Kampagne zur Bundestagswahl
Lasst uns was aus Deutschland machen!

Grafik: www.fuer-alle.info
Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt: Werte, die gerade in schwierigen Zeiten Halt geben können.
Daniela Pscheida-Überreiter hat eine Idee. Vielleicht, sagt die Leiterin des Katholischen Büros Sachsen, würde dem Bundestagswahlkampf ein Perspektivwechsel guttun. Vielleicht wäre es sinnvoll, mal nicht zu fragen: Was unterscheidet mich vom anderen? Sondern: Was eint uns? Auf welchen Nenner können wir uns verständigen? „Ich gebe zu, das ist eine Kunst“, sagt Pscheida-Überreiter. „Aber es lohnt sich.“ Denn es würde den Menschen zeigen: Da haben demokratische Parteien zwar ein eigenes Profil, doch sie stehen auch für gemeinsame Werte.
Solche verbindenden Werte wollen die katholische und evangelische Kirche vor der Bundestagswahl starkmachen – mit ihrer Initiative „Für alle. Mit Herz und Verstand“. Auf der Internetseite www.fuer-alle.info bieten sie Postkarten, Flyer und Banner mit diesem Motto. Gemeinden, Schulen und Verbände können sich dort Banner bestellen, sie an ihren Kirchturm, in ihren Schaukasten, an ihren Zaun hängen, verteilen und verschicken. Sie können auch Diskussionen unter dem Dach der Initiative veranstalten – und dabei spüren: Wir sind Teil einer großen Idee.
„Wir können immer ein Gebet sprechen“
Entstanden ist die Initiative 2024 in Sachsen, vor der Europa-, Kommunal- und Landtagswahl. Pscheida-Überreiter berichtet, das Angebot sei gut angekommen. Nun fragte die Evangelische Kirche von Westfalen, ob sie das Material für den Bundestagswahlkampf nutzen dürfe. Die Initiatoren aus Sachsen hörten sich bundesweit um, ob es noch mehr Interessenten gebe – und stießen auf Zustimmung. Mittlerweile sind von den katholischen Bistümern neben Dresden-Meißen und Görlitz auch Würzburg, Osnabrück, Hildesheim und Trier dabei, dazu etliche evangelische und katholische Verbände, Stiftungen und Akademien. Weitere Unterstützer, sagt Pscheida-Überreiter, seien willkommen.
Drei Werte sind für die Initiatoren entscheidend: Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt. Pscheida-Überreiter sieht die Begriffe als Einladungen, miteinander zu diskutieren: Was heißen sie denn konkret? Wie könnte sich beispielsweise Nächstenliebe im Wahlkampf zeigen? Bei der Sprache, glaubt Pscheida-Überreiter: „Natürlich gibt es Wahlkampfrhetorik. Natürlich muss man auch mal provozieren, um sein Profil zu schärfen. Was aber nicht geht, ist, andere verächtlich zu machen.“
Und was könnten Christinnen und Christen für Zusammenhalt tun? Sie könnten helfen, dass wir beieinanderbleiben. Etwa, indem sie Menschen mit anderen Meinungen nicht als Feinde betrachten. Und indem sie Räume für konstruktive Debatten bieten. Pscheida-Überreiter weiß, dass das manchmal schwierig ist und dass Streitgespräche scheitern können. Sie sagt: „Wenn kein Diskurs mehr möglich ist, können wir immer noch gemeinsam ein Gebet sprechen oder einfach eine stille Meditation halten. Das wird die inhaltlichen Fragen nicht lösen, aber es kann wieder eine gemeinsame Basis schaffen.“ Und sie betont: „Wir sollten unser spirituelles Potenzial nicht unterschätzen.“
Die Leiterin des Katholischen Büros findet es wichtig, dass Kirchen und Gläubige politisch mitreden. Zwar sei es nicht ihre Aufgabe, Tagespolitik zu machen: „Aber unser Glaube sagt ganz klar: Wir müssen diese Welt zum Besseren zu verändern, jeden Tag. Das ist eine total politische Ansage.“ Dass Gläubige sich einbringen, ist umso wichtiger, weil viele Menschen verunsichert sind durch die rasante Veränderung der Welt: Russland führt Krieg in Europa, die Erderhitzung befeuert Extremwetterkatastrophen, die Autoindustrie schwächelt, die Gesellschaft altert, Migration bringt Probleme mit sich. Und jetzt beginnt auch noch die Herrschaft des US-Präsidenten Donald Trump.
Pscheida-Überreiter sagt: „In Zeiten von Verunsicherung hören manche Menschen gerne Antworten von Populisten, die einfach klingen. Die Populisten ignorieren die Komplexität der Welt und gaukeln den Menschen vor: Es wird alles gut, wenn man nur einen Schuldigen findet.“ In Deutschland steht die in weiten Teilen rechtsextreme AfD in den Umfragen zur Bundestagswahl auf Platz zwei. Es gelinge der AfD leider gut, an die Verunsicherung anzudocken, sagt Pscheida-Überreiter: „Sie missbraucht die Ängste der Menschen. Es ist klar, dass sich mit ihrer Politik nichts zum Besseren verändern würde. Aber ihre Versprechen verfangen.“
„Wir sollten über Lösungen nachdenken“
Natürlich, sagt Pscheida-Überreiter, müsse die nächste Regierung die großen Fragen mutig angehen und Lösungen präsentieren: „Aber die Probleme sind so komplex und dynamisch und abhängig von weltweiten Entwicklungen, dass wir auf keinen Fall binnen Jahresfrist perfekte Lösungen erwarten dürfen. Wir wissen nicht, wie Putin seinen Krieg eskaliert, was Trump macht, wie sich die politische Situation in Polen, Österreich und Frankreich entwickelt – all das hat aber unmittelbaren Einfluss auf Deutschland.“ Sie wünscht sich, „dass die Menschen eine realistischere Erwartungshaltung an die Politik haben“.
Deutschland hat, so findet die Leiterin des Katholischen Büros Sachsen, nach wie vor unheimlich viel Potenzial. Sie sagt: „Wir sollten überlegen, was wir aus diesem Potenzial machen können – und nicht mit angstaufgerissenen Augen behaupten, hier geht alles den Bach runter. Es wäre wichtig, mehr auf das zu gucken, was gut läuft – nicht nur auf das, was schlecht läuft. Wir sollten mehr über Lösungen nachdenken als über Probleme.“
Weitere Informationen: www.fuer-alle.info

Daniela Pscheida-Überreiter ist seit Oktober 2023Leiterin des Katholischen Büros Sachsen. Sie pflegt die Kontakte der katholischen Kirche zu Politik, Wirtschaft, Behörden und Verbänden.