Lucia Zugel studiert Theologie und wohnt im Mainzer Priesterseminar

Wege zu sich selbst

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Lucia Zugel über den Dächern des Mainzer Priesterseminars
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Foto: Anja Weiffen

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Lucia Zugel über den Dächern des Mainzer Priesterseminars – im Hintergrund die Augustinerkirche

Von Religion kann Lucia Zugel nicht genug bekommen. „Der Glaube ist so groß“, sagt die 21 Jahre alte Offenbacherin mit kroatischen Wurzeln. Seit einem Jahr studiert sie Theologie und wohnt im Mainzer Priesterseminar.

Lucia Zugel geht voraus, die Treppen hoch, den Gang entlang und wieder durch eine Tür hinein in einen neuen Gebäudetrakt. Sie kennt sich aus im Mainzer Priesterseminar. Schließlich lebt sie schon zwei Jahre hier. Für das Gespräch mit der Kirchenzeitung hat sie den Raum mit der Dachterrasse reserviert. 

Die 21-Jährige studiert seit zwei Semestern Theologie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und wohnt im Pries-
terseminar, wo es seit neuestem Zimmer für Studierende gibt. Ihr Ziel: Pastoralreferentin. „Gerne auch Pfarrerin, am liebsten Päps-
tin“, sagt sie voller Elan. „Aber das geht ja nicht.“ Also Pastoralreferentin. Dass sie dafür rund acht Jahre Ausbildung braucht, macht ihr nichts aus. „Je mehr ich weiß, umso besser kann ich später meinen Beruf ausüben“, findet sie.

Lucia Zugel in der Augustinerkirche in Mainz während ihres Christlichen Orientierungsjahrs
Foto: privat

Lucia Zugel ist in Offenbach aufgewachsen, ihre familiären Wurzeln aber hat sie in Kroatien. Ihr Vater lebt seit den 1980er Jahren in der Stadt am Main, ihre Mutter zog aus Kroatien nach. Lucia Zugel, die noch eine jüngere Schwester hat, ging in Offenbach auf die katholische Marienschule. Geprägt hat sie dort der Leistungskurs Religion. „Im Reli-LK konnte ich alles fragen. Das hat mich gefesselt“, schwärmt sie. Auch die Unterschiede in der Glaubenspraxis zwischen Deutschland und Kroatien beschäftigten sie. „Alle meine Familienmitglieder sind gläubig, überall ist in Kroatien der Glaube spürbar. Hier in Deutschland ist das anders.“

Den Bezug zu Gott findet sie normal. „Letztes Jahr habe ich den Führerschein gemacht“, erzählt sie. „Beim Autofahren denke ich manchmal, wie gefährlich es auch sein kann. Dann habe ich das Gefühl, dass mich jemand beschützt. Dafür bin ich dankbar“, beschreibt sie, wie sie Glaube im Alltag erfährt. Auch vor dem Schlafengehen macht sie sich bewusst, was am Tag alles Schönes passiert ist, „und dann sage ich Gott Danke“. „Ich kann nur Gutes mit Gott verbinden“, sagt sie etwas ratlos, denn im Studium sei für sie die Theodizee-Frage, warum Gott das Böse zulässt, „ein ganz schwieriges Thema“. Durch das Fach Kirchengeschichte habe sie verstanden, warum es diese Vielfalt an Ausrichtungen im Christentum gibt. Ob sie sich in der Bandbreite von konservativen bis liberalen Strömungen einordnen könne? Lucia Zugel antwortet: „Wenn es darum geht, etwas Positives zu bewahren, finde ich konservativ gut. Extreme Positionen aber sind immer schwierig, vor allem, wenn sie Menschen nicht guttun. Meiner Meinung nach muss man mit Kirche arbeiten. Sie ist veränderlich.“ Sie denkt dabei an Themen wie den Zölibat oder die Forderung von Frauen nach einem Weiheamt. „Es gibt Frauen, die möchten Priesterin werden. Ich sage nicht, dass man das alles verändern muss, aber ich finde, man muss im Gespräch bleiben.“ 

Im Reli-LK konnte ich alles fragen. Das hat mich gefesselt.

Ihr Weg zum Theologiestudium führte über eine Auszeit. „Nach dem Abi war für mich klar, dass ich nicht gleich studieren möchte“, erzählt Lucia Zugel. Bei der Wahl des Studienorts schwankte sie anfangs zwischen Deutschland und Kroatien. Um sich Rat zu holen, wandte sie sich in der Marienschule an die Schulseelsorgerin. Durch sie erfuhr sie von der Möglichkeit eines Christlichen Orientierungsjahrs (COJ) im Mainzer Priesterseminar. Verbunden ist das COJ mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ). Die Offenbacherin entschied sich für ein FSJ in der Pastoral. Erst wollte sie eines in der Kroatischen Gemeinde machen. Oder war es auch möglich, im Mainzer Dom mitzuarbeiten?  Dort auch mal in der Sakristei zu sein? Auch das schwebte ihr vor. Es war möglich. Sie absolvierte ein FSJ in den Mainzer Innenstadtgemeinden, zu denen der Dom gehört. „Das COJ hat mir supergut gefallen“, sagt sie. „Anfangs hatte ich etwas Angst und Respekt. Aber alle waren zuvorkommend, die Atmosphäre familiär, ich habe mich geborgen gefühlt“, beschreibt sie diese Zeit. 

In ihrem Berufswunsch wurde sie dort bestärkt. „Bevor ich den Reli-Leistungskurs hatte, wollte ich Lehrerin werden. Das Problem wäre gewesen, dass ich für das Lehramtsstudium ein zweites Fach gebraucht hätte.“ Lucia Zugel denkt kurz nach und betont: „Mich interessierte aber nur Religion.“ Als Christin fühlt sie sich als Teil einer Gemeinschaft, in der Menschen reflektieren, barmherzig sind, Demut üben, erklärt sie. „Der Glaube ist so groß. Ich spüre Gott vor allem in der Eucharistie. Man sieht ihn durch den Goldschmuck in der Kirche, man riecht ihn im Weihrauch. Am liebsten gehe ich mit Freunden in den Gottesdienst, weil ich spüre, dass wir dasselbe empfinden.“

Nicht mit allen Freunden befindet sie sich auf dieser Wellenlänge. „In Offenbach bin ich in einem Freundeskreis, der meine Begeisterung für die Kirche weniger nachvollziehen kann“, sagt sie. „Ich weiß auch nicht, wie ich das vermitteln kann. Ich denke, in solchen Dingen muss ich noch viel lernen.“ 

Sie macht Karate, seitdem sie acht ist

In Lucia Zugels Leben dreht sich nicht alles um den Glauben. Sie macht Karate – auf hohem Niveau. „Aktuell steht für mich die Prüfung für den braunen Gürtel an. Danach kommt der schwarze“, sagt sie stolz. Eine Selbstverteidigungssportart auszuüben, damit „fühle ich mich als erwachsene Frau gut“, sagt sie. Vor allem die Regeln und Gebote gefallen ihr. „Der Respekt gegenüber dem Gegner, dass es immer darum geht, das Leben zu bewahren, und dass man lieber wegrennen sollte als anzugreifen.“ 

Seitdem sie acht Jahre alt ist, übt sie Karate. „Das macht mich mutig. Nicht nur körperlich, sondern auch im Reden. Zum Beispiel, um für meinen Glauben einzutreten, wenn ich Menschen treffe, die sagen: Gott gibt es nicht.“ Ihr Studium und Gespräche über Gott geben ihr viel. „Ich möchte meinen Glauben kennen- und damit mich selbst verstehen lernen. Wenn ich mit Menschen darüber spreche, merke ich erst, wer ich bin.“

Mehr Informationen zum Christlichen Orientierungsjahr im Bistum Mainz im Internet auf: www.coj-mainz.de

Anja Weiffen