Ein Seelsorger auf vier Pfoten

Ide bringt Glück ins Krankenhaus

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Ein Mann mit einem Hund
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

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Ide, der Labrador von Krankenhausseelsorger Sebastian von Melle, schenkt vielen Menschen im Lingener Bonifatius-Hosptial schöne Momente. Fotos: Petra Diek-Münchow

„Unser Seelsorger auf vier Pfoten“: So wird Ide im Lingener Bonifatius-Hospital oft genannt. Sebastian von Melle, katholischer Krankenhausseelsorger, nimmt seinen Hund gern mit, wenn er in der Klinik unterwegs ist – und der Labrador ist ein gerngesehener Gast bei den Patienten und beim Personal.

Noch liegt Ide tiefenentspannt in seinem Körbchen neben dem Schreibtisch. Nur kurz hebt der dunkelbraune Labrador Retriever interessiert den Kopf, als der Besuch vom Kirchenboten ins Büro kommt. Aber als Sebastian von Melle eine kleine Weste vom Tisch holt, setzt sich der Hund hin und wedelt erwartungsvoll mit dem Schwanz. „Er weiß, dass es jetzt losgeht“, sagt der katholische Krankenhausseelsorger. Mit einem Lächeln streift er dem Rüden das verlängerte Halsband über. Oben darauf steht der Schriftzug „Seelsorger“. Dann machen sich beide auf den Weg durch das Bonifatius-Hospital in Lingen. Und egal ob in der Eingangshalle, im Aufzug oder auf der Treppe: Fast immer lächeln Gäste, Personal und Patienten, wenn sie Ide sehen, und mancher möchte den Hund am liebsten sofort über den Rücken streichen.


Seit 2011 gehört von Melle zum Team der Krankenhausseelsorge im Lingener Bonifatius-Hospital, mittlerweile als Dienstältester. Und als Jüngster zählt jetzt Ide auf seine eigene Art seit kurzem ebenfalls dazu. Das ist auch für Sebastian von Melle eine ganz neue Erfahrung. Der gebürtige Hamburger, gerade 58 Jahre alt geworden, hat nach dem Theologiestudium unter anderem im Kloster Nütschau, als Landesjugendreferent in Kiel, als Tourismusseelsorger auf Sylt, als historischer Gutachter im Seligsprechungsprozess für die Lübecker Märtyrer und als Liturgiereferent im Bistum Essen gearbeitet. „Das waren alles tolle Aufgaben“, sagt er, aber in Lingen Krankenhausseelsorger zu sein: Da fühlt er sich genau am richtigen Ort. „Ich will hier gar nicht mehr weg, hier findet Kirche einfach sehr deutlich statt. Wir sind immer hochwillkommen.“ Wie seine Kolleginnen und Kollegen kann er Menschen in Grenzsituationen ihres Lebens begleiten, ihnen Zeit schenken und zuhören, trösten und ermutigen, einfach da sein und mit aushalten. Immer steht die Tür unten in der Eingangshalle, „ein richtig privilegierter Ort“, einladend offen. Und wenn er durch die Klinik läuft, grüßt er jede und jeden – will schon durch die Haltung den Eindruck vermitteln: „Sie dürfen mich gern ansprechen.“

Drei Menschen mit einem Hund im Krankenhaus
 Labrador Ide von Krankenhausseelsorger Sebastian von Melle (l.)wird im Lingener Bonifatius-Hospital freudig begrüßt – auch von Judith Buse, Assistenzärztin der Gastroenterologie und Diabetologie sowie Stationsleiter Heinz-Dieter Knus.


„Der Hund tut den Menschen gut“

Mit Ide an seiner Seite fällt das manchem noch leichter. Seit sechs Jahren lebt der Labrador im Hause von Melle. Ehefrau und Tochter hatten sich einen Hund gewünscht, Sebastian von Melle war zunächst etwas skeptisch gewesen. „Aber jetzt ist er irgendwie mein Hund geworden“, sagt der Krankenhausseelsorger mit einem Schmunzeln. Dreimal am Tag geht er raus mit ihm zu langen Runden am Kanal entlang oder durch den Wald. Was er besonders an Ide schätzt? „Seine absolute Unverfälschtheit, der ist echt und immer im Moment. Er nimmt mich, so wie ich bin.“ Und Ide stellt sich auf die Menschen ein, die ihm begegnen. Ist mal ganz ruhig und gelassen, dann wieder lebendig und verspielt. „Mit ihm kann man ganz viel Spaß haben. Er tut den Menschen gut.“


Genauso empfindet es offenbar auch das Team in der Lingener Klinik. Auf dem Weg zur Palliativstation trifft Sebastian von Melle mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und immer sorgt Ide für ein entspanntes Lächeln im Gesicht bei allen, die ihn sehen. Judith Buse, Assistenzärztin der Gastroenterologie und Diabetologie, sagt freudig „Hallo“ und streichelt den Labrador erst mal eine Runde. Auch Stationsleiter Heinz-Dieter Knus nimmt sich ein paar Minuten Zeit, um ihm ausgiebig das Fell zu kraulen. „Am liebsten würde ich dich mitnehmen“, sagt er.


„Bei Ide muss man nichts erklären“

Funktionsoberärztin Adelheid Huhmann, Leiterin der Palliativstation, kann das gut verstehen. Sie sieht den Hund als großen Gewinn für das Krankenhaus an und ist richtig dankbar dafür, weil er ihrer Ansicht nach „noch mal etwas ganz anderes auf die Station bringt, was wir nicht transportieren können“. Sowohl für Erkrankte als auch das Personal findet sie das wichtig. Sie lobt seine ruhige, gutmütige und freundliche Art. „Bei Ide muss man nichts erklären. Er hört einfach zu, er stellt keine Ansprüche. Da kann man auch seine Ängste zulassen, weinen, reden oder nicht reden – er versteht das“, sagt Huhmann und hockt sich ebenfalls kurz vor den Rüden hin. Ihrer Ansicht nach spendet er mancher Patientin und manchem Patienten Trost und Zuversicht. „Das geht mitten ins Herz. Ide bringt Glück auf die Station, der ist einfach super.“


Um diese Wirkung weiß natürlich auch Sebastian von Melle. Von pastoralen Berufskollegen in anderen Bistümern hatte er gehört, dass sie ihre Hunde ebenfalls in die Arbeit einbinden. Nicht zuletzt deshalb hatte er im vergangenen Jahr mit seinem Labrador eine Ausbildung als Therapiehundteam im Raum Köln/Bonn mitgemacht. In sechs Monaten lernten beide in Präsenzseminaren und Online-Einheiten viel darüber, worauf es bei dem Einsatz ankommt wie in puncto Sozialverhalten und Körpersprache. Ausdrücklich begrüßt und finanziell unterstützt wurde diese Qualifikation von der Geschäftsführung und dem Förderverein des Krankenhauses. Selbst in der hauseigenen Zeitschrift und einem kurzen Filmbeitrag wurde Ide als „neuer Mitarbeiter“ vorgestellt.


Vor dem ersten Gang durch das Hospital gab es einiges vorzubereiten. Sorgsam wurde ein Hygienekonzept ausgearbeitet, damit der Hund weder Menschen noch sich selbst gefährdet. „Der Infektionsschutz muss gewährleistet sein“, sagt der Pastoralreferent. Deshalb hat Ide nicht überall Zutritt, in Speiseräume oder Risikobereiche wie die Intensivstation darf er nicht. Zudem wird er regelmäßig durchgecheckt. 


Wie, wann und wo genau Sebastian von Melle den Labrador einsetzt, das muss sich nach seinen Worten mit der Zeit zeigen. „Ich gehe nicht einfach mit ihm unangemeldet auf ein Zimmer, ich will die Leute nicht überfallen“, sagt er. Vieles wird sich nach seiner bisherigen Erfahrung ergeben – durch einen zufälligen Kontakt auf dem Flur, durch ein kurzes Gespräch in seinem Büro oder durch die Bitte einer Krankenschwester, mit Ide einmal auf die Station zu kommen, weil es einer Patientin nicht gutgeht. 

Besuche auf der Kinderstation

Vorstellen kann er sich auch Besuche zum Beispiel auf der Kinderstation, bei älteren Menschen auf der Geriatrie oder im „Demenz-Wohnzimmer“. „Vieles wird sich noch finden“, sagt von Melle. Und dann zitierte einen Spruch der deutschen Äbtissin und Gelehrten Hildegard von Bingen: „Gib einem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund“. Der könnte künftig sogar auf einem Foto von Ide stehen. Und das wirkt dann fast ein wenig wie eine Autogrammkarte.

Petra Diek-Münchow