Brauchtum im Bistum: Die "Eisheiligen"

Pflanze nie vor der kalten Sophie

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Gärtner mit Pflanzen
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

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Blütenmeer im Gewächshaus: Gärtner Gerd Bernzen rät, beim Pflanzen draußen noch an die "Eisheiligen" zu denken.

"Eisheilige“ – diese Tage Mitte Mai kennt vermutlich jeder. Aber wer genau verbirgt sich hinter dem Begriff? Und warum sollte man darum wissen? Das erklären ein Gärtner aus Twist und ein Museumsleiter aus Lingen.

In den Gewächshäusern der Twister Gärtnerei Bernzen strahlen Geranien, Petunien und Goldmarie miteinander um die Wette. Kein Wunder, dass man schnell versucht ist, sich den Einkaufswagen mit Blumen vollzuladen, um damit Terrasse und Balkon zu verschönern. Gerd Bernzen, Gründer und Seniorchef des Unternehmens, wird kaum jemanden daran hindern. Aber der 78-jährige Gärtner mahnt die Gäste, Anfang Mai noch immer auf die „Eisheiligen“ zu achten und die Pflanzen bei Bedarf ins Haus zu holen oder mit Folie zu schützen. „Da sind wir schon ehrlich mit unseren Kunden“, sagt er für das ganze Team. „Sonst pflanzt man zweimal.“ 

Kennt er denn selbst die „Eisheiligen“ genau? Bernzen muss nicht mal überlegen und nennt die vier Männer und die einzige Frau in dieser Gruppe spontan in der richtigen Reihenfolge: „Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und am Ende die Sophia.“ Und er kennt so manches Sprichwort, das sich um die „Eisheiligen“ rankt wie „Pflanze nie vor der kalten Sophie“. Mit einem Lächeln räumt er aber ein, dass auch er zuweilen den 15. Mai nicht abwarten konnte, „aber dann habe ich Lehrgeld bezahlt. Dass es im Mai noch mal frieren kann, ist völlig normal“.

Deswegen muss Gerd Bernzen manchmal mit dem Kopf schütteln, wenn andernorts in der Werbung sogar schon Ende März die ersten Sommerblumen angepriesen werden, die Menschen sie dann nach draußen setzen und sich später über verfrorene Blüten ärgern. „Es tut weh, das zu sehen“, sagt er. Er glaubt, dass viele Menschen in unserer schnelllebigen Welt zu ungeduldig sind, nicht mehr abwarten können und gleich einen schnellen Erfolg sehen wollen – statt sich Muße zu nehmen und sich dann bis in den November hinein noch an blühenden Geranien zu erfreuen. 

Zudem erinnert er daran, dass manche der alten Bauernweisheiten auch heute noch Sinn machen. „Die Leute früher wussten, dass sie nicht zu früh pflanzen durften.“ Denn in den Selbstversorgergärten ging es weniger darum, mit den Nachbarn um die schönsten Blumenbeete zu wetteifern, sondern eine gute Ernte einzufahren. Heute, erzählt Bernzen mit einem Schmunzeln, stellen manche Leute brennende Grabkerzen rund um die Gurkenpflanze im ungeheizten Gewächshaus – um sie zu wärmen. 

Die „Eisheiligen“ kamen nicht immer pünktlich

Statue des heiligen Servatius
Diese Statue des heiligen Servatius steht in Beesten. Foto: Andreas Eiynck

Auf das Wissen der alten Bauernkulturen verweist auch Andreas Eiynck, Leiter des Emslandmuseums in Lingen und Volkskundler. Durch Wetterbeobachtungen wussten die Menschen, dass sie Mitte Mai manchmal noch mit Spätfrost rechnen mussten – der dann die lebenswichtige Ernte gefährdet hätte. Und weil im Mittelalter die Menschen die Tage nicht nach Daten, sondern nach bekannten Heiligen zählten, ordneten sie diese Phase den vier Heiligen von Mamertus bis Sophia zu. „Mit dem Wetter als solchem haben die eigentlich sonst gar nichts zu tun.“ 

Von bestimmten Traditionen rund um die „Eisheiligen“ weiß  er im Bistum Osnabrück nichts – die wurden seiner Kenntnis nach früher eher noch in den österreichischen Alpen gepflegt. Aber es gibt in unserer Region mehrere Kirchen, die zum Teil den Heiligen gewidmet sind. So stehen zum Beispiel im emsländischen Beesten und in Berge im Dekanat Osnabrück-Nord zwei katholische St.-Servatius-Kirchen. Nach Pankratius sind in Borgloh am Teutoburger Wald und zudem in Emsdetten (Bistum Münster) Gotteshäuser benannt, gleichfalls in Stuhr im Norden des Landkreises Diepholz eine lutherische Kirche. Auch Bonifatiuskirchen gibt es mehrere, aber diese Patrozinien gelten laut Eiynck meist dem „Apostel der Deutschen“. „Und das war ein anderer Bonifatius als der Eisheilige.“

Ihrem Namen sind die „Eisheiligen“ nach Worten von Eiynck nicht immer gerecht geworden. Er kennt Studien, denen zufolge in den letzten Jahrzehnten die Kälteeinbrüche nur zu 39 Prozent eintraten. Zu 61 Prozent kamen die „gestrengen Herren“ und die kalte Dame gar nicht. Viele Experten führen das auch auf den Klimawandel zurück.

Und wenn man es genau nimmt, stimmen nicht einmal die Termine heute noch. Bis zum 16. Jahrhundert galt laut Eiynck der Julianische Kalender, nach dem die Kältewelle tatsächlich um Mitte Mai erwartet wurde. Wir richten uns aber seit 1582 nach dem Gregorianischen Kalender und demnach müssten die „Eisheiligen“ um mehrere Tage nach hinten verschoben werden. Aber dann würde keines der schönen Sprichwörter mehr passen: „Wenn es an Pankratius friert, so wird im Garten viel ruiniert.

„Eisheilige“ werden die fünf Heiligen landläufig genannt, deren Namenstage die katholische Kirche zwischen dem 11. und 15. Mai feiert. Den Beginn macht Mamertus am 11. Mai, er war im fünften Jahrhundert Bischof im französischen Vienne. Pankratius  (12. Mai) gilt als Märtyrer, der im vierten Jahrhundert in Rom hingerichtet worden ist.  Am 13. Mai wird Servatius gedacht, im vierten Jahrhundert Bischof im belgischen Tongeren. Mit Bonifatius (14. Mai) ist ein sizilianischer Märtyrer gemeint und auch Sophia (15. Mai) starb in Rom als Märtyrerin. Wegen ihres Wirkens sind sie später heiliggesprochen worden.

Petra Diek-Münchow