Klösterreise – Von den Orden lernen
Größte Kunst: zusammen leben
„Klösterreise – Von den Orden lernen“: Die Jahresserie der Kirchenzeitung führt in Klöster der Region. Heike Kaiser war bei Schwester Theresia Winkelhöfer, der Provinzoberin der Armen Dienstmägde Jesu Christi, zu Gast in deren Mutterhaus in Dernbach (Westerwald). Ein Gespräch über Gemeinschaft und die Kunst, das richtige Zauberwort zu finden.
Was ist Gemeinschaft? „Eine überschaubare soziale Gruppe (beispielsweise eine Familie, Gemeinde, ein Clan oder Freundeskreis), deren Mitglieder eng miteinander verbunden sind.“ So lautet eine Definition. Das heißt aber noch lange nicht, dass alle immer einer Meinung sind, dass es keine Differenzen gibt. Wie also gelingt Gemeinschaft, was hält ihre Mitglieder zusammen? Wie funktioniert das in einem Orden, im Kloster?
Glauben in Gemeinschaft zu leben ist leichter
„Wer sich für ein Leben in einer Ordensgemeinschaft entscheidet, der möchte mit Jesus Christus leben. Das ist das Erste und Wichtigste“, sagt Schwester Theresia Winkelhöfer, die Provinzoberin der Armen Dienstmägde Jesu Christi. Wir treffen uns zum Gespräch im Mutterhaus der Schwestern in Dernbach. Die Ordensfrau ist wohltuend offen, humorvoll, authentisch.
Seinen Glauben in einer Gemeinschaft zu leben, sei leichter, als dies allein zu tun, ist sie überzeugt. „Wem Zweifel kommen, wer mal eine Durststrecke hat, der wird mitgezogen, der kann sich austauschen.“ Sie hört gerne zu, wenn die Schwestern aus ihrem Leben berichten, über ihre Berufung erzählen: „Das ist unglaublich spannend.“
Es sind diese Geschichten, die Gemeinschaft ausmachen, sagt die Provinzoberin. „Keine gleicht der anderen.“ Sie weiß von einer jungen nigerianischen Schwester, deren Mutter zwar Katechismusunterricht hatte, aber die traditionelle afrikanische Religion ihres Ehemanns übernahm. „Das war ein toller Vater, ein gerechter Mann“, ist Schwester Theresia überzeugt. Er legte seiner Tochter keine Steine in den Weg, als sie sich mit zehn Jahren taufen lassen wollte und schon sehr früh wusste, dass sie in ein Kloster gehen würde. „Sie kam zu uns“, freut sie sich.
„Wir tauschen uns natürlich nicht nur über Berufung, sondern auch über banale Dinge aus, über etwas, was gerade im Fernsehen lief oder in der Zeitung stand“, erläutert Schwester Theresia. „Doch wenn jemanden etwas auf der Seele brennt, gibt es immer eine Mitschwester, die einen Rat geben kann, bei der man auch mal ,was loslassen‘ kann.“ Daraus entstünden oft Freundschaften. „Gottseidank“, sagt Schwester Theresia, „sind die Zeiten vorbei, als das innerhalb der Gemeinschaft verboten war.“
Anders als noch vor 50 Jahren seien es heute in der Regel keine jungen Frauen, die ins Kloster eintreten. „Sie sind 45 oder 50, haben längst ihre Persönlichkeit entwickelt, bringen ihre je eigene Prägung mit. Das heißt, diejenigen, die kommen, und diejenigen, die da sind, müssen damit umgehen – oder es lernen.“ Wie gelingt das? „Mit einem hohen Maß an Wohlwollen, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit anderen gegenüber“, antwortet Schwester Theresia. „Nicht immer recht haben wollen. Nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Ein Gespür dafür entwickeln, welche Bedürfnisse die andere hat und was ich tun kann, damit es ihr gut geht. Mal fünfe gerade sein lassen“, nennt die Provinzoberin Beispiele. Sie räumt ein, dass dies nicht einfach ist: „Wir haben uns ja nicht gesucht, wir sind zusammengewürfelt, aber wir müssen sehen, wie wir damit zurechtkommen.“ Schmunzelnd verweist sie darauf, „dass sich Geschwister auch nicht immer verstehen“.
Konflikte – ja, auch die gehören zur Gemeinschaft. „Vor allem, wenn Dinge nicht beim Namen genannt, nicht aus- oder angesprochen werden.“ Ob dann ein Machtwort von ihr, der Oberin, helfe? Schwester Theresia antwortet lachend: „Nein, das bringt überhaupt nichts!“ Wohl aber ein „Zauberwort“, wie sie es nennt. Das gelte es je nach Situation zu finden. Damit mischt sie sich ein, wenn es Unstimmigkeiten gibt. Eines davon ist „Lob“. „Zum Beispiel, wenn eine jüngere Schwester einer älteren immer wieder Arbeiten abnimmt und diese das völlig falsch versteht und sich ,abgeschoben‘ fühlt.“ Schwester Theresia lobt die „gute Idee“, dass die Jüngere der Älteren helfen möchte, „doch nur, wenn die sie darum bittet“.
Konflikte mit „Zauberworten“ und Spiritualität lösen
„Katzen“ ist ein weiteres Zauberwort. „Wenn ich merke, eine Schwester nimmt an kaum einem Gespräch teil, spreche ich sie auf ihre Tierliebe an. Und schon fängt sie an zu reden.“ Eine andere Mitschwester blüht auf, wenn sie gebeten wird, einen Witz zu erzählen. „Das richtige ,Zauberwort‘ zu finden, ist gar nicht so schwer“, sagt Schwester Theresia.
Zuhören sei unabdingbar für eine funktionierende Gemeinschaft. „Und unsere Spiritualität“, unterstreicht die Oberin. Sie verweist auf „Ratschläge, wie wir miteinander leben sollen, die unsere Ordensgründerin Katharina uns in ihren Briefen gegeben hat“. Zum Beispiel: „Leben wir ernstlich für Gott, so leben wir glücklich, zufrieden mit Gott und mit unseren Mitmenschen und mit uns selbst, welches die größte Kunst ist.“ Schwester Theresia: „Wenn wir das hinkriegen, ist viel gewonnen.“
HINTERGRUND
Das Kloster der Armen Dienstmägde in Dernbach
Das Mutterhaus der Armen Dienstmägde Jesu Christi (ADJC), auch „Dernbacher Schwestern“ genannt, befindet sich in Dernbach (Westerwald). Hier und an drei weiteren Niederlassungen in der Westerwaldgemeinde leben knapp 120 Schwestern, deutschlandweit sind es rund 140. Weltweit sind etwa 550 Ordensfrauen tätig. Die Armen Dienstmägde Jesu Christi wurden auch zu Noteinsätzen in Krisengebieten gerufen, unter anderem in Vietnam, Nicaragua, Kambodscha, Rumänien und im Kosovo.
Gegründet wurde die Kongregation der ADJC am 15. August 1851, als die Ordensgründerin, die aus Dernbach stammende und 2018 in Rom heiliggesprochene Katharina Kasper, mit vier weiteren Frauen vor dem damaligen Limburger Bischof Peter Joseph Blum die klösterlichen Gelübde ablegte.
„Der Welt gefällt unser Name nicht“, stellte Katharina Kasper (1820 bis 1898) fest. „Das ist bis heute so“, ist auf der Homepage der Schwestern nachzulesen, „dass der Name der Gemeinschaft nicht gefällt beziehungsweise nicht verstanden wird und Kopfschütteln hervorruft“. Der Name „Arme Dienstmägde Jesu Chris-ti“ jedoch mache Katharina Kaspers Gottesbild deutlich. Ihr Leitbild ist Jesus, der Gottesknecht.
Etwa 15 Minuten vom Mutterhaus in Dernbach entfernt liegt der Heilborn, eine kleine, außerhalb des Dorfes gelegene Wallfahrtskapelle, die Katharina gerne besuchte. Die dortige Lindengruppe ist rund 400 Jahre alt und steht unter Naturschutz. Seit Jahrhunderten ist der Heilborn ein Muttergotteswallfahrtsort, an dem Gläubige ihre Sorgen und Nöte darbringen. Viele Danktafeln erinnern an erhörte Gebete. Die Kapelle wird von den Armen Dienstmägden Jesu Christi betreut.
Gläubige können heute ihre Anliegen aufschreiben und in einen Gebetskasten werfen. Sie werden von den Ordensfrauen einmal in der Woche in der Klosterkirche als Fürbitte laut im Gebet vorgetragen. (kai)
www.dernbacher.de
Von Heike Kaiser