Jazz auf der Kirchenorgel?
Als Musikerin ist die Organistin Barbara Dennerlein eine Spitzenmusikerin an der elektischen Hammondorgel. Was auf einer Kirchenorgel alles möglich ist, erläutert sie im Interview zu ihrem Konzert am 6. Mai in St. Heinrich in Kiel.
Sie sind eine international bekannte Organistin. Aber man kennt sie erst einmal als Jazzmusikerin. Und ihr Instrument ist eigentlich nicht die Orgel, die in Kirchen steht, sondern die Hammondorgel. Was für ein Instrument ist das?
Das Besondere an der Hammondorgel ist die Tonerzeugung. Es ist kein elektronisches Instrument wie ein Synthesizer. Es funktioniert elektromagnetisch. Der Ton wird über Zahnräder aus Metall erzeugt, die sich in einem elektromagnetischen Feld drehen. Dadurch bekommt die Hammondorgel ihren legendären, warmen und berührenden Klang, der unverwechselbar ist. Jede Orgel wird in Handarbeit hergestellt und klingt anders. Es ist etwas Lebendiges – ebenso wie die Pfeifenorgel, wo ja jeder Ton auf die Akustik des Raumes eingestellt wird. Es gibt heute auch digitale Orgeln, die den Klang einer Hammondorgel oder anderer Orgeln oft verblüffend imitieren. Aber das ist nicht dasselbe. Diese Imitate haben nie die gleiche Lebendigkeit. Wenn Sie das länger hören – oder gar spielen – dann wird es langweilig.
Langweilig kann Orgelspielen doch kaum sein. Sie haben dabei ja einiges zu tun!
Ja, das Besondere am Orgelspiel ist generell, dass man mit Händen und Füßen spielt. Der Einsatz mit den Füßen, das wird leider oft vernachlässigt – allerdings nicht bei den Kirchenorganisten. Die müssen das können.
Und Sie können das in verblüffender Weise. Sie spielen ja die komplette Basslinie eines Jazz-Bassisten quasi zusätzlich, nur eben nicht auf dem Kontrabass, sondern auf dem Orgelpedal. Und das scheinbar mühelos.
Ja, das sieht mühelos aus, aber dahinter steckt schon viel Mühe (lacht). Denn man muss sehr viel üben, damit man die nötige Unabhängigkeit hat. Man muss ja mit den vier Gliedmaßen unabhängig sein. Auf der Hammondorgel spiele ich die Pedale meist nur mit dem linken Fuß, der rechte Fuß regelt die Dynamik mit dem Fußschweller. Nur wenn ich ein Bass-Solo spiele, mache ich es mit beiden Füßen. Da muss man schon fit bleiben – geistig und körperlich.
Sie werden als Jazz-Musikerin eingeordnet. Stimmt das noch?
Jazz? Ja, aber das ist ja auch ein weiter Begriff. Meine Musik war im Grunde immer schon breit gefächert. Mit Swing und seinen Standards habe ich angefangen, habe auch sehr früh komponiert. Dann kam der Bebop. Blues natürlich, das war immer schon meine Neigung. Später habe ich mit Latin und Funk angefangen, klassische Elemente kamen dazu. Ich ordne immer ungern in Schubladen ein. Wichtig ist mir, dass die Musik eine gewisse Harmonie hat. Und vor allem wichtig ist: Es muss die Leute berühren. Das kann durch Rhythmus geschehen, oder durch die Harmonie… Das Schöne an der Kirchenorgel ist, dass man eine große Klangpalette hat, die auch auf jedem Instrument anders ist. Man muss sich immer wieder auf ein neues Instrument einstellen.
Wie sind Sie darauf gekommen, auf Kirchenorgeln zu spielen?
Das ging mit den Bachtagen in Würzburg 1995 los. Damals hat mich der künstlerische Leiter gefragt, ob ich nicht Lust habe, auf der Orgel im Konzertsaal Jazz zu spielen. Ich habe spontan „Ja“ gesagt. Aber ich habe das vorher gut vorbereiten müssen. Denn die Pfeifenorgel ist eben ein ganz anderes Instrument. Aber es hat funktioniert. Der Abend war ein toller Erfolg. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, und ich bin dann immer mehr in diese Sache eingetaucht. Die Klangwelt und die Möglichkeiten, die die Orgel hat, sind faszinierend. Man hat ja quasi ein ganzes Orches-
ter zur Verfügung. Mittlerweile spiele ich die Hälfte meiner Konzerte auf Kirchenorgeln – oder auf beiden.
Aber hat eine Kirchenorgel nicht auch Eigenschaften, die sie für Jazz und Pop ungeeignet machen? Sie ist groß, aber auch etwas schwerfällig, spricht nicht so an wie ein Klavier.
Ja. Je nach Bauart der Orgel kommt der Ton, wenn ich die Taste drücke, etwas später. Und dann auch noch bei tiefen Tönen noch später als bei hohen. Und das ist für eine Musik wie dem Jazz eine Herausforderung. Denn da muss alles auf den Punkt kommen, damit es swingt und groovt.
In den hohen leeren Räumen kommt dann noch der Hall dazu…
In Konzertsälen geht es. Aber ich habe im Ulmer Münster oder im Passauer Dom gespielt, da ist der Hall schon sehr groß. Alles geht da nicht. Ich komponiere jetzt auch seit langem speziell für die Pfeifenorgel. Trotzdem kann ich nie mein ganzes Repertoire spielen. Ich muss auch immer vorher kommen und mich mit dem Instrument vertraut machen. Schauen: Wie ist die Akustik? Was hat die Orgel für Möglichkeiten? Und danach richtet sich das Programm.
Können Sie aber schon jetzt verraten, was die Hörer in St. Heinrich in Kiel erwartet?
Ich muss mal schaun, wie’s halt klingt. Es wird auf jeden Fall Blues dabei sein, auch Latin und etwas, das sich zwischen den Genren bewegt. Ich habe Kompositionen, die einen klassischen Ansatz haben. Dann gibt es wieder einen Improvisationsteil, mit rhythmisch anderer Variante. Das ist schwer zu beschreiben. Ich versuch’s halt spannend zu machen und so, dass für jeden etwas dabei ist. Ich selbst mag eben auch viele Dinge.
Sie spielen in St. Heinrich ja nicht nur auf einer Kirchenorgel, sondern auch in einer Kirche. Spielt sakrale Musik oder überhaupt das Sakrale eine Rolle?
Der Raum ist ja schon sakral. Ich spiele gern in Kirchen, denn die Kirche ist ein besonderer Ort. Für alle Menschen. Es ist ein Raum, wo man in sich gehen kann. Man erlebt dort eine eigene Ruhe, vielleicht auch das Gefühl der Ehrfurcht. Es ist etwas Spirituelles, überhaupt in der Kirche zu sein. Das gilt auch für die Musik. Man kann anders in die Musik eintauchen als anderswo. Ich versuche, dem entgegen zu kommen und Verschiedenes zu kombinieren. So dass die Leute einerseits weg vom Alltag sind, sich von der Musik tragen lassen, und trotzdem nicht zu ehrfürchtig sind. Sie sollen auch locker sein, Spaß haben, sich wohl fühlen.
Kriegen Sie das „Wohlfühlen“ mit, so von weit oben aus?
Doch, ich hab’ immer gern Kontakt zum Publikum. Da kommen dann unterschiedliche Kommentare. Es gibt Leute, die sagen: „Mein Gott, schön! Sie haben mich von meinem Alltag und meinen Sorgen weggebracht.“ Oder jemand sagt: „Ich hatte jetzt mal keine Schmerzen.“ Das ist ja auch ein Verdienst von Musik. Sie kann heilsam wirken – vielleicht nicht gleich Krankheiten heilen, aber einen Zustand verbessern und auf eine andere Ebene bringen. Wir Menschen bestehen ja selbst aus Schwingungen. Die Musik stößt etwas an in uns. Und das ist etwas ganz Tolles.
Interview: Andreas Hüser
Das Konzert mit Barbara Dennerlein beginnt am 6. Mai um 19.30 Uhr in St. Heinrich, Feldstraße 172, in Kiel.
Karten zu 26 Euro zzgl. Vorverkaufsgebühr im Vorverkauf unter www.eventim-light.com. Restkarten an der Abendkasse.
Mehr Infos www.kimu-kiel.de, der Internetseite des Fördervereins Kirchenmusik Franz von Assisi.