Clowns besuchen Alte und Kranke

Ein Hauch von Leichtigkeit

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Clowns am Krankenbett
Nachweis

Foto: Maria Martha-Stift Lindau

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Eine Visitenclownin hat, was vielen Pflegekräften leider fehlt: Zeit zum Dasein und Zuhören.

Drei Christinnen aus Ravensburg im Allgäu besuchen als Clowns Seniorenheime und Krankenhäuser. Sie machen Späße und Musik und schenken den Menschen Freude. Und manchmal halten sie ihnen auch einfach nur die Hand.

Der Gedanke, zum ersten Mal als Visitenclownin die rote Nase aufzusetzen, kam Lucia Aschwanden erstmals vor fünf Jahren, als ihr Sohn mehrere Wochen im Krankenhaus lag. „Er hatte große Angst vor den Spritzen. Als ein Klinikclown zu Besuch kam und anfing, Späße zu machen, erlebte ich, welche Leichtigkeit plötzlich den Raum erfüllte“, erzählt sie. Sie sei so fasziniert gewesen, dass sie es selbst wagen wollte. Sie ging zu den „Ravensburger Clowns“, die seit 2012 Einrichtungen für Senioren oder Menschen mit Behinderung, Kliniken und Hospize besuchen. Dort erdachte sie die Figur „Kamilla“ – und begegnete ihren Mitstreiterinnen Alexandra Tauch und Doris Frei.

„Die ganz große Bühne brauche ich nicht“, sagt Tauch, die als „Fanni“ auftritt, über sich selbst. „Mein Herz brennt für die Eins-zu-eins-Begegnung mit den Menschen.“ Ähnlich geht es Frei alias „Frieda“. „Den Leuten so intensiv begegnen zu dürfen, ist ein Geschenk. Ein Clown kann Dinge ansprechen, die ein normaler Besucher nicht ansprechen würde“, sagt sie.

Doch wie gelingt es den Clowninnen, beim Besuch in einer Einrichtung das Eis zu brechen? „In Seniorenheimen, wo wir am häufigsten zu Gast sind“, sagt Frei, „ist die Musik ein gutes Mittel, um ein Fenster zu öffnen. Wir singen Lieder und spielen dabei auf der Ukulele.“ Ein festes Programm gebe es aber nicht. „Wir fahren die Antenne aus, versuchen, die Stimmung wahrzunehmen“, sagt Aschwanden. „Dass wir immer zu zweit unterwegs sind, ist sehr wichtig. Auch als Clown bringt jeder seine eigene Qualitäten mit. Wenn einem selbst gerade einmal einfach nichts einfällt, kommt dem anderen vielleicht eine Idee.“ 

Besonders bei älteren Menschen gelinge der Zugang auch über den Glauben, erzählt Tauch: „Eine alte Dame hatte einen Rosenkranz im Zimmer hängen, den haben wir gemeinsam gebetet – natürlich ein bisschen lockerer als sonst üblich.“ Doch Clownsein bedeutet nicht nur Jux und Dollerei. Tauch besucht neben Seniorenheimen auch die Onkologie und die Palliativstation im Krankenhaus. Dort sei vieles etwas anders, sagt sie: „Man kann es auch mal mit Slapstick versuchen: stolpern, irgendwo gegenlaufen oder an etwas hängen bleiben.“ 

Ihr Honorar wird durch Spenden finanziert

Anders ist auch, was sie auf den Zimmern miterlebt. Tauch sagt: „Wenn man mitbekommt, wie ein junger Erwachsener und seine Angehörigen erfahren, dass es keine Chance auf Heilung mehr gibt, ist das erschütternd.“

In solchen Momenten ist sie dankbar, dass sie jemanden hat, dem sie alles anvertrauen kann. „Wenn ich später zu Hause ins Gebet gehe, weiß ich, dass nicht ich mich um alles kümmern muss, sondern dass es in der Hand des Herrn liegt.“ Zumal sie überzeugt ist, dass der Himmel allen Menschen offensteht. Tauch erzählt: „Wenn ich bemerke, dass auch ein Nichtgläubiger empfänglich ist für den Gedanken, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist, dann scherzt Fanni auch mal: ‚Wenn du im Himmel bist, kannst du ja mal runterwinken!‘“ 

Als Clown lasse man sich voll auf sein Gegenüber ein, sagt Lucia Aschwanden. „Und das immer in einer wertschätzenden Haltung. Wir nehmen den Menschen so an, wie er ist.“ Berührungsängste, ergänzt Tauch, dürfe man keine haben. „Durch den Clown habe ich alte Menschen lieben gelernt“, erzählt sie. Aschwanden erinnert sich an einen älteren Mann, der schon lange kein Wort mehr gesprochen haben soll. „Irgendwann schaute er auf und sagte etwas. Seine Frau, die mit im Zimmer saß, sagte hinterher: ‚Es war so schön, mal wieder seine Stimme zu hören.‘“ Die Clowns, sagt Frei, verfügten zudem über ein wichtiges Gut, das den Pflegern fehlt: Zeit. „Es kommt auch vor, dass wir die Hand des Menschen nehmen und einfach nur still neben ihm sitzen“, sagt sie.

Ihre Berufung als „Lachmedizinerinnen“ betreiben die Allgäuerinnen mit großer Ernsthaftigkeit. „Es gibt Reflexionen, Trainingsabende und Begleitungen durch einen Dritten in Zivil, der danach seine Beobachtungen mitteilt. Wir wollen nicht in Gewohnheiten erstarren, sondern spontan bleiben“, sagt Tauch. Obwohl die derzeit 15 Ravensburger Clowns ihre Arbeit fast wie Profis machen, erhalten sie nur ein symbolisches Honorar, das der Verein durch Spenden zahlen kann.

Um das Geld geht es den drei Christinnen aber ohnehin nicht. „Für uns geht es darum, den Menschen ein wenig Freude zu schenken“, sagt Doris Frei. „Wenn uns das gelingt, dann ist das auch für uns selbst die größte Freude, die wir empfangen könnten.“

Hinweis: Als einer von 40 Gewinnern der Aktion nikolausfreu.de des St. Benno Verlages freuten sich die Ravensburger Clowns über eine Spende von 500 Euro. Mit der Aktion unterstützt der Verlag im Sinne des heiligen Nikolaus soziale Projekte. 

Stefan Schilde