Das erste grüne und energieautarke Pfarrheim Deutschlands steht in Bad Essen
Sommerstrom für den Winter speichern
Foto: Bistum Osnabrück / Thomas Arzner
Es ist innovativ, und das in vielerlei Hinsicht - das neue Pfarrheim in Bad Essen im Osten des Landkreises Osnabrück. Gerne bezeichnen die Verantwortlichen von Pfarrgemeinde und Bistum den Neubau auch als „grünes Pfarrheim“, denn tatsächlich ist neben der St.-Marien-Kirche das erste komplett energieautarke kirchliche Gebäude in Deutschland entstanden: Geheizt wird es mit einer Luftwärmepumpe, die Stromgewinnung erfolgt über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Überschüssiger Strom wird zunächst im Akku gespeichert und dann mit einem besonderen Verfahren umgewandelt in grünen Wasserstoff, der in fünf Tanks außerhalb des Gebäudes eingespeichert und bei Bedarf mittels Brennstoffzelle wieder rückverstromt wird, um auch im Winter die Stromversorgung sicherzustellen. Die dabei entstehende Abwärme wird über eine Lüftungsanlage für die Raumerwärmung genutzt.
Entwickelt wurde dieser erste Ganzjahresstromspeicher für Gebäude namens „Picea“ (Fichte) durch ein Start-up-Unternehmen aus Berlin. Durch die Technik werden jährlich 3000 Kilogramm CO2 eingespart, was 130 ausgewachsenen Fichten entspricht. Benedikt Kolkmeyer von der Abteilung Kirchengemeinden im Bistum Osnabrück und Rainer Gelhot, Pfarrbeauftragter der Pfarreiengemeinschaft Ostercappeln, hat das Verfahren mit einem umweltfreundlichen Langzeitspeicher überzeugt: „In einem Pfarrheim haben wir nicht die üblichen Verbraucher wie Waschen und Kochen. Diese klassische Nutzung gibt es hier nicht“, erklären sie. Daher sei es wichtig, den überschüssigen Sonnenstrom gut zu speichern, um auch im Winter oder bei Stromausfall energieautark zu sein. Als Pilotprojekt hat das Bistum die Kosten für die Anlage von 120000 Euro komplett übernommen. Kolkmeyer betont: „Wir wollen bei innovativen Energieprojekten vorangehen und sie als Pilotprojekt testen. Noch ist es aber zu teuer, um es überall zu fahren.“ Die Leistungsdaten der Anlage sollen später auf der Homepage der Gemeinde einsehbar sein.
Ob auf Dauer auch die Kirche mit dem eigenerzeugten Strom geheizt werden kann, wird noch geprüft. „Der Stromanschluss der Kirche ist auf jeden Fall bereits mit drin“, sagt Gelhot. Die Doppelnutzung bietet sich an, da mit dem Neubau ein lückenloser Übergang von der Kirche zum Pfarrheim geschaffen wurde. Der alte Innenhof bleibt erhalten und soll neugestaltet werden. Für die Bäume, die gefällt werden mussten, wird es Ersatzpflanzungen geben.
Aber nicht nur im Energiebereich zeigt sich das neue Pfarrheim innovativ. Auch die Nutzung des Gebäudes ist modern und auf Zukunft ausgerichtet. Denn neben den üblichen Räumen wie einem großen und einem kleinen Versammlungsraum, einer Küche, dem Pfarrbüro und Sanitärbereichen gibt es ein „Coworking-Space“ und ein Mehrgenerationencafé. „Menschen können einen Raum als Homeoffice-Arbeitsplatz mieten und sogar ihre Kinder mitbringen, die hier spielen können“, erklärt Rainer Gelhot. So soll das Gebäude maximal ausgelastet werden, offen sein und Begegnungen ermöglichen. Gespräche mit Schulen sind geplant, um Ausweichräume zum Beispiel zur Prüfungsvorbereitung anzubieten. Gelhot: „Menschen sollen sich hier selbst organisiert treffen können zum Klönen, zum Lernen, um Wartezeiten zu überbrücken. Es soll ein Haus der offenen Tür sein.“ Auch Kindergeburtstage, Yogagruppen oder Beerdigungscafés kann sich der Pfarrbeauftragte gut vorstellen.
Auch ohne Werbung sind die neuen Angebote bereits gut angelaufen. Es gebe bereits Anfragen und die anfängliche Skepsis der Gemeinde gegenüber dem Neubau habe sich „gut aufgelöst“, so Gelhot. Die Gesamtkosten von 980000 Euro tragen die Gemeinde, das Bistum und das Amt für regionale Landesentwicklung. Um den Neubau finanzieren zu können, hat die Gemeinde einen Teil des Grundstücks an der Lerchenstraße, auf dem das alte Pfarrheim stand, verkauft.
Für Benedikt Kolkmeyer ist der Bau ein gutes Beispiel dafür, wie Gemeinden sparen können, indem sie Energiekosten minimieren und Kooperationen eingehen. „Das entlastet den Haushalt massiv", betont er mit Blick darauf, dass alle Gemeinden im Bistum vor Einsparungen und Fragen der künftigen Gebäudenutzung stehen. Auch hier spricht er mit Blick auf Bad Essen wieder von „innovativ“.