Osnabrücker warnt
"Falsche Freunde" aus rechter Szene
Foto: Thomas Osterfeld
Die Kirche kann und muss einen Beitrag leisten, um Demokratie zu stärken und um Rechtsextremismus entgegenzuwirken: Das sagt der Osnabrücker Diakon Gerrit Schulte angesichts des Erstarkens rechter Parteien – besonders der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Nicht zuletzt wegen der Europawahl im Juni und der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September dränge es sich auf, die Gefahr von rechts in den Fokus zu rücken.
Gerrit Schulte, der sich schon sehr lange intensiv mit dem Thema befasst, warnt vor den komplexen Folgen eines AfD-Wahlsieges. Damit einher gehe nicht nur eine Diskriminierung von Migranten, Menschen mit Behinderungen und anderen Minderheiten, sondern auch allgemein eine erhebliche Einschränkung der sozialen Sicherheit. Schulte verweist dabei auf verschiedene aktuelle Studien wie die „Distanzierte Mitte“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, die allesamt zu einem Ergebnis kämen: Die AfD als neoliberale Kraft wolle wie keine andere Partei den freien Markt fördern und dafür den Sozialstaat abbauen. „Das ist ein ideologischer Angriff auf die christliche Soziallehre und das christliche Menschenbild.“
Stimme für die Demokratie erheben
Doch nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa taumele verstärkt in den Rechtspopulismus: „Es gibt ja bereits Länder, in denen die Rechten mit- oder sogar
allein regieren.“ Dabei sei klar, dass Parteien wie die AfD die EU zerstören wollen. Erfreut nimmt Gerrit Schulte hingegen die Mobilisierung gegen Rechtsextremismus in Deutschland in den vergangenen Wochen und Monaten zur Kenntnis – und findet es „besonders stark“, dass neben hunderttausenden
Demonstranten auch zahlreiche namhafte Persönlichkeiten aus der Wirtschaft ihre Stimme für die Demokratie erhoben haben. „Bei diesen gemeinsamen
Anstrengungen muss die Kirche mitmachen“, fordert Schulte. Ausdrücklich begrüßt er das Statement der Deutschen Bischofskonferenz, die AfD sei „für Christen nicht wählbar“.
Allerdings müsse die Kirche auch eigene Demokratiedefizite benennen und angehen – und sich darüber hinaus vor „falschen Freunden“ aus der rechten Szene schützen, die sich christliche Motive zu eigen machen und für ihre Zwecke umdeuten. Als Beispiel nennt Schulte den von AfD-Politikern unterstützten „Marsch für das Leben“. Hier dürften den Rechten keine „Scheunentore“ geöffnet werden. Wie aber kann sich die Kirche konkret einsetzen? Gerrit Schulte spricht sich für eine stärkere Vermittlung von Medienkompetenz in katholischen Schulen, Kindertagesstätten und Bildungshäusern aus, da rechte Inhalte auf Online-Plattformen in hohem Maße geteilt werden. Zudem sei Einsamkeit ein Faktor, der menschenfeindliche Einstellungen und rechtes Wahlverhalten begünstigt. „Wir müssen uns öffnen und auf diese Menschen zugehen“, meint Schulte. Das sei von größter Bedeutung: im Dialog zu bleiben, auch bei schwierigen Ansichten.
Zur Person
Gerrit Schulte hat viele Jahre als Journalist gearbeitet, bis 2004 als stellvertretender Chefredakteur der Zentralredaktion
der nord- und ostdeutschen Kirchenzeitungen in Osnabrück. Nach theologischer Ausbildung und Weihe war er ab 2004 hauptberuflich als Diakon tätig. Bis zum Ruhestand 2019 war er zudem Vorsitzender des Caritasrates im Bistum Osnabrück. Er hält regelmäßig Vorträge zu Themen wie Demokratieförderung und Rechtspopulismus.