung zu erzeugen. Das ist unanständig und tendenziös.

Wallacher: Erstens machen wir transparent, dass die Zahl von 2016 ist. Zweitens: Wollen Sie bestreiten, dass der Großteil der Unterstützungsleistungen für Landwirte nach wie vor Flächenprämien sind?

Hennies: Ja, das will ich bestreiten. Die Flächenprämien machen heute nur noch rund ein Drittel der Unterstützungsleistung aus. In den nächsten fünf Jahren werden diese Zahlungen für die Betriebe keine Rolle mehr spielen. 

Wallacher: Das wäre gut, aber ich bezweifle, dass dies der Fall sein wird. 

Hennies: Mein Eindruck ist: Sie verwenden die veralteten Zahlen entweder bewusst oder weil Sie bei Ihrer Studie die falschen Leute an Bord gehabt haben. Beides wäre nicht gut. Und es sind noch mehr Schwächen in Ihrer Studie: Sie springen häufig zwischen den Ebenen hin und her.

Wie meinen Sie das?

Hennies: An vielen Stellen der Studie ist unklar, ob es um Deutschland, Europa oder die ganze Welt geht. Zum Beispiel beim Thema Wasserverbrauch. Weltweit werden 73 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen bewässert, in Deutschland aber nur drei Prozent. Wenn Sie dann pauschal den hohen Wasseranspruch der Landwirtschaft anprangern, führt das bei deutschen Landwirten zu Unmut. 

Wallacher: Das mit den verschiedenen Ebenen verstehe ich. Aber es bringt doch nichts, wenn wir sagen: Probleme gibt es nur woanders, bei uns ist alles in Ordnung.

Hennies:  Ich sage nicht, dass bei uns alles in Ordnung ist. Wir können in Deutschland aber nur Probleme lösen, die es hier auch wirklich gibt. In der Studie ist auch die Rede davon, dass die Massentierhaltung immer intensiver geworden ist. Für Südamerika stimmt das. In Deutschland aber haben wir die Tierhaltung seit den 1980er Jahren halbiert. Da passt also die Studie nicht zur Realität – und Landwirte gewinnen den Eindruck: Die wollen uns alles in die Schuhe schieben.

Wallacher: Ihnen will niemand was in die Schuhe schieben. Das ist das größte Missverständnis: dass wir den Landwirten misstrauen. Wir sagen in der Studie ganz klar: Landwirtinnen und Landwirte bringen für die Gesellschaft extrem wertvolle Leistungen. Dafür verdienen sie Anerkennung. Und dafür müssen sie angemessen vergütet werden, verlässlich und möglichst unbürokratisch. 

Trecker Demo
Klares Zeichen: Im Januar 2024 demonstrieren viele Landwirte gegen die geplante Streichung der Steuersubventionen beim Agrardiesel. Foto: imago/ipon

Das klingt doch erst mal ganz gut, oder, Herr Hennies?

Hennies: Ja, die Grundidee finde ich gut. Schwierig bleibt aber, dass die Studie nicht klarmacht: Wo gibt es ein Problem – und wo muss ich es lösen? Und dass wir in Deutschland zum Beispiel die Bodenerosion in den vergangenen Jahren deutlich verringert haben, das finde ich in Ihrer Studie nicht wieder. 

Wallacher:  Wir versuchen halt, einen globalen Überblick zu geben, wie problematisch sich die Landnutzung insgesamt verändert hat. Dabei nehmen wir auch ein Thema auf, bei dem wir, so glaube ich, relativ schnell zusammenkommen: die Flächenversiegelung. Da würden Sie vermutlich nicht sagen, dass die in Deutschland weniger geworden ist, oder?

Hennies: Sie ist weniger geworden im Vergleich zu den Achtziger- und Neunziger-Jahren. Aber sie ist noch nicht gut. Wir haben Nettoversiegelung null als Ziel.

Wallacher: Ich war im vergangenen Herbst bei einem großen Treffen von Bodenkundlern. Die sagen: Im Schnitt sind 60 Prozent der Böden in Europa nicht mehr gesund. Wobei es natürlich große regionale Unterschiede gibt.

Hennies: Genau, die gibt es! Das zeigt eine multinationale Studie von 2024. Es regt die deutschen Landwirte auf, wenn Probleme in Deutschland gelöst werden sollen, die wir hier so nicht haben. So nehmen Sie die Leute einfach nicht mit.

Wallacher: Mir sagen die Bodenkundler, dass das Phänomen der Bodenverdichtung auch in Deutschland ein immenses Problem ist. Und es gibt durchaus seriöse Wissenschaftler, die sagen, dass das Hochwasser in Niedersachsen im vergangenen Jahr deswegen so extrem werden konnte, weil die Bodenverdichtung so zugenommen hat und der Boden kaum noch Wasser aufnehmen konnte. Der entscheidende Punkt unserer Studie ist für mich aber ein anderer.

Welcher?

Wallacher: Die Begriffe des Gemeinwohls und der Gemeingüter. Für die Verwendung dieser Begriffe wurden wir in die Ecke der Sozialisten gestellt. Das finde ich schwierig. 

Von manchen Kritikern wurden die Begriffe als Forderung interpretiert, Privateigentum an Grund und Boden in Volkseigentum zu überführen.

Wallacher: Die Studie stellt das Privateigentum an keiner Stelle infrage. Niemand will, dass Landwirte enteignet werden. Die Studie erinnert nur daran, dass Eigentum nicht unbeschränkte Verfügungsgewalt bedeutet. Und dass die Art, wie ein Landwirt seinen Boden bewirtschaftet, Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft hat. Diese Auswirkungen enden nicht an der Grundstücksgrenze, sondern sie betreffen Ökosysteme, Wasserkreisläufe, CO2-Kreisläufe. 

Können Sie das erläutern?

Wallacher: Wenn Landwirte die Böden so bewirtschaften, dass sie auf Dauer CO2 binden, dass sie Wasser aufnehmen, Humus bilden können und gesund bleiben, dann ist das nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern sie liefern damit auch einen Mehrwert für die Gesellschaft. Die Landwirte sind die Hüter des Gemeinguts Boden. Aber wir betonen in der Studie auch, dass sie diese Verantwortung nicht allein tragen müssen. 

Sondern?

Wallacher: Wir müssen die Landwirtschaft unterstützen. Denn Böden sind enorm wichtig. Sie sind die dünne, verletzliche Haut der Erde – und ein anderer Produktionsfaktor als eine Industriefabrik. Böden erfordern Bewahrung, Hege und Pflege, Investitionen. Wenn Böden nicht gut behandelt werden, ist das in Zeiten einer zunehmenden Bodenverknappung ein Problem. 

Bewässerung
Interessanter Wert: In Deutschland werden drei Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen bewässert. Foto: imago/Daniel Kubirski

Inwiefern?

Wallacher: Wenn Landwirte ihre Böden auf Dauer so bewirtschaften, dass er keinen Humus mehr bildet, die Artenvielfalt zurückgeht und wegen der Bodenverdichtung kein Wasser mehr einsickern kann, dann betreffen die Folgen uns alle. Ich möchte aber betonen: Die überwiegende Zahl der Landwirtinnen und Landwirte kümmert sich gut um ihre Böden. 

Und diese Landwirte wollen Sie stärker und unbürokratischer unterstützen?

Wallacher: Genau. Wir nennen beispielhaft Möglichkeiten, wie man diese Grundidee umsetzen kann. Herr Hennies, wenn Sie bessere kennen, sind wir dafür offen. Es geht uns nicht darum, auf bestimmten Instrumenten zu beharren, sondern es geht uns darum, der Gesellschaft klarzumachen: Sie hat die Verpflichtung, nachhaltig wirtschaftende Landwirtinnen und Landwirte zu unterstützen.

Herr Hennies, gehen Sie da mit?

Hennies: Ich sehe auch, dass die Landwirtschaft eine Verantwortung hat und dass wir versuchen müssen, das schützenswerte Gut Boden zu erhalten. Nur geht die Studie auf dem Weg zu diesem Ziel in die falsche Richtung – weil sie mit falschen Zahlen arbeitet, falsche Maßnahmen nennt und ständig zwischen den Ebenen springt. Und wegen all dieser Schwächen fällt es vielen Landwirten schwer zu glauben, dass Sie ehrliche Absichten haben. Durch die Schwächen diskreditieren Sie Ihre Studie. Sie betteln doch darum, dass wir uns darüber aufregen.

Wallacher: Jetzt schießen Sie wieder über das Ziel hinaus. 

Hennies: Die Landwirte können nicht mehr. Zu oft werden sie zu Sündenböcken gemacht – obwohl hier bei uns vieles in die richtige Richtung geht: Deutschland ist in der EU das Land mit der geringsten Bodenschädigung. Ich war im vergangenen Herbst dienstlich in Sizilien, da ist die Landschaft zu zwei Dritteln völlig degradiert. Die deutschen Landwirte reagieren allergisch, wenn sie Probleme lösen wollen, die woanders brennen und die wir in der Intensität gar nicht haben. 

Welche meinen Sie noch?

Hennies: Zum Beispiel das Problem mit den Nährstoffen.

Zur Erklärung für die Nicht-Landwirte: Gemeint ist Gülle, die als Dünger auf Feldern ausgebracht wird.

Hennies: Früher sind insgesamt mehr Nährstoffe in den Boden gelangt als benötigt. Das war falsch. Aber spätestens seit 2015 geht der Trend beim Düngen nur nach unten. Ja, wir haben noch ein paar Hotspots. Wir haben noch Betriebe, deren Werte nicht in Ordnung sind. Wir können weiter optimieren. Aber insgesamt haben sich die Düngebilanzen in den letzten zehn Jahren fundamental verändert. Das kommt in Ihrer Studie nicht rüber. Und das regt die Landwirte auf. 

Wallacher: Ich bin gern bereit, über solche Themen zu diskutieren. Aber zu behaupten, die Situation der Böden habe sich durchgehend verbessert, ist zu einseitig, wenn Sie zum Beispiel an neue Herausforderungen wie die Bodenbelastung durch Mikroplastik denken. Der Studie geht es darum, die großen Linien aufzuzeigen. Nehmen Sie uns ab, dass wir mit dieser Studie Ihren Berufsstand unterstützen wollen?

Hennies: Das will ich Ihnen nicht absprechen. Aber Sie holen die Landwirtschaft emotional nicht ab und Sie weichen bei Bioplastik auf ein Thema aus, das mit Landwirtschaft wenig zu tun hat. Ich möchte aber noch einen zentralen Punkt ansprechen, der mich an der Studie extrem stört: die Definition von Effizienz.

Was stört Sie daran? 

Hennies: In der Studie steht, es sei besser, mit 500 Kubikmetern Wasser auf einem Hektar eine Tonne Weizen zu produzieren, als mit 1500 Kubikmetern Wasser auf einem Hektar acht Tonnen Weizen zu produzieren. Volkswirtschaftlich betrachtet, ist hingegen die zweite Variante, also der intensivere Anbau, eindeutig vorzuziehen – weil Flächen und Wasser die knappsten Ressourcen auf der Welt sind. 

Wallacher: Der Ertrag pro Fläche oder eingesetzter Ressourcen ist wichtig, kann aber nur ein Kriterium sein. Denn dieses Verständnis von Effizienz ist verkürzt, weil es die Folgen für Bodengesundheit und ökosystemare Dienstleistungen völlig außer Acht lässt. Daher plädieren wir für ein umfassenderes Verständnis von Gemeinwohleffizienz, das neben dem einfachen Ertrag auch den Beitrag zur Bodengesundheit berücksichtigt. Wenn Sie wirklich für Nachhaltigkeit sind, müssten Sie eine solche Erweiterung eigentlich begrüßen. 

Was müsste passieren, damit die Studie nun doch noch zu gutem Dialog statt schlechter Stimmung führt? 

Hennies: Es wäre schön, wenn viele Menschen miteinander darüber so offen diskutieren wie wir hier jetzt – und nicht in ihrer eigenen Blase bleiben. Die Kirche neigt leider dazu. Dabei ist sie doch eigentlich dazu da, die Menschen zusammenzuführen und zu versöhnen. 

Wallacher: Ich würde gern noch einen weiteren Aspekt einbringen.

Bitte!

Wallacher: Wir haben von Landwirtinnen und Landwirten auch sehr, sehr viel positive Rückmeldungen bekommen. Ich weiß, der Bauernverband ist die mächtigste Vertretung der Landwirte, aber es gibt kleinere Verbände, die auch Mitglied im Bauernverband sind und diese Studie sehr gut finden. Und etwas hat die Studie schon jetzt gebracht: Sie hat dazu geführt, dass wir im Dialog stehen.

Hennies: Sie lädt nicht zum Dialog ein. Sie verschärft eher den Konflikt. 

Wallacher: Das glaube ich nicht. Ich stoße gerade in der jüngeren Generation von Landwirtinnen und Landwirten auf großes Interesse, die Themen der Studie zu diskutieren. Das darf man nicht geringachten. Und ich glaube, dass das aktuelle Fördersystem der EU so nicht mehr funktioniert. Es ist ein bürokratisches Monster, das kaum reformierbar ist. Wir brauchen einen neuen Ansatz, um das Kulturgut Boden zu erhalten, den Landwirtinnen und Landwirten Planungssicherheit zu geben und einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenvielfalt zu leisten.

Aber wenn Sie jetzt die Reaktion von Herrn Hennies hören, denken Sie dann nicht doch: Irgendwas haben wir bei der Studie falsch gemacht?

Wallacher: Klar haben wir nicht alles richtig gemacht. Aber der Stapel von positiven Reaktionen und negativen Reaktionen hält sich bei mir die Waage. 

Jetzt haben Sie intensiv miteinander diskutiert. Was haben Sie dabei gelernt?

Hennies: Ich habe gelernt, welches Ziel Sie mit der Studie verfolgen. Beim Lesen war mir das noch nicht so klar. Ich nehme Ihnen dieses Ziel auch ab. Ich glaube aber, man müsste die Studie erheblich nachbessern, um daraus einen für Landwirte akzeptablen Ansatz zu machen.

Wallacher: Ich habe gelernt, dass die Studie bei manchen Praktikerinnen und Praktikern nicht so ankommt, wie sie gedacht war. Und dass es sich lohnt, in den Austausch zu gehen, die Argumente des Gegenübers zu hören und am Ende festzustellen, dass man vielleicht gar nicht so weit auseinander liegt wie gedacht. Herr Hennies, ich würde gern bald mal wieder auf Sie zukommen und diesen konstruktiven Dialog weiterführen. Es wäre schön, wenn wir uns auch mal persönlich treffen würden.

Interview: Andreas Lesch

Zur Sache

Die Studie, die heftige Reaktionen hervorgerufen hat, trägt den Titel „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“. Sie wurde im September 2024 von der Sachverständigen-gruppe Weltwirtschaft und Sozialethik der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht. Die Studie finden Sie hier: www.dbk-shop.de

 

Zur Diskussion

Um die Diskussion um eine nachhaltige Landnutzung fortzuführen, veranstaltet die Katholische Akademie Bayern am Dienstag, 13. Mai, von 19 bis 21 Uhr eine Expertenrunde zu diesem Thema. Es geht um die Transformation der Landwirtschaft und die Frage der Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das Podiumsgespräch bringt Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Praxis und Verbänden zusammen. Mit dabei ist auch Johannes Wallacher. An dem Abend können Sie auch online teilnehmen über den Youtube-Kanal der Katholischen Akademie: hier

 

Zu den Personen

Johannes Wallacher (59) ist Professor für Sozialwissenschaften und Wirtschaftsethik an der Hochschule für Philosophie in München und Präsident der Hochschule. Er ist Vorsitzender der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik der Deutschen Bischofskonferenz, die die Landwirtschaftsstudie erstellt hat. 

Holger Hennies (55) ist Präsident des Landvolks Niedersachsen und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Er hat über die Effektivität und Effizienz von Natur- und Wasserschutzmaßnahmen promoviert. Mit seiner Frau bewirtschaftet er den landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Uetze-Schwüblingsen bei Hannover.