Wie sich auch Ungeübte im Gottesdienst wohl fühlen können

Herrlich einladend

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Silke Bienert
Nachweis

Foto: kna/Christopher Beschnitt

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Silke Bienert engagiert sich in Schwabach für Gottesdienste, in denen sich auch Ungeübte willkommen fühlen.

Wie können sich alle in unseren Gottesdiensten wohler fühlen als bisher? Das fragte sich die Gemeinde St. Sebald im fränkischen Schwabach. Silke Bienert, die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, spricht über ein beispielhaftes Projekt.

Frau Bienert, Sie wollen in Ihrer Pfarrei Gottesdienste so gestalten, dass auch seltene Kirchgänger sich wohlfühlen. Wie erleben sie deren Unsicherheit?

Sie wissen nicht genau, wie sie sich verhalten sollen, was die Gemeinde sagt und singt und was da eigentlich am Altar passiert. Ich kenne das von mir selber: Ich bin zwar katholisch aufgewachsen, habe aber erst seit ein paar Jahren eine enge Bindung zum Glauben. Früher war ich ab und zu mal in der Messe – und hab mich nie in die erste Reihe gesetzt. Denn ich wollte immer jemanden vor mir haben, um zu sehen, wann man sitzt, kniet und aufsteht. Dieser Gedanke „Hilfe, ich könnte was falsch machen“ stresst und versteift natürlich. Ein Gottesdienst sollte aber Kraft geben.

Was tun Sie gegen Stress und Steifheit?

In der Pfarrei Sankt Sebald haben wir uns vorgenommen, Gottesdienste möglichst einladend zu gestalten. „Herrlich Sebald“ heißt das Projekt. Herrlich bedeutet laut Wörterbuch „nicht besser und schöner zu denken“. Genau das ist doch unser Glaube. Genau so soll doch Gottesdienst sein. Außerdem steckt noch der Herr in herrlich, und das Wort ist nur einen Buchstaben von herzlich weg. Das finde ich schön. Herrlich – das ist, wenn ich mich glücklich und zufrieden in den Strandkorb fallen lasse und mich einfach übers Dasein freue. Ich spüre die Weite und bin zugleich geborgen. Dieses Gefühl wollen wir in unseren Gottesdiensten vermitteln.

Aber wie?

Bei uns steht an jedem zweiten Sonntag zur Messe jemand an der Kirchentür und begrüßt die Menschen. Während des Gottesdienstes strahlen wir dann Ablauf-Infos, Gemeindeantworten und Liedtexte per Beamer an die Wand. Damit jeder weiß, was wann dran ist, und damit alle mitsingen, statt bleierne Mienen zu zeigen. Zudem gibt ein Gemeindemitglied immer kurze Erklärungen zu wesentlichen Aspekten wie der Gabenbereitung. Und nach dem Gottesdienst bauen wir Stehtische mit Getränken und Knabberzeug auf, um ins Gespräch zu kommen. Ach so: Wir haben ja auch noch das Zeugnisgeben eingeführt.

Zeugnisgeben?

Immer mal wieder berichtet ein Gemeindemitglied von seiner Gotteserfahrung.

Kann da nicht ein Unwohlsein bei Menschen ohne solches Erlebnis entstehen?

Ja, Zeugnis klingt so nach „Wow“ und Knalleffekten. Wir wollen aber niemanden mit Donnerschlag-Geschichten beeindrucken. Wir wollen zeigen: Jedem kann Gott im Alltag begegnen.

Wie zum Beispiel?

Zum Beispiel hat letztens eine Frau erzählt, wie sie sich mit ihrer Familie zum Essen treffen sollte, obwohl sie mit einem Verwandten zerstritten war. Dann hat sie gebetet. Und daraufhin spürte sie, wie sich in ihr ein Kloß gelöst hat. Sie konnte sich zu den anderen an den Tisch setzen und wieder mit ihnen reden. Gott ist eben eher kein Donnerschlag. Gott ist, was ich ihn machen lasse.

Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee der Willkommenskultur?

Ich war in einer Krise, als mir mein Vater eine katholische Gesprächsgruppe empfahl. Dort bin ich hingegangen – und habe zu meinem Erstaunen entdeckt, dass unter dem Titel „katholisch“ tatsächlich Sachen stattfinden, die mir helfen, mich sogar begeistern. Ich habe mich willkommen gefühlt. 

Und das hat Sie überrascht?

Bis dahin kannte ich von Gläubigen oft diese Schwere. Aber plötzlich war ich im Kirchenfieber. Später habe ich Kontakt zu meiner Pfarrei gesucht und dort tolle Menschen gefunden, seither engagiere ich mich da. Ich bin einfach so: Wenn mich was Positives gepackt hat, will ich meine Freude weitergeben.

Wie sind die Reaktionen auf Ihr Projekt?

Größtenteils positiv. Ja, es gibt Leute, denen ist schon die Begrüßung zu viel. Mancher mag halt keine Veränderung. Aber: Wir machen das jetzt seit einem Jahr und haben heute vielleicht ein Dutzend Gottesdienstbesucher mehr als früher. Außerdem strahlt unsere Herzlichkeit und Gottgewissheit hoffentlich anderswo weiter – über Menschen, die sie bei uns erlebt haben und nun forttragen. So könnten auch Menschen erreicht werden, die keinen Gottesdienst besuchen.

Warum wollen Sie das?

Ich habe mich schon aus mehreren Krisen herausgekämpft. Heute weiß ich: Dabei hatte ich Hilfe. Mir wurden immer wieder Menschen zur Seite gestellt, die mir nicht – schnipp – meine Probleme gelöst haben. Aber die mir Zuversicht vermittelt haben, gerade in der Gemeinschaft mit Gläubigen. Ich denke, das verdanke ich Jesus Christus, den es wirklich gibt. Ich spüre: Jesus sieht mich, Jesus liebt mich, wie ich bin – nicht für meine Arbeit. Diese Erkenntnis war sehr wichtig, als ich wegen eines Bandscheibenvorfalls monatelang flachlag. Ich möchte einfach, dass alle Menschen erleben können, wie es ist, gesehen und geliebt zu werden.

Christopher Beschnitt