Erinnerung an Märtyrerinnen

Treue bis zum letzten Schritt

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Schwester Irmengard und Schwester Barbara erinnern an ihre Mitschwestern, die 1945 zu Märtyrerinnen wurden.
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Andreas Hüser

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Schwester Irmengard und Schwester Barbara erinnern an ihre Mitschwestern, die 1945 zu Märtyrerinnen wurden.

Sie wurden getötet, weil sie ihrem Gelübde treu blieben. Zehn Schwestern der heiligen Elisabeth wurden vor einem Jahr seliggesprochen. In Reinbek sind diese Märtyrerinnen sehr präsent. Zwei von ihnen waren in Hamburg tätig.

„Es lebe Christus, mein König!“ Das sollten die letzten Worte von Schwester Felicitas Elmerer sein. Aber sie kam nur bis „Christus, mein Kö….“ Dann traf sie eine Kugel aus einem russischen Gewehr. Das war im März 1945 in Neisse in Oberschlesien. Der Krieg war an seinen Ausgangsort, nach Deutschland, zurückgekehrt. Und die Deutschen bekamen die ganze Brutalität dieses Krieges in ihren eigenen Häusern zu spüren. Frauen wurden vergewaltigt, Häuser geplündert, Zivilisten ohne Grund erschossen. Eine Ordenstracht schützte da nicht, im Gegenteil. Viele Ordensfrauen wurden getötet, weil sie sich gegen Vergewaltigung durch russische Soldaten wehrten. Die Schwestern von der heiligen Elisabeth, die ihr Mutterhaus in Neisse, später in Breslau hatten, verloren etwa 100 Mitschwestern. Zehn von ihnen wurden am 11. Juni 2022 seliggesprochen.

Es sind diejenigen, deren Todesumstände bekannt und belegt sind – wie bei Schwester Felicitas. Der Gedenktag der seligen Maria Paschalis Jahn und ihrer Gefährtinnen (11. Mai) ist auch für die Elisabeth-Schwestern in Reinbek ein Festtag. Einige haben noch selbst das Ende des Krieges und den Vormarsch der Roten Armee erlebt. Schwester Irmengard war damals vier Jahre, Schwester Barbara 15 Jahre alt.

„Wenn ich in Neisse bin, gehe ich immer zum Grab der Märtyrer- Schwestern“, sagt Schwester Irmengard. „Es ist ein Ort, an dem viele Menschen beten und der von den Schwestern heilig gehalten wird.“ Dabei hat sich die Verehrung dieser Märtyrerinnen auch im eigenen Orden erst im Laufe der Jahrzehnte richtig entwickelt. In den Nachkriegsjahren, so erzählen die Reinbeker Schwestern, wurde wenig von den blutigen Ereignissen 1945 gesprochen. 

Dass zwei der seliggesprochenen Ordensfrauen auch in Hamburg gewirkt haben, ist in der Stadt kaum bekannt. Schwester Rosaria Schilling war in Eimsbüttel in der Gemeindeseelsorge und im Büro tätig. Schwester Sapientia arbeitete als Krankenpflegerin in Eppendorf. Der Einsatzort Hamburg war kein Zufall. Schon 1866, 24 Jahre nach Gründung des Ordens, kamen die ersten Elisabeth-Schwestern in die Hansestadt. Sie folgten einem Grundsatz der Gründerin Maria Merkert: „Wir gehen dahin, wo die Not am größten ist.“ So wurde Hamburg zu einem Schwerpunkt, an dem die „grauen Schwestern“ in karitativen Diensten, in den wenigen Gemeinden und als Lehrerinnen tätig waren.

„Etwas, das uns innere Stärke vermittelt“

Dieser Kelch aus der Herz- Jesu- Kapelle in Neisse wurde als „Reliquie“ bei der Seligsprechung präsentiert.
Dieser Kelch aus der Herz- Jesu- Kapelle in Neisse wurde als „Reliquie“ bei der Seligsprechung präsentiert. Er wurde 1945 von russischen Soldaten zum Spott durchschossen.

Warum die Erinnerung an die Märtyrerinnen? Was soll eine Seligsprechung nach 77 Jahren? „Die Toten haben das nicht nötig“, sagt Schwester Barbara. „Aber wir haben’s vielleicht nötig. Damit wir auch einmal die andere Seite betrachten.“ Die andere Seite, das ist das, was man heute wenig wahrnimmt: Menschen, die ihr Versprechen halten, die für Treue und Zuverlässigkeit stehen und sogar ihr Leben dafür geben. „Das hilft auch uns, in der Treue und in der Liebe zur Kirche zu wachsen.“

Standhaftigkeit in Zeiten des Krieges – seit einem Jahr ist so etwas bedrückend aktuell. Schwester Irmengard: „Was Frauen heute in der Ukraine erleben, ist das Gleiche wie damals. Und wir wissen nicht, ob nicht deutsche Soldaten im Krieg genauso mit russischen Frauen umgegangen sind.“ Schlimme Zeiten waren es damals, schlimme Zeiten sind auch heute. „Wir Menschen brauchen etwas, das uns eine innere Stärke vermittelt“, sagt Schwester Barbara. „Wir glauben, dass Gottes die Möglichkeit und Fähigkeit hat, uns beizustehen. Ich hoff e, dass alles im Guten endet. Aber das kann nur von Gott kommen.“

Für diese Zuversicht stehen die Schwestern in ihrer grauen Ordenstracht auch hier und heute. Sie wundern sich, wie oft sie von „wildfremden“ Menschen auf der Straße und in der S-Bahn angesprochen werden. Jemand sucht das Gespräch, will sein Herz ausschütten oder sagt einfach: „Schwester, beten Sie für mich.“

Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte für den Orden der Schwestern von der heiligen Elisabeth einen Einschnitt. Die Schwestern mussten ihr Stammland Oberschlesien aufgeben. Sie wurden aus Polen vertrieben, suchten ein neues Mutterhaus im Westen und wurden fündig – in Reinbek. Von 1952 bis 1974 war Reinbek die Zentrale für den gesamten Orden. Erst als die Gemeinschaft sich international immer weiter ausbreitete, zog die Generalleitung in eine noch bedeutendere Stadt um: nach Rom.

Andreas Hüser