Warum so viele Katholiken US-Präsident Trump unterstützen
Sie sehen die Welt im Endkampf
Foto: imago/ZUMA Press Wire (trump), Jeanne Lockner (porträt)
Evangelikale Führer legen Donald Trump während eines Gebetstreffens die Hände auf.
Donald Trump gibt sich alle Mühe, als guter Christ aufzutreten. So rief er dazu auf, als Vorbereitung auf den 250. Geburtstag der USA in Gruppen für das Heil des Landes zu beten. „Amerika war schon immer eine Nation, die an die Kraft des Gebetes glaubt“, zitierte ihn die Washington Post. Vor der von ihm eingesetzten Kommission für Religionsfreiheit sagte der Präsident: „Wir sind eine Nation unter Gott und werden es immer sein!“ Dass sein Verhalten kaum zum frommen Anspruch passt, stört Trump nicht.
Ein jüngstes Beispiel für diese Widersprüche gab er bei der Trauerfeier für den ermordeten rechten Aktivisten Charlie Kirk. Unter Tränen hatte dessen Witwe Erika Kirk Jesu Worte am Kreuz zitiert: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Dann sagte sie über den Mörder ihres Mannes: „Ich vergebe ihm.“ Trump schlug danach andere Töne an: „Ich hasse meine Gegner und ich will nicht das Beste für sie. Es tut mir leid, Erika.“
Viele Christen haben für Trump gestimmt. Dabei ist die Religion für ihn nur Mittel zum Zweck. „Er benutzt Religion. Sie ist für ihn wie ein Taxi, um dahin zu gelangen, wo er hin möchte“, sagt Massimo Faggioli. Der in Italien geborene Theologe war seit 2009 Professor in den USA. Im Sommer zog er mit seiner Familie nach Irland. An der Universität hatte man ihm geraten, nicht mehr so kritisch über Trump zu sprechen und nicht ins Ausland zu reisen oder Vorsichtsmaßnahmen für die Rückreise zu treffen. Faggioli ist kein US-Staatsbürger und hätte dabei Probleme bekommen können.
„Politischer Messianismus“
Trump und seine MAGA-Bewegung wollten die USA umbauen, sagt Faggioli: „Es ist nicht nur eine Veränderung der Politik, sondern des Systems.“ Es gehe darum, die Gewaltenteilung auszuhebeln und dem Präsidenten alle Macht zu geben. Einige der Ratgeber Trumps seien überzeugt, Amerika könne nur wieder groß werden, wenn es wieder religiöser werde, sagt Faggioli.
Waren es vor einigen Jahrzehnten vor allem weiße Evangelikale, die die konservative politische Szene der USA dominierten, seien es heute zunehmend Katholiken, sagt der Theologe. So steht an der Spitze der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation der Katholik Kevin Roberts. Seine Organisation hat unter dem Titel „Project 2025“ Trumps zweite Präsidentschaft ideologisch vorbereitet. Das Konzept war so radikal, dass sogar Trump sich im Wahlkampf davon distanzierte. Doch nun setzt er es nach Ansicht von Beobachtern Stück für Stück um.
Eine Schlüsselrolle spielt dabei Vizepräsident JD Vance, der 2019 zum katholischen Glauben konvertierte und den sogenannten katholischen Neo-Integralisten nahesteht. Die Neo-Integralisten wollen eine Vorherrschaft religiöser Ideen über staatliches Handeln, weil weltliches Heil und Seelenheil nicht voneinander zu trennen seien. Was man vor einem Jahr noch als versponnene Ideologie zurückgewiesen hätte, ist jetzt als Idee im Zentrum der Macht der USA angekommen. „Diese Ideologie glaubt nicht mehr an die liberale verfassungsmäßige Ordnung“, sagt Faggioli. „Die oberste Macht soll die Exekutive haben. Nicht einmal die Judikative, geschweige denn die Medien als vierte Gewalt soll sie einschränken können.“ Faggioli sieht die USA auf dem Weg in einen neuen Absolutismus, geprägt von der religiösen Idee, dass die USA ein weißes, christliches Land seien.
Dass America First, die Überlegenheit einer vermeintlichen weißen Rasse und die brutale Umsetzung ihrer Politik gegen christliche Grundsätze verstoßen, sehen die Anhänger der MAGA-Bewegung nicht. Faggioli sagt: „Was Trump und JD Vance sagen, ist der neue Katechismus. Wir erleben einen politischen Messianismus.“
Schließlich wähnen sich die MAGA-Anhänger in einem Kulturkampf um die Rettung Amerikas gegen liberale Eliten, Migration, Gleichstellung und das Gendern. So auch der – nicht katholische – Internet-Milliardär Peter Thiel, dem Vance seine Karriere zu verdanken hat. Er sieht die Welt in einem apokalyptischen Endkampf gegen den Anti-Christen, wie eine hörenswerte Podcast-Serie im Deutschlandfunk belegte. In einem solchen Endkampf ist alles erlaubt.
Und die katholische Kirche? Ist bemerkenswert still. Weil manche Bischöfe mit Trumps Politik sympathisieren. Zu beobachten war das etwa nach dem Tod von Charlie Kirk. Kardinal Timothy Dolan aus New York lobte den rechten Aktivisten als neuen Paulus. Bischof Robert Barron nahm sogar an der Trauerfeier für Kirk teil und nannte sie eine „spirituelle, belebende Erfahrung“.
„Pseudoreligiöse Politshow“
Passaus Bischof Stefan Oster hingegen schrieb, dass ein gläubiger Mann so hinter Trump gestanden habe, könne er nicht nachvollziehen: „Von Trump sind sein Umgang mit der Wahrheit, mit benachteiligten Menschen, mit Frauen, mit politischen Gegnern hinreichend bekannt.“ Kirks Trauerfeier sei eine „pseudoreligiöse Politshow“ gewesen. Er hoffe, „dass nun endlich noch mehr Menschen verstanden haben, dass sich Trump hier selbst seine pseudoreligiöse Maske vom Gesicht gezogen hat“.
Dolan und Barron sprechen nicht für alle Bischöfe in den USA. Die Bischofskonferenz ist gespalten wie die Gesellschaft. Die Kritiker Trumps aber äußern sich nicht zu laut. „Das überwiegende Gefühl im Moment ist Angst. Die Regierung kann jeden bestrafen, der öffentlich gegen ihre Politik spricht“, sagt der Theologe Faggioli. Seine Hoffnung ruht auf Papst Leo. Und darauf, dass er sich als US-Amerikaner für den Erhalt der Demokratie in seiner Heimat einsetzt.
Zur Person
Massimo Faggioli ist 1970 in Italien geboren und hat seit 2016 als Professor für Historische Theologie an der Villanova University in Pennsylvania gearbeitet.