Abtreibungsrecht: Warum die Schwangerschaftsberatung so wichtig ist

Eine Stimme für das Leben

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Schwangerenkonfliktberatung
Nachweis

Foto: imago/epd

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Wichtiges Gespräch: Die Beraterinnen von Donum vitae helfen Frauen, für sich und ihre ungeborenen Kinder eine Zukunft zu sehen.

Eine Regierungskommission empfiehlt eine Liberalisierung der bisherigen Abtreibungsregeln. Eine Beraterin von Donum vitae erklärt, warum sie das für falsch hält – und warum die Beratung von Schwangeren in schwierigen Situationen so wichtig ist.

Brauchen wir den Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch noch? Ja, findet Marina Traschütz-Hartmann. Aus ihrer Sicht schützt er sowohl die Schwangeren als auch die Embryonen. Traschütz-Hartmann ist Sozialpädagogin und berät Schwangere in Konfliktsituationen bei Donum vitae in Heidelberg. Zu ihr kommen Frauen, die in finanzieller, familiärer oder gesundheitlicher Not nicht wissen, ob und wie sie mit ihrem Kind leben können. 

Nach Paragraf 218 gilt Abtreibung in Deutschland als Straftat, die jedoch unter bestimmten Bedingungen nicht geahndet wird. Dazu gehört, dass Frauen eine Beratung nachweisen müssen, in der sie sich informieren, welche Hilfen es gibt, um das Kind zu behalten und es großzuziehen. 

Eine Expertenkommission der Bundesregierung fordert nun, den Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft zu legalisieren und den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch gänzlich zu streichen. Es geht der Kommission um Entkriminalisierung: Abtreibung soll nicht mehr als Straftat gelten.

Aber fühlen sich Schwangere denn kriminalisiert, die über eine Abtreibung nachdenken? „Die Frauen, die zu uns kommen, haben ganz andere Probleme“, sagt Beraterin Traschütz-Hartmann. Aus ihrer Sicht läuft gerade eine „Diskussion, die gesellschaftlich lautstark geführt wird, aber sich in der Praxis nicht widerspiegelt“. Frauen kämen in die Beratung, weil sie ungeplant schwanger sind und die Situation schwierig ist, erklärt sie. Eine Schwangere aber, die sich durch den Paragrafen 218 diskriminiert gefühlt hat, hat sie in ihrer 20-jährigen Tätigkeit noch nicht erlebt. 

Nicht nur Donum vitae stellt sich gegen das Papier der Ampel-Kommission. Auch die Deutsche Bischofskonferenz kritisiert es scharf. „Die Empfehlungen der Kommission beruhen auf der Annahme, ein Schwangerschaftsabbruch verletze das ungeborene Kind nicht in seiner Menschenwürde“, erklärt der Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing. Eine Relativierung der Würde auch des ungeborenen Kindes „halten wir für falsch“, fügt er an. Irme Stetter-Karp, die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), sieht in den Plänen das Ende eines klaren Lebensschutzkonzepts. Menschliche Würde bestehe von Anfang an, betont sie.

Auch Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa kritisiert die Pläne: „In einer Zeit, in der Schwangere vom ersten Ultraschall an das Herz ihres Babys auf dem Monitor schlagen sehen, widerspricht es nicht nur ethischen Grundsätzen, sondern der lebensweltlichen Erfahrung, dem Embryo den Menschenrechtsschutz vorzuenthalten.“ 

Dass die derzeitige Abtreibungsregelung im Strafgesetzbuch steht, diene „dem verfassungsrechtlichen Schutz des ungeborenen Lebens“, sagt Beraterin Traschütz-Hartmann. Der Schwangeren und dem Embryo werde dadurch die gleiche Würde im Sinne von Artikel 1 des Grundgesetzes zugesprochen. Die Expertenkommission hingegen bewertet die Würde und den Schutz des Embryos in den ersten Wochen geringer als die der Schwangeren.

Traschütz-Hartmann will in ihrer Beratung „dem werdenden Leben eine Stimme“ geben, wie sie sagt. Sie bittet die Schwangere, sich das Leben mit dem Kind vorzustellen. „Wenn Sie mit einer Frau darüber sprechen, wie das Leben mit dem Kind in ihrer Situation möglich wäre, dann haben Sie das Kind mit im Gespräch“, sagt sie. 

Wichtige Beratung für Frauen, die gar nicht abtreiben wollen

Es gebe Frauen, die seien schon sehr stark beim Abbruch und blieben auch bei dieser Entscheidung, sagt Traschütz-Hartmann. Aber es gebe auch solche, mit denen sie Lösungsmöglichkeiten bespricht – etwa, wo sie finanzielle Hilfen bekommen können oder wie sie trotz ihrer Schwangerschaft eine Ausbildung abschließen können  Die Beraterin berichtet: „Da gibt es durchaus Schwangere, die sagen: ‚Okay, mit der Unterstützung bekomme ich das Kind.‘“

Wichtig ist die Beratung aus ihrer Sicht auch für Frauen, die gar nicht abtreiben wollen und von der Familie unter Druck gesetzt werden. In der Beratungsstelle erhalten sie Informationen, welche Rechte sie haben. „Wenn die Pflichtberatung wegfällt, gibt es keine Chance mehr für die Frauen, auf neutralem Gebiet mit einer professionellen Beratung über ihre Probleme zu sprechen“, sagt Traschütz-Hartmann.

Wenn Paragraf 218 aus dem Strafrecht gestrichen wird, könnte auch die Pflicht zur Beratung wegfallen. Diese empfinden jedoch 94 Prozent der Frauen als hilfreich, wie eine Umfrage von Donum vitae zeigt. „Ich habe Bedenken, dass Frauen, wenn es keine Pflichtberatung gibt, gar nicht darauf aufmerksam gemacht werden, dass es eine Beratungsmöglichkeit gäbe“, sagt Traschütz-Hartmann. Viele würden den Weg in die Beratungsstelle nicht finden. Sie fürchtet nicht nur, dass durch eine Streichung des Paragrafen 218 das ungeborene Kind keine Beachtung mehr findet. Sie sagt, die Streichung wäre auch „ein großer Einschnitt für die Frauen“.

Zur Sache:

Donum vitae (lateinisch für „Geschenk des Lebens“) wurde 1999 von katholischen Christinnen und Christen gegründet. Der Verein bietet bundesweit Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung nach dem christlichen Menschenbild an. Im Unterschied zu kirchlichen Beratungsstellen wie der Caritas stellt Donum vitae den für einen Schwangerschaftsabbruch notwendigen Beratungsnachweis aus.

Barbara Dreiling