Impuls zum Sonntagsevangelium am 14.01.2024

Wie Gott uns ruft

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Edelgard Ropel
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Foto: Andreas Kaiser

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Edelgard Ropel ist immer noch als Hausärztin aktiv. Aber ebenso wie um den Körper sorgt sie sich um das geistliche Wohl der Menschen.

Gut, dass auch biblische Helden ihre Probleme damit hatten: Gottes Stimme zu erkennen. Samuel jedenfalls brauchte einige Hilfe, bis es so weit war. Die Berliner Ärztin Edelgard Ropel kann das gut verstehen.

Es ist schon eine Weile her, da hat Edelgard Ropel dieser Zeitung einmal erzählt, dass sie sich als kleines Mädchen gerne in den Kleiderschrank zurückgezogen hat, um ganz nah bei Gott zu sein, sich ihm auszusetzen. Daraus entstand die Idee, sie noch einmal anzufragen. Diesmal sollte es um den Propheten Samuel gehen, der die Stimme Gottes bereits als Kind gehört hatte. Am Telefon war Ropel sofort mit einem Gespräch einverstanden. Doch im Interview selbst wurde sie immer zögerlicher, immer leiser. „Auch wenn es mir vielleicht immer klar war, dass es Gott war, der da an mir zog und meine Seele in Bewegungen setzte – so habe ich doch eine Scheu davor, dies öffentlich zu sagen, es klar zu benennen.“ Das wiederum passt sehr zu Edelgard Ropel. 

Sie ist eine Frau, die sich selbst nicht gerne in den Mittelpunkt stellt. Ein Leben lang war die Ärztin vor allem zuerst für andere Menschen da. Und obwohl sie sich schon vor geraumer Zeit zur Ruhe hätte setzen können, arbeitet sie weiter mit großer Leidenschaft als Hausärztin. An ihren freien Nachmittagen besucht sie zwei Altersheime, hilft dort aus, wo sonst niemand ist. Jahrelang hat Ropel abends einen an Parkinson erkrankten Priester und Jesuiten gepflegt. Zudem gibt sie seit vielen Jahren „Exerzitien im Alltag“, veranstaltet regelmäßig Einkehrzeiten und Reisen und ist als geistliche Begleiterin gefragt.

Aus dieser ehrenamtlichen Arbeit, den Schilderungen anderer Menschen und aus eigener Erfahrung weiß Ropel: „Der Ruf Gottes kommt eigentlich immer überraschend.“ So wie beim jungen Samuel, der mitten in der Nacht davon geweckt wurde. Und meist ist es „auch gar nicht so eindeutig, wer oder was da nun genau ruft. Dazu muss man schon seinen Verstand gebrauchen“, sagt Ropel. Beim Einsortieren der inneren Stimmen und Motive könnten auch Gespräche mit anderen Menschen helfen, die vielleicht ähnliche geistliche Erfahrungen gemacht haben. Jesuiten nennen diese Praxis gerne die Unterscheidung der Geister. 

Gott ruft nicht nur mit Worten

Fest steht für Ropel nur: „Der Ruf Gottes ist fast immer herausfordernd. Er bewirkt oft Lebens-
umstellungen, manchmal kleine, manchmal große. Auf jeden Fall gibt so ein Ruf dem Leben eine Wende, andere, neue Wege zu gehen.“ Vielleicht öfters die heilige Messe zu besuchen, so wie das bei ihr als Heranwachsende, ausgelöst durch einen Fernsehfilm, der Fall war. Oder der liebe Gott fordert einen auf, sich einen anderen, sinnvolleren Beruf zu suchen. Oder Beziehungen, die einem nicht guttun, zu beenden. Oder die Versöhnung mit Menschen zu suchen, mit denen man schon lange über Kreuz liegt. 

Doch die Rufe Gottes müssen nicht immer Stimmen sein. Der Heilige Geist spreche auch durch Intuition und Kreativität, sagt Ropel: „Oft sind es Begegnungen, Schicksalsschläge, Krankheiten, Unfälle, die die Menschen aufrütteln, wachrütteln und ihnen den Impuls geben, sich zu verändern.“ So wie bei einem Süchtigen der Führerscheinverlust oder der Ärger am Arbeitsplatz dazu beitragen, endlich mit dem Alkohol aufzuhören. 

Der Ruf Gottes gibt dem Leben eine Wende. 

Zudem folge dem Ruf Gottes „immer eine Bewegung hin zu mehr Liebe im Leben“. Das hat Ropel bei Bekannten beobachtet: „Von einer älteren Dame weiß ich, dass sie immer schwierige Beziehungen zu ihren beiden Söhnen hatte. Das ging sogar so weit, dass der Kontakt abgebrochen wurde.“ Als die Dame die Hoffnung auf familiären Frieden eigentlich schon aufgegeben hatte und sich im hohen Alter den Arm brach, „war plötzlich der eine Sohn für seine Mutter da“. Durch die Krankheit der Mutter war der Sohn, „ein bulliger Typ mit einer Null-Bock-Attitüde, plötzlich ganz weich und liebevoll geworden“. 

„Oft trifft diese Stimme Gottes Menschen, die auf der Suche sind“, sagt Ropel und erzählt von einer Freundin, die in Indien dem Buddhismus näherkommen wollte. Doch irgendwie war es nicht das Richtige für sie. Stattdessen lernte sie im fernen Asien eine Ordensschwester kennen, die sie mit ihrem sozialen Engagement beeindruckte. Auf der Rückreise traf Ropels Freundin noch auf eine evangelische Pastorin. Die empfahl ihr ein Buch: „Kontemplative Exerzitien“ von dem 2021 verstorbenen Jesuitenpater Franz Jalics. Das war der Türöffner zu einem neuen Leben. 

In der Stille wird Gottes Ruf besser hörbar

Bei ihren geistlichen Kursangeboten hat Ropel bemerkt, dass es oft Menschen sind, „deren Leben von außen betrachtet wunderbar rund erscheint, die irgendwann eine Art spirituelles Loch in sich spüren“. Diesen Menschen empfiehlt Ropel gerne regelmäßige Zeiten der Stille. „Am besten täglich, auch wenn es nur eine kurze Zeit ist. Alles abschalten. Am Anfang kann es helfen, sich nach einer kurzen Textlesung aus der Bibel in die Stille zu begeben“, sagt Ropel. Die Stille, das eigene Schweigen und die hörende Haltung des Betenden sei wichtig, damit Gottes Wort überhaupt in den Menschen eindringen kann. Nicht umsonst beginnen auch etliche Lehrreden in der Bibel mit dem Aufruf zum Zuhören. 

Doch so schön und wichtig Zeiten der Stille sind, sie sollten nicht ohne Folgen bleiben. „Stille allein genügt nicht. Man sollte auch versuchen, diese Haltung und Konzentration auf das Wesentliche in den Alltag zu transportieren“, sagt Ropel. Selbst dann, wenn gerade viel los ist, könne man versuchen, mit dem Kopf und dem Herzen ganz da zu sein. Denn zu hören und gehört zu werden, ist für den Menschen von essenzieller Bedeutung.

Andreas Kaiser