Berliner Theologin Eva Wawrzyniak rieb sie sich am Kirchenrecht auf

„Nischendasein ist zu wenig“

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Die Berliner Theologin Eva Wawrzyniak beschäftigte sich über Jahre mit einem möglichen Kirchenaustritt. Letztendlich rieb sie sich am katholischen Kirchenrecht auf und verließ 2021 die Kirche.

Eva Wawrzyniak bereut ihre Entscheidung, die Kirchenmitgliedschaft zu beenden, nicht.
Foto: Andrea von Fournier

Eva Wawrzyniak vermittelt einen zufriedenen und selbstsicheren Eindruck. Vor knapp zwei Jahren, während der Osteroktav 2021, ist die gebürtige Berlinerin aus der katholischen Kirche ausgetreten. „Als katholische Theologin ist dieser Termin von mir natürlich bewusst gewählt worden“, sagt sie – der Austritt ist so etwas, wie die eigene Auferstehung. Den Kirchenaustritt hat sie sich nicht leicht gemacht und zuvor Argumente gesammelt, dafür oder dagegen, die sich teilweise Jahre lang in ihrem Bewusstsein wälzten.
Eva Wawrzyniak, Anfang 60, verheiratet, Mutter, hat ihr Berufsleben in den Dienst der katholischen Kirche gestellt. In einem streng gläubigen Elternhaus aufgewachsen, hatte sie schon als Jugendliche kritische Fragen. Sie entschloss sich, katholische Theologie zu studieren. Dabei bekam sie auch einen internationalen Blick: Von Ende der 1970er bis Mitte der 80er Jahre studierte sie in Bonn, Paris und Freiburg in der Schweiz. Wawrzyniak erinnert sich noch genau, wie sie voller Spannung die Umsetzung der Ergebnisse des 2. Vatikanischen Konzils beobachtete. Veränderungen in Richtung „weniger Absolutismus“ habe man sich erhofft, die Aufwertung der Laien beispielsweise geschah. Doch die systemische Ungleichheit zwischen Priestern und Nichtpriestern, die sie in den kommenden Jahrzehnten bedrückend wahrnehmen sollte, blieb.

„Zwei Menschenklassen“ in der Kirche
„Als junger Mensch, gut ausgebildet, ist man idealistisch. Vielleicht kann man von unten heraus etwas verändern“, dachten sie und ihre Kommilitoninnen. Schließlich könne man ja, auch wenn man kein Priester sei, wunderbare Dinge tun. Das tat die zupackende, energische Berlinerin im Laufe der Jahre in drei Bistümern: 1986 trat sie ihren Dienst in der Jugendseelsorge in Spandau an und war als Pastoralreferentin im damaligen Bistum Berlin die erste Frau. Später leitete sie in Hildesheim ein Bildungshaus, in den Erzbistümern München-Freising und Berlin kümmerte sie sich um Hochschul-, Alten- und Krankenhausseelsorge und hatte biblische Bildung als Schwerpunkt.
Den Satz „Wir sind keine Priester“, hat sie von Beginn an wohl hunderte Male gedacht, schmerzlich und auch wütend erfahren. Dass es „zwei Menschenklassen“ in der katholischen Kirche gibt, ist ihr Fazit: Priester und Nichtpriester. Das ist ausdrückliches Kirchenrecht. Weil es in bestimmten pastoralen Bereichen, beispielsweise der Jugendarbeit, der Gefängnis- oder Krankenhausseelsorge, große Freiräume für Nichtpriester gibt, haben sie und ihre Kolleginnen sich dort engagiert. Aber das seien „Nischen“, man führe ein Nischendasein. Mit der Zeit stellte sie sich die Frage, ob sie sich mit einem Nischendasein zufrieden geben wolle.

Keine Energie mehr in dieses System stecken
Ab 2015 arbeitete Eva Wawrzyniak in Potsdam für Stadtkirche und Hochschulseelsorge. Ein Jahr später bereitete sie mit dem Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) eine Veranstaltung über Ehen von Minderjährigen vor. Die ersten Flüchtlinge waren eingetroffen. „Da denkt man an Musliminnen“, erinnert sie sich. Sie recherchierte in verschiedenen Quellen, wie christliches Recht zu dieser Frage stehe und war entsetzt: Nach vatikanischem Gesetz können Mädchen mit 14, theoretisch schon mit Einsetzen der Geschlechtsreife, verheiratet werden, Jungen ab 16. Aber die können nicht schwanger werden. „Dieser Fall kommt sicher in Berlin nicht vor. Aber ich bin auch Frau und denke an die Folgen“, sagt sie. Schwangerschaften in diesem Alter seien so gefährlich. In christlich geprägten Ländern gäbe es dabei viel mehr Todesfälle als in muslimischen.
Eva Wawrzyniak war in ihrer Nische nicht zufrieden. Der schon lange schwelende Missbrauchsskandal – Bischöfe, die durch Umsetzung von Priestern schuldig wurden, dass noch mehr Kindern Leid angetan wurde – floss auch in die Überlegungen der Berlinerin ein. „Will ich den Rest meiner Lebenszeit, meine Energie, Begeisterung und Frömmigkeit diesem System weiter zur Verfügung stellen?“, fragte sie sich und arbeitete an einer persönlichen „Exit“-Strategie. Während der Pandemie konnte sie die Frage mit einem glasklaren „Nein!“ beantworten, wollte absolutistische Machtstrukturen und daraus resultierendes Unrecht nicht mehr hinnehmen. Mit der Entscheidung ist sie zufrieden, ebenso wie mit ihrem derzeitigen Leben als Hausfrau, natur- und umweltbewusste Gärtnerin, weiter denkende Christin.

Von Andrea von Fournier

 

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