Pro und Contra zur Fastnacht

Ist Humor grenzenlos?

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Spott und Hohn auch für die Söhne von Mutter Kirche: Die Motivwagen bei den Rosenmontagszügen nehmen schonmal einen Kardinal aufs Korn. Und auf der Narrenbühne wird in den Reden so mancher Hochwohlgeborene verlacht. Wie weit darf Humor gehen? Hans-Joachim Stoehr plädiert für Klartext und Freiraum, Evelyn Schwab mag es lieber, miteinander statt übereinander zu lachen.



Ein Motivwagen von Jacques Tilly zeigt 2021 beim Karneval in Düsseldorf die Figur eines Bischofs.



PRO

Garden prägen seit Jahrzehnten mit ihren traditionellen Uniformen das närrische Treiben. Und das nicht nur in den Hochburgen der Fastnacht und des Karnevals entlang des Rheins. Mit welchem Stolz und zuweilen auch Ernst diese Uniformen getragen werden, würde indes manchen Narren der ersten Stunde sicher zum Lachen bringen.
Mit erster Stunde ist die Straßenfastnacht gemeint, wie sie sich im 19. Jahrhundert ausgebildet hat. Denn mit ihrem närrischen Aufzug nahmen die Fastnachter und Karnevalisten im Rheinland die ungeliebten Preußen und ihren typischen militärischen Drill aufs Korn.
Die Angehörigen der Streitkräfte, aber auch mancher Verfechter von Disziplin sowie Recht und Ordnung, fand dieses Verballhornen des Militärs mit Sicherheit nicht lustig. Eher das Gegenteil war der Fall.
Für sie war das eine klare Grenzüberschreitung, neudeutsch ein No-Go. Aber die Narren machen bei ihrem Treiben eben nicht Halt bei dem, „was sich schickt“. Und das ist gut so.
Narren sind dazu da, Dinge beim Namen zu nennen. Das Privileg des Narren bei Hof war, den Mächtigen unangenehme Wahrheiten sagen zu dürfen, ohne gleich einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Damit konnte der Narr den Herrschern nicht nur in die Suppe spucken, sondern ihnen auch ins Gewissen reden.
Müsste ich einen Patron für Narren nennen, dann würde mir der heiligen Philipp Neri einfallen. Der trieb im 16. Jahrhundert in Rom seinen Schabernack besonders gern mit den Mächtigen. Und das waren der Papst und die Kardinäle. Die waren bestimmt alles andere als „amused“ über Philipp Neris Treiben. Ihr Fehler: Sie haben das Ganze zu ernst genommen.
Aber es gehört nun einmal zu den Kennzeichen von Humor, dass er nicht so ganz ernst genommen werden will.
Wer Humor zu ernst nimmt, hat den Sinn der Übung nicht verstanden. Das gilt auch für die Narrenschar selbst.


Hans-Joachim Stoehr, Redakteur

 

CONTRA

Es heißt, der Spott habe die gleiche Wortwurzel wie das Spucken. Lustig bleibt ein dehnbarer Begriff. Und ist ein Scherz nur gut, wenn er niemandem wehtut?
Blättert man heute durch alte Witzsammlungen der 1960-er oder 70-er Jahre, findet sich darin viel Respektloses. Von Ostfriesen über Blondinen zu Schwulen – vielen ist inzwischen das Lachen über solch ausgrenzenden Spott vergangen. Unser Humor ist bewusster geworden, hat sich zu einer anderen Ebene hin entwickelt. Diskriminierung, Sexismus, Rassismus und Antisemitismus im Witz, das darf nicht sein.
Sicher, Tabubrüche sind die Grundhaltung von Humor. Comedy kommt immer irgendwie frech daher. Aber es ist schöner, wenn das nicht auf Kosten anderer geht. Wenn das Material für die Lacher nicht aus dem Umfeld von Vorurteil oder Hass stammt. Wenn die Pointe zivilisiert ausfällt und nicht ungerecht, herabwürdigend oder rücksichtslos. Auch Humor soll niemandem den Respekt verweigern.
Gerade im Karneval, der Fassenacht, dem Fasching muss die Gratwanderung zwischen Narrenfreiheit und Persönlichkeitsrecht sensibel ausgelotet werden. Guter Spaß entgrenzt und entwaffnet, er korrigiert Machtanmaßung. Aber er tastet nicht die Menschenwürde an.
Wir sollten weniger übereinander lachen und mehr miteinander. Denn Humor hilft dabei, das Leben gemeinsam zu bewältigen. Eine heitere Sichtweise auf alle Dinge unterstützt ganz sicher beim Umgang mit Schwierigkeiten. Zusammen über Situationen aller Art zu schmunzeln, das mag oft die Lage nicht ändern, aber es schweißt zusammen. Alles Ärgerliche, Angstmachende oder Unheimliche lässt sich mit einem herzhaften Lacher kleinhalten: Humor als positive Kraft.
Gags, über die wir so unterschiedlichen und einzigartigen Menschen uns alle gleichermaßen freuen können – davon bitte viel mehr!


Evelyn Schwab, Redakteurin