Prävention vor sexuellem Missbrauch

„Kirche verändert sich. Kirche lernt.“

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Papierfiguren bilden einen Kreis, darum liegen schützende Hände
Nachweis

Foto: imago/Pond5 Images

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Ein guter, bergender Raum will und soll Kirche für Menschen sein. Auch wenn das Vertrauen durch Missbrauchsfälle vielerorts verspielt wurde, bringen Bistümer und Gemeinden durch konsequente Prävention und Offenheit Stück für Stück eine positive Veränderung.

Menschen aufklären und schützen: Prävention vor sexuellem Missbrauch ist in vielen katholischen Pfarreien zu einem festen Arbeitsbereich geworden. Die Pfarrei Heilig Kreuz Rheingau leistet Pionierarbeit.

„Oft habe ich den Eindruck, man hört nur: Kirche und Missbrauch – und dass Menschen deshalb aus der Kirche austreten“, sagt Pfarrer Marcus Fischer aus der Pfarrei Heilig Kreuz Rheingau. „Dadurch entsteht der Eindruck, dass die katholische Kirche noch gar nichts gegen das Problem unternommen hat.“ Aber das sei falsch: „Kirche hat Verbrechen begangen. Kirche verändert sich. Kirche lernt“, sagt Fischer. Dieser unbedingte Wille, aufzuklären und vorzubeugen, treibt ihn und sein Team an.

Missbrauch geht uns alle an

Die Pfarrei Heilig Kreuz Rheingau besteht seit zehn Jahren, und fast genauso lang gibt es bereits ihren Informationsflyer zum Thema Prävention. Fischer und sein Kollege Pfarrer Michael Pauly sind das Thema sofort angegangen, als sie die Pfarrei kurz nach ihrer Gründung übernahmen. „Aus dem Erschrecken über die Zahlen der Betroffenen soll ein neues Bewusstsein entstehen. Missbrauch und der Schutz davor geht uns alle an“, heißt es in dem Faltblatt. „Mit dem Flyer wollen wir unsere Gemeinde in aller Kürze und in Worten, die man versteht, informieren.“ Wie jede Pfarrei im Bistum hat auch Heilig Kreuz Rheingau besonders geschulte Präventionsbeauftragte, es sind Pfarrer Konrad Perabo und Gemeindereferentin Julia Sperber-Hartmann. Zusätzlich zum Informationsblatt für die Erwachsenen hat das Team in Anlehnung an ein Muster der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexueller Gewalt im Bistum Limburg (UKO) einen Flyer für Kinder entwickelt. „Wir nehmen dich ernst und hören dir zu“ ist der Titel.

Kinder können anonym darauf schreiben, wenn sie etwas auf dem Herzen haben. „Fühlst du dich unwohl oder unsicher?“ Und: „Hat dir jemand etwas getan?“, lauten Fragen darauf, die den Kindern Hilfestellungen geben wollen. 530 Kinder besuchen die fünf katholischen Kitas auf dem Pfarrgebiet, alle Erzieherinnen und Erzieher sind im Bereich Prävention speziell geschult.

Im vergangenen Jahr hat Marcus Fischer in der Kirche in Johannisberg, die zur Pfarrei gehört, die Ausstellung „Betroffene zeigen Gesicht“ gezeigt. Es handelt sich um eine dokumentarische Foto-Ausstellung, die zum ersten Mal beim Katholikentag 2022 in Stuttgart und seither auch in vielen Pfarreien anderer Diözesen gezeigt wurde. Darin kommen Menschen, die in ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt innerhalb der Kirche erleben mussten, zu Wort.

Betroffene anhören

„Die Eröffnung der Ausstellung bei uns haben wir damals ganz bewusst auf den Kirchweihgottesdienst gelegt“, sagt Pfarrer Fischer. „Das war mir wichtig, weil Missbrauch eben in Kirche passiert ist. Wenn wir ein Kirchweihfest feiern, müssen wir auch diese Seite betrachten.“ Die Predigt teilte er sich damals mit einer jungen Frau, die in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch erlitten hatte und davon sprach. Im April dieses Jahres lud die Pfarrei gemeinsam mit der UKO und der Fachstelle gegen Gewalt als erste Gemeinde bistumsweit zu einer Aufarbeitungsveranstaltung ein. Betroffene kamen zu Wort, Täterstrategien und Maßnahmen zum Schutz von Kindern wurden erläutert.

Elisabeth Friedgen