Film und Ausstellung über Leon Weintraub

Neustart mit einem Zeitzeugen

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Dreimal war der heute 97-jährige Holocaust-Überlebende Leon Weintraub als Zeitzeuge zu Gast im Fuldaer Bonifatiushaus. Was aber, wenn die Zeitzeugen des Holocaust nicht mehr leben? Gunter Geiger, Direktor der Katholischen Akademie, hat einen Weg gefunden – mit der Filmemacherin Sonja Toepfer. Von Hans-Joachim Stoehr



Der Zeitzeuge Leon Weintraub


Das Ergebnis der Überlegungen sind ein Film mit Leon Weintraub sowie eine Wanderausstellung zu dessen Leben und Überleben in der Zeit des Nationalsozialismus. Gezeigt wird sie jetzt zunächst im Fuldaer Bonifatiushaus. Film und Ausstellung wurden kurz vor der Corona-Pandemie 2020 fertiggestellt. Die Eröffnung fand noch statt, dann musste die Ausstellung beendet werden. Das Projekt der Akademie wurde vom Kultusministerium gefördert. Nun also der Neustart.

Der Film zeigt das Leben in sechs Kapiteln

Der Film mit 54 Minuten Länge wurde im Sommer 2019 im Konzentrationslager Auschwitz und weiteren Orten in Polen gedreht. So ist auch Lodz, der Geburtsort von Weintraub, zu sehen und das ehemalige Lager Radegast. Damit sie sich komplett auf die Filmaufnahmen konzentrieren konnte, suchte Sonja Toepfer einen Gesprächspartner für Leon Weintraub. Den fand sie in Wolfgang Rosenkötter. Der 1945 geborene Sozialwissenschaftler hat in seiner Jugend in einem Heim selbst Leid erfahren. „Die beiden fanden sehr schnell einen Draht zueinander, was natürlich Auswirkungen auf die Dreharbeiten hatte“, ist Toepfer dankbar.
Die sechs Kapitel zum Leben Weintraubs, die im Film gezeigt werden, bilden auch die sechs Stationen der Ausstellung. Hinzu kommt eine siebte Station „Endlösung“. Für die jeweiligen Stationen hat Toepfer an einer Metallstele symbolische Gegenstände (Artefakte) angebracht. Dazu hören die Ausstellungsbesucher über kleine Lautsprecher an der Stele die Stimme Leon Weintraubs, der die jeweilige Station erläutert.
Ein alter Zinkeimer an einer Stele ist Symbol für die Transporte. Denn, so berichtet der Zeitzeuge: In den Transportwaggons waren dies die einzigen Behälter, in denen die Zusammengepferchten ihre Notdurft verrichten konnten.

Sieben Stationen vom Leiden in Auschwitz

Im Film ist Weintraub an einem dieser Transporter zu sehen. „Als  wir dort hinkamen, war gerade eine Gruppe von jungen Leuten aus Israel dort. Sie gingen in den Waggon und beteten. Leon ging danach in den Waggon und verharrte lange dort – schweigend“, erinnert sich Toepfer. Die Stationen Vier bis Sieben sind im Vernichtungslager angesiedelt. Ein Paar Holz-Pantoffeln stehen für die Selektion, wie sie bei der Ankunft im Lager durchgeführt wurde. Die Schuhe sind mit einem Zimmermannsnagel an der Stele befestigt – „wie bei der Kreuzigung“, sagt Toepfer. Leon Weintraub konnte 1944 aus Auschwitz entkommen. Als Elektriker war er auch für das Anbringen und die Wartung von Isolatoren zuständig. Als er einmal an einem Isolator zu tun hatte, sah er eine Gruppe von Lagerinsassen, die verlegt wurden. Weil sie nackt waren, entkleidete er sich und mischte sich unter sie. So kam er in ein anderes Lager – und überlebte. Die siebte Station steht für die alltägliche Gegenwart des Todes in Auschwitz. Symbol dafür ist ein alter Duschkopf. Solche Duschköpfe dienten als Täuschung in den Gaskammern des Vernichtungslagers.
Leon Weintraub lebt heute in Stockholm. Er wurde Frauenarzt. Und er sagt: „Die Geburt eines Menschen ist etwas Wunderbares. Bei der Geburt sind alle Menschen gleich, egal, wo sie zur Welt kommen.“

 

ZUR SACHEN

Ausstellung und Film
Die Ausstellung zu Leon Weintraub ist bis 3. März von 9 Uhr bis 18 Uhr im Bonifatiushaus Fulda (Neuenberger Straße 3-5) zu besichtigen. Der Film „Leon Weintraub – Zeitgenosse gegen das Vergessen“ findet sich auf der Plattform Youtube, und dort auf dem Kanal der Katholischen Akademie Fulda. Link: https://youtu.be/rDdcq_uB3WY

Von Hans-Joachim Stoehr