Pfarrer Uwe Peukert schaut mit „systemischen Blick“ auf die Lebenswirklichkeit

Sich mit Brüchen versöhnen

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Pfarrer Uwe Peukert aus Kamenz schaut mit einem „systemischen Blick“ auf die Lebenswirklichkeit. Dabei geht es ihm um die Menschwerdung, die dem Glauben zugrunde liegt. Und er fragt, ob die Kirche an zu hohen Idealen festhält.

Pfarrer Uwe Peukert bietet Gespräche und Begleitung an und hilft dabei, „systemisch“ auf das Leben zu schauen.
Foto: Rafael Ledschbor

„Eine perfekte Familie ist mir noch nicht begegnet. Auch ich komme nicht aus einer solchen“, sagt Pfarrer Uwe Peukert aus Kamenz. Er schaut mit einem „systemischen Blick“ darauf. Also nicht nur auf den einzelnen Menschen, sondern auf das System, in dem jemand lebt. Das ist nicht nur seine Familie, sondern unter anderem auch sein Arbeitsplatz, seine Pfarrgemeinde und der Ort, in dem er wohnt. Dieser „systemische“ Ansatz in Therapien ist relativ neu.
Dem Pfarrer ist aufgefallen, dass nicht einmal in der Heiligen Familie alles perfekt war: Maria war nicht verheiratet und erwartete ein Kind, dessen Vater nicht ihr Mann war.
Der Geistliche hat den Eindruck, dass die Bindungsfähigkeit in Partnerschaft und Ehe heute abnimmt und nicht wenige Beziehungen scheitern. Bei der Beurteilung wolle er allerdings weniger die moralische „Elle“ anlegen, sondern auf die Geschichte der Beziehung, auf die familiäre Situation der Partner schauen. Hilfreich ist es, bei diesen und anderen Fragen, ein Genogramm, einen Familienstammbaum aufzuzeichnen. Dort finden sich Hinweise und Spuren für Lösungsansätze und Veränderungen.
Im Blick auf die derzeitige seelsorgliche Praxis fragt er: „Müssten wir als Kirche nicht das vorherrschende Bild der perfekten Familie überprüfen und uns eingestehen, dass dabei viele mit der Vorstellung von der Ehe ,bis dass der Tod uns scheidet‘ an eine Grenze kommen. Der Maßstab  ist sehr, sehr hoch. Oft gelingt Partnerschaft und Ehe nicht bei allen.“ Peukert gibt zu bedenken: „Und heute dauert eine Ehe viel länger als früher, als die Lebenserwartung noch weitaus geringer war.“
Seiner Erfahrung nach komme es oft dann zu Spannungen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Die Beziehung bekommt dann eine andere Dimension, wenn die gemeinsame tägliche Sorge um die Kinder entfällt. „Das heißt aber nicht, dass die Eheleute nun immer alles zusammen machen müssen. Es ist doch klar, dass Ehepartner verschiedene Interessen und Hobbys haben.“ Er nutzt dafür das Bild von Gitarrensaiten, die einen gewissen Abstand brauchen, damit es einen Klang geben kann. „Natürlich braucht die Beziehung auch Gemeinsamkeiten, damit sie gut funktionieren kann“, fügt er hinzu.
Peukert hat eine dreijährige berufsbegleitende Ausbildung als Systemischer Familientherapeut absolviert. Der Theologe und Psychotherapeut Manfred Lütz, der auch Berater des Vatikans ist, beschreibt es so: „Die Psychoanalyse versucht, einzelne Menschen zu behandeln, die Verhaltenstherapie behandelt vor allem einzelne Symptome. Doch der Mensch ist immer auch ein soziales Wesen.“ Dort setzt die systemische Familientherapie an. Peukert ist aufgefallen, dass dieser Ansatz in der Breite der Gesellschaft noch nicht so wahrgenommen wird. Um ihn vorzustellen, bietet der Geistliche dazu Vorträge an.
Mit einem Lächeln im Gesicht sagt er: „Viele Menschen denken, ein Pfarrer müsse über Gott und den Glauben reden. Das ist richtig. Aber es gibt auch noch eine Ebene unter dem Glauben.“ Dabei erinnert er an den heiligen Thomas von Aquin und dessen Feststellung, dass die Gnade auf der menschlichen Natur aufbaut. „Ich schaue auf die menschlichen Grundvollzüge und ermutige zur ,Menschwerdung‘, was wir Weihnachten so emotional feiern.“
Er erinnert daran, dass jeder in seiner Herkunftsfamilie verankert ist. „Jemand, der seinen Platz und seine Rolle in der Familie und auch im Leben gefunden hat, wird anders seinen Glauben leben.“
Peukert räumt ein, dass es nicht angenehm ist, auf die Brüche im eigenen Leben zu schauen. „Mir hat das Buch ,Spiritualität von unten‘ von Anselm Grün sehr geholfen. Da setzt Veränderung beim Blick auf meine Schwächen und Krankheiten an, und nicht oben, bei oft unerreichbaren Idealen.“ Und er ergänzt: „Manche sagen, man müsse bei Schwierigkeiten mehr beten. Das ist grundsätzlich richtig. Jedoch ist mir im Laufe der Jahre klar geworden, dass mich das nicht davon entbindet, die menschlichen Dinge, den Bereich, der dem Glauben zugrunde liegt, anzuschauen und zu ,bearbeiten‘; eben ,Mensch zu werden‘, mich also mit meiner Lebensgeschichte, auch mit den Brüchen zu versöhnen, sie versuchen, anzunehmen.“ Dabei könne der systemische Ansatz einen wichtigen Impuls geben. Es gehe eher um Lösungen, um die Frage nach Ressourcen, als um das bloße Beschreiben der Probleme.
Im Rückblick wurde Peukert deutlich, dass er die Ausbildung zunächst für sich selbst gemacht habe. „Ich musste mich dabei selbst hinterfragen, meine Werte, meine Vorstellungen, mein Gottes- und Menschenbild. Das war schmerzhaft, jedoch letztlich heilsam. Dadurch kann ich Menschen, die ich berate, auf Augenhöhe begegnen und das, was ich sage, ist durch meine Erfahrung gedeckt.“
Und er möchte Mut machen, sich den Herausforderungen und Fragen, auch den schwierigen Situationen im eigenen Leben zu stellen: „Jede Krise kann auch eine Chance sein, nämlich als Mensch zu wachsen und zu reifen.“

Pfarrer Uwe Peukert bietet Gespräche und Lebensbegleitung an. Kontakt: 0 35 78 / 7 88 38 25 oder Uwe.Peukert@pfarrei-bddmei.de

Von Rafael Ledschbor