Katholischer Deutscher Frauenbund wählt neue Präsidentin
Zwei Frauen wollen es werden
Foto: Adobestock/ Foto AK 80
Das Stichwort „Wahl“ legt es nahe – es gibt eine Wahl. Zwischen zwei Personen und Positionen. Wenn katholische Verbände ihr Spitzenpersonal suchen, ist das aber nicht immer so. Da gibt es Findungskommissionen, die vor einer Wahl ausloten, wer es denn werden könnte: die neue Präsidentin, der neue Vorsitzende. Und wer da ins Auge gefasst wurde, tritt bei der Wahl ohne Gegenkandidat an und wird gewählt.
Bei den katholischen Verbänden wird gern gesehen, wenn der Kandidat oder die Kandidatin Verbindungen in die Politik hat, zum Beispiel im Bundestag sitzt. Nicht wenige der Verbände bevorzugen dabei eine „Parteifarbe“: schwarz. So ist die Kolpingvorsitzende Ursula Groden-Kranich eine CDU-Politikerin, die bis 2021 im Bundestag saß. Die Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) ist die CDU-Abgeordnete Mechthild Heil. Die bisherige Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB), die im Herbst abtritt, ist die CDU-Politikerin und ehemalige Staatssekretärin Maria Flachsbarth.
Die Findungskommission des KDFB hat eine potentielle Nachfolgerin für Flachsbarth gefunden, die ehemalige Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek. Die 52 Jahre alte CDU-Politikerin, Diplom-Kauffrau, stammt aus Ibbenbüren in Niedersachsen. Bei der Bundesdelegiertenversammlung in Bonn, die vom 20. bis 22. Oktober stattfindet, tritt Karliczek für das Amt der Präsidentin an. Diesmal haben die rund 80 Delegierten eine echte Wahl. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten gibt es zwei Kandidatinnen für das Amt der Präsidentin: Auch die Diplom-Sozialpädagogin und Erwachsenenbildnerin Ulrike Gerdiken hat ihre Kandidatur angekündigt und fast alle Diözesanverbände im Vorfeld besucht. Wahlkampf im katholischen Verband? Gerdiken ist die Lust an moderater Provokation anzumerken.
Die „natürliche Nähe zur Kirche“
Ulrike Gerdiken ist Grünen-Mitglied, Single-Frau ohne Kinder, und sieht sich als Alternative zum bisher in der Kirche vorherrschenden „role-model“ – zu den bisher üblichen Vorbildern. Sie ist überzeugt: „Unsere Frauen sind viel diverser, als man denkt.“ Der KDFB muss aus ihrer Sicht attraktiv werden für Frauen, die „politisch und persönlich anders aufgestellt“ sind. Es sei Zeit für „echte politische Unabhängigkeit“.
CDU-Frau Anja Karliczek erklärt die Nähe zur CDU bei den Führungsfrauen der drei katholischen Verbände Kolping, kfd und KDFB so: „CDU-Frauen haben oft eine natürliche Nähe zur Kirche.“ Sie ergänzt: „Auch ich habe mich in der Katechese engagiert, als unsere Kinder klein waren. Ich habe jahrelang als Lektor einen kleinen Beitrag leisten können.“
Karliczek, die erst im Frühjahr in den KDFB eingetreten ist, will, wenn sie gewählt wird, „die vorhandene Power, das Engagement und die Expertise aller Mitglieder des KDFB aufgreifen, um unseren Verband in die Zukunft zu führen“. Dazu gehörten eine moderne Organisation und eine positive Mitwirkung beim gesellschaftlichen und kirchlichen Diskurs. Es sei positiv, „wenn ein bekanntes Gesicht auf Bundesebene an der Spitze steht“. Dass es eine echte Wahl gibt, begrüßt sie: „Demokratie und Wettbewerb waren und sind mir immer wichtig.“
Ulrike Gerdiken kann als Professorin für „Kulturelle Bildung und Medienbildung“ an der Katholischen Hochschule Mainz (KH) eine solche Bekanntheit nicht für sich in Anspruch nehmen. Vielleicht aber eine Traditionslinie: Die KH Mainz hat schon einmal eine Präsidentin des traditionsreichen, 120 Jahre alten Verbands gestellt: Hanneliese Steichele war von 1977 bis 2008 Professorin an der KH und von 1999 bis 2003 Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbunds.
Die 1974 in Paderborn geborene Ulrike Gerdiken wohnt in Frankfurt am Main und singt dort im Vocalensemble am Kaiserdom und im Vocalensemble Liebfrauen. Seit sechs Jahren ist sie im KDFB und dort Sprecherin der Einzelmitglieder im Bundesverband. Für sie ist der KDFB der Zukunft ein „Frauenverband mit katholischen Wurzeln“, offen für alle Frauen. Das Motto der Feministin: „Politik ist der Wille der Frauen zur Freiheit!“
Anja Karliczek betont den Einsatz, der zur Reform der Kirche nötig sei: „Jetzt gilt es, einen Beitrag dafür zu leisten, die Kirche von innen zu reformieren und sie wieder in die Mitte unserer Gesellschaft zu führen. Sie wird gebraucht, mehr denn je.“
Ulrike Gerdiken möchte, dass der KDFB bei der Kirche die Finger in die Wunde legt. Bei ihr klingt das so: „gegen toxische männliche und diskriminierende Systeme“. Der KDFB soll sich als kirchlicher Ort verstehen, der Frauen eine Glaubensheimat bietet. Frauenpolitisch soll er eine starke Stimme sein für soziale Gerechtigkeit, Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Lohn, Frauengesundheit, Parität in der Politik und zukunftsweisende politische Bildung.
Anja Karliczek betont, die Situation von Frauen in der Gesellschaft sei nach wie vor fragil. Alte Rollenmuster, das habe die Pandemie gezeigt, kehrten schnell wieder zurück. Sie will Frauen bestärken, „dass sie ihre eigenen Wege gehen und eigene Wünsche leben sollen“.
Vizepräsidentin – das ist keine Option
Bei der Delegiertenversammlung wird der Bundesvorstand für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Auch fünf von sechs Vizepräsidentinnen werden gewählt. Die Vorsitzende aus Bayern ist qua Amt Vizepräsidentin, denn hier ist der Verband besonders stark. Rund 145 000 Mitglieder zählt der KDFB. Sie sind in 1500 Zweigvereinen in 21 Diözesen präsent. Wie in anderen Verbänden hat die Mehrheit der Mitglieder ein hohes Alter.
Ulrike Gerdiken will nicht Vizepräsidentin werden. Wer die Vizepräsidentschaft als Möglichkeit erwäge, werde nicht zur Präsidentin gewählt, sagt die Katholikin, die lange in der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) aktiv war.
Aktualisierung vom 23. Oktober:
Die Bundesdelegiertenversammlung des Katholischen Deutschen Frauenbunds e.V. (KDFB) hat am 22. Oktober einen neuen Bundesvorstand gewählt. Neue Präsidentin ist Anja Karliczek. Sie folgt auf Maria Flachsbarth, die satzungsgemäß nach zwölf Jahren nicht erneut für das Amt kandidieren konnte.
Folgende Themen, mit denen sich der KDFB intensiv beschäftigt, seien ihr wichtig, sagte Karliczek: die gleichberechtigte Mitwirkung von Frauen in allen Lebensbereichen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die gleichberechtigte finanzielle Anerkennung der Arbeit von Frauen sowie die Öffnung aller Weiheämter für Frauen.
Die 52-jährige Karliczek aus Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags für die CDU/CSU-Fraktion. Ihr bestehendes Netzwerk in der Bundespolitik will sie weiter nutzen, um die Forderungen des Frauenbunds auf Bundesebene präsent zu halten.
Aus dem bisherigen Bundesvorstand schieden Rose Schmidt, Sabine Slawik und Ulrike Stowasser als Vizepräsidentinnen aus. In dieser Funktion wiedergewählt wurden Monika Arzberger und Ute Zeilmann. Neu als Vizepräsidentinnen gewählt wurden die CSU- Politikerin Martina Englhardt-Kopf, die Mitglied im Bundestag ist, Annette Fischer und Lisa-Marie Singer. Dorothee Sandherr-Klemp wurde als Geistliche Beirätin in ihrem Amt bestätigt, die Beauftragung durch die Deutsche Bischofskonferenz ist beantragt.
Professorin Dr. Ulrike Gerdiken aus Frankfurt/Main, die ebenfalls für das Amt der Präsidentin kandidiert hatte, schrieb auf Facebook: "Das Ergebnis war denkbar knapp: 41 Stimmen für Anja Karliczek, 38 Stimmen für mich. Das ist ein sehr gutes Ergebnis für mich und vor allem für unseren Verband. Die Frauen haben intensiv diskutiert, sie haben sich mit ihrem eigenen Verbandsverständnis auseinandergesetzt, sie haben Stellung bezogen. Kurz gesagt: Sie haben demokratisch Politik gemacht." (pm/nen)