Pastorale Mitarbeitende aus dem Ausland

Weltkirche ganz nah

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Drei Männer und eine Frau in Ordenskleidung stehen vor einer Theke und halten eine Kaffeetasse in der Hand
Nachweis

Foto: Meike Jolie

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Im Bistum Mainz werden pastorale Mitarbeitende aus der Weltkirche auf ihren Dienst vorbereitet.

Priester, Ordensleute, pastorale Mitarbeitende – nicht wenige kommen aus dem Ausland, um hierzulande tätig zu sein. Wie geht es ihnen dabei? Und wie werden sie begleitet? Beispiele aus der Region.

„Ich fühle viel Liebe für dieses Land, wo mich so viele Menschen wirklich herzlich aufgenommen haben“, sagt Schwester Gordana Davidovic über Deutschland. Die 43-jährige Ordensfrau, die ursprünglich aus Bosnien stammt, lebt im bosnisch-kroatischen Konvent der „Schulschwestern Franziskanerinnen von Christus dem König“ in Mainz. Zweimal kam sie aus ganz unterschiedlichen Gründen nach Deutschland – und hat hier letztendlich ihre Heimat gefunden. 1992 floh sie als 10-jähriges Mädchen mit ihrer Familie vor dem Krieg in Bosnien und landete in Düsseldorf. Obwohl sie damals viel entbehren musste, hat sie gute Erinnerungen an diese Zeit: „Ich habe mich gleich willkommen gefühlt. So viele Menschen haben uns herzlich aufgenommen und wollten für uns da sein“, berichtet Schwester Gordana. Als 15-Jährige entschloss sie sich, Franziskanerin in der bosnisch-kroatischen Kongregation ihres Ordens zu werden, lebte dann einige Jahre in Zagreb, wo sie die Schule abschloss und Theologie studierte.

Ich möchte für die deutschen Katholiken da sein, nicht nur für kroatische und bosnische

Ein Mann mit brauner Haut und dunklen Haaren sitzt an einem Schreibtisch vor einem Bücherregal
In Deutschland ankommen heißt für angehende pastorale Mitarbeiter aus der Weltkirche zunächst vor allem eines: die Sprachkenntnisse verbessern. Foto: Meike Jolie

Doch Deutschland blieb in ihrem Herzen. Als ihre Provinzoberin sie 2017 fragte, ob sie in den Konvent nach Mainz gehen würde, war Schwester Gordana sofort begeistert. Inzwischen arbeitet sie mit halber Stelle in der kroatischen katholischen Gemeinde in Wiesbaden, die restliche Zeit widmet sie ihrer Ausbildung zur Pastoralreferentin in Hofheim. „Ich bin wirklich glücklich hier, darum möchte ich auch für die deutschen Katholiken da sein, nicht nur für kroatische und bosnische“, sagt sie. Mit ihrer Arbeit möchte sie auch etwas zurückgeben von dem, was ihr Gutes widerfahren ist. Dafür nimmt sie auch gern Herausforderungen an. Am schwierigsten fand sie zu Beginn ihrer Ausbildung vor allem die rheinhessische Mundart. „Das war nicht einfach – vor allem, wenn ich Kollegen zu Trauergesprächen begleitet habe. Denn bei so etwas möchte man die Menschen ja ganz besonders gut verstehen, um ihnen zu helfen.“ Inzwischen geht das viel besser. Auch, weil sie in den Sprachkursen von Meike Jolie viel Fachvokabular gelernt hat, das sie für ihre Arbeit in der Kirche braucht. Jolie ist Referentin für sprachliche und kulturelle Integration der pastoralen Mitarbeitenden im Bistum Mainz (siehe Interview). Wenn Schwester Gordana anderen Ordensleuten aus der Weltkirche einen Rat geben sollte, dann wäre das wohl dieser: „Man sollte die Mentalität und die Kultur Deutschlands kennenlernen. Was man kennt, das kann man auch gut verstehen und annehmen.“

26 Prozent aller Katholiken und Katholikinnen im Bistum Mainz sprechen eine andere Muttersprache (siehe Kasten). Der Einsatz von pastoralen Mitarbeitenden aus der Weltkirche spiegele diese Zahl in gewisser Weise wider, erläutert Meike Jolie. Priester und Ordensleute aus der Weltkirche dienten demnach nicht als Lückenbüßer für fehlende Berufungen hierzulande. Ihr Einsatz im Bistum solle stattdessen einem neuen interkulturellen Miteinander in den Gemeinden gerecht werden. „Die katholische Kirche ist ihrem Wesen nach Weltkirche“, zitiert Jolie aus den Leitlinien des Bistums zu Personal aus anderen Herkunftsländern. Insofern gehörten interkultureller Austausch und Internationalität zutiefst zum Selbstverständnis der Kirche. 2020 veröffentlichte Bischof Peter Kohlgraf zu diesem Thema im Amtsblatt Leitlinien. Durch diesen hohen Anspruch entstünden klare Anforderungen an beide Seiten, sowohl an die fremdsprachigen Priester und Ordensleute als auch an die hiesigen Mitarbeitenden und Gemeinden, so Jolie. Vor allem Offenheit, Kommunikationsbereitschaft, Wertschätzung und Geduld seien auf beiden Seiten gefragt.

Porträtbild von einem Mann mit brauner Haut und weißen Haaren
Pater Joshy George Pottackal, Foto: Elisabeth Friedgen

Wetter, Essen und Dialekte – das waren für Pater Joshy die größten Hürden, als er nach Deutschland kam. „Ich musste erst lernen, dass es in Deutschland nicht automatisch warm ist, sobald die Sonne scheint“, sagt er schmunzelnd. Pater Joshy George Pottackal, der überall nur Pater Joshy genannt wird, stammt aus Indien und wurde bereits mit 15 Jahren Karmeliter.

Vertrauen hilft bei Integration

Kurz nach seiner Priesterweihe kam er 2004 nach Mainz, wo er mit Unterbrechung bis heute im Karmeliterkloster lebt. Noch während er dort den Pastoralkurs für Ordenspriester absolvierte, wurde er 2006 Stadtjugendseelsorger in Mainz und Schulseelsorger, später war er auch in verschiedenen Mainzer Pfarreien als Seelsorger tätig. In Meike Jolies Sprachkurs lernte er alle Fachbegriffe rund um Messe und Liturgie, übernahm 2009 mit zwei Mitbrüdern eine Pfarrstelle in Neckartal. 2022 kehrte der heute 47-Jährige nach Mainz zurück und wurde Personalreferent für die Priester des Bistums.

Von einem Lückenbüßer kann also weder bei ihm noch bei Schwester Gordana die Rede sein. Beide vertreten eine wachsende Gruppe Gläubiger, die sich einbringt – auch in der Verantwortung. „Ich durfte von Anfang an immer wieder neue Aufgaben übernehmen“, sagt Pater Joshy. Weil man ihm viel zutraute, konnte er an den Herausforderungen wachsen und sich in Deutschland zuhause fühlen, denkt er. Mindestens genauso wichtig sei für ihn die Offenheit der Menschen gewesen: „Das große Vertrauen, das mir alle von den Pfarreiteams bis zum BDKJ-Vorstand entgegengebracht haben, hat mir sehr bei der Integration geholfen.“

 

Elisabeth Friedgen und Anja Weiffen

 

„Eigene Motivation ist wichtig“

Porträtfoto von einer Frau mit dunklen Haaren vor einer Bücherwand
Meike Jolie ist Referentin für sprachliche und kulturelle Integration der pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bistum Mainz. Foto: privat

Meike Jolie begleitet Priester und Ordensleute aus der Weltkirche, die im Bistum Mainz tätig werden wollen.

Wer kommt zu Ihnen?

Das Bistum arbeitet mit Orden und Bistümern in anderen Ländern zusammen. Einzelbewerbungen berücksichtigen wir eigentlich nicht. Wir gehen davon aus, dass die Kandidaten und Kandidatinnen wissen, worauf wir Wert legen. Sie sollten bestimmte Voraussetzungen mitbringen, Deutschkenntnisse auf Sprachniveau B2 (fortgeschrittene Sprachkenntnisse, Anm. d. Red.) und ein Bewusstsein dafür, dass Kirche hier anders ist als im Heimatland. Besonders wichtig ist die eigene Motivation, hier tätig sein zu wollen. In Videokonferenzen lernen wir die Kandidatinnen und Kandidaten vorab kennen.

Was findet im Vorbereitungsjahr statt?

Die Sprache spielt eine große Rolle. Das Sprachniveau C1 (fachkundige Sprachkenntnisse) soll erreicht werden. Für die Sprachkurse nutzen die Kandidatinnen und Kandidaten externe Angebote. Ich begleite sie währenddessen, etwa mit Einzelcoachings zu Fachvokabular, Aussprache und zur Fähigkeit, liturgische Texte vorzutragen. Wenn Letzteres nicht gut gelingt, führt das oft gleich zu Anfang zu frustrierenden Erfahrungen auf allen Seiten. Von Beginn an steht kulturelle Integration im Fokus.

Was ist das genau?

Es geht darum, die oft irritierenden Erfahrungen von Anders-Sein und Fremdheit positiv zu verarbeiten. Sonst besteht das Risiko der Abwertung und des Rückzugs. Die Kandidatinnen und Kandidaten sollen sensibel für das Thema werden und sprachfähig. Sie sollen verstehen lernen, wie sehr Menschen eigene Prägungen mitbringen. Trotz der einen Weltkirche wird der konkrete Glaube hier anders gelebt als etwa in Indien, Polen oder in afrikanischen Ländern. Ich lehne es aber ab, mit Listen von „das darf man“ und „das darf man nicht“ zu arbeiten. Ich biete Gespräche, Tutorien, Exkursionen an, damit sie Menschen und Kultur hierzulande kennen und verstehen lernen.

Zum Beispiel gibt es eine Exkursion zu Hildegard von Bingen. Wie wird die Rolle der Frau in der Kirche thematisiert?

Auch die ausländischen Priester haben meist schon in der Ausbildung mit Frauen zu tun gehabt, etwa als Sprachlehrerinnen. Im Vorbereitungsjahr lernen sie die verschiedenen pastoralen Berufe kennen, die für Frauen in der Kirche in Deutschland zugänglich sind. Sie erfahren dadurch, dass Frauen hierzulande inhaltlich Verantwortung in der Kirche übernehmen.

Was macht Ihnen Mut, dass die Weltkirche regional zusammenwächst?

Ich sehe in den jetzt gegründeten größeren Pfarreien im Bistum Mainz die Chance zu einem neuen Miteinander. Die Gemeinden anderer Muttersprache sind gleichberechtigt in diese Pfarreien integriert. Ich hoffe, dass Vielfalt als Schatz erkannt wird, nicht als Problem – getreu dem Wahlspruch des Papstes: (nos multi) „In illo uno unum“ aus einer Predigt von Augustinus, was heißt: „Wir, die wir vielfältig viele sind, sind eins in ihm, dem Einen.“

Ein Interview von Anja Weiffen

Hintergrund

Von den rund 250 Priestern im aktiven Dienst im Bistum Mainz sind etwa 60 Priester der Weltkirche (davon etwa die Hälfte Ordenspriester). Im Bistum Limburg sind 35 Prozent der Katholiken andere Muttersprachler. Zu beachten ist laut Bistum, dass die Grenzen der Gemeinden der Katholiken anderer Muttersprachen nicht immer mit den Grenzen des Bistums Limburg identisch sind. Zu den Mitarbeitenden aus der Weltkirche zählen insgesamt 33 Priester, 2 Diakone und 11 pastorale Mitarbeitende, davon drei Ordensschwestern. Im Bistum Fulda haben 18 Prozent der katholischen Gläubigen eine andere Muttersprache als Deutsch. Nicht erfasst sind dabei andere Muttersprachler, die einen deutschen Pass haben und keine weitere Staatsbürgerschaft. Darum geht auch das Bistum Fulda (wie das Bistum Mainz) eher von einem Anteil von 25 Prozent aus. 12 Priester arbeiten im Bistum Fulda in muttersprachlichen Gemeinden.