Zur Priesterweihe von Claretinerpater Vinoraj Arulnesan

„An erster Stelle sind wir Priester Diener“

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Priesterweihe in Sri Lanka
Nachweis

Fotos: Privat

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Vinoraj Arulnesan, sieben Mitbrüder der Claretiner und zwei weitere Priesteramtskandidaten bei ihrer Weihe in Mannar, Sri Lanka.

Claretinerpater Vinoraj Arulnesan wuchs als Flüchtling im eigenen Land – Sri Lanka – auf. Im Mai wurde er dort zum Priester geweiht und ist nun Vikar in Wittenberg im Bistum Magdeburg. Im Interview erzählt er, was es bedeutet, als Missionar aus einem von Bürgerkrieg geprägten Land in Deutschland zu sein.

Sie kommen ursprünglich aus Sri Lanka und haben in Frankfurt am Main Theologie studiert. Wie sind Sie im Bistum Magdeburg gelandet?

Ich stamme aus dem Bistum und District Mannar im Nord-Westen Sri Lankas. Dort trat ich der Kongregation der Claretiner bei. Wir sind ein missionarischer Orden und unsere Gemeinschaft gibt es in mehr als 70 Ländern. Eine der deutschen Delegationen befindet sich seit 1991 in Sri Lanka. An andere Orte gesandt zu werden, ist ein Hauptteil unserer Berufung.

Was bedeutet es für Sie, als Missionar in einem christlich geprägten Land tätig zu sein?

Der Begriff ‚missionieren‘ ist sehr kompliziert und problematisch. Das Wort ist immer auch mit Kolonialismus verbunden. Ich habe ,,Mission“ vor meinem Theologiestudium als identisch mit „Entwicklungshilfe“ verstanden. Es fiel mir schwer, mit diesem Verständnis in ein hochentwickeltes Land zu kommen. Ich fragte mich ständig: Was soll ich tun? Aber Mission bedeutet auch, einfach da zu sein, mit meinem Glauben, meiner Spiritualität und auch meinen Fragen. Als junger Mann war das gar nicht so leicht.

Im Laufe der Zeit habe ich außerdem verstanden, dass auch Deutschland ein Missionsland ist. Wir hatten hier lange Zeit eine triumphale Kirche. Doch in den letzten Jahrzehnten ist die Kirche in eine Krise geraten. Vieles, was ich in Frankfurt über die Kirche las, war negativ oder skandalbehaftet. Da fragte ich mich: Was mache ich hier eigentlich? Die deutsche Kirche zu verstehen, war eine Herausforderung.

In Sri Lanka sind Katholiken mit sieben Prozent der Bevölkerung landesweit eine Minderheit. Im Bistum Magdeburg liegt der Katholikenanteil bei drei Prozent. Wie haben Sie Diaspora in Ihrer Heimat wahrgenommen?

Ein christliches Leben als Minderheit habe ich persönlich nie erlebt. Zwar sind 70 Prozent der Menschen in Sri Lanka Buddhisten, gefolgt von 20 Prozent Hindus. Die Region Mannar ist durch ehemalige portugiesische Kolonien allerdings katholisch geprägt. Trotzdem weiß ich, wie es ist, einer Minderheit anzugehören: Ich gehöre zu den Tamilen, einer Bevölkerungsgruppe in Sri Lanka. Die Singhalesen sind jedoch die Mehrheit. Seit der Unabhängigkeit Sri Lankas von Großbritannien 1948 gab es zwischen den beiden Völkern große Spannungen. Beide haben eine ähnliche Geschichte, aber in einer Demokratie bestimmt immer die Mehrheit. So bin ich als Kind während des Bürgerkriegs in einem Flüchtlingslager aufgewachsen. Dadurch trage ich Diaspora ganz nah an meinem Herzen und kann auch die Trennung zwischen Ost- und Westdeutschland verstehen.

Wieso sind Sie Claretiner geworden?

Ich wollte schon als Kind zu Kriegszeiten Priester werden. Wir wurden gewaltsam unterdrückt, doch in dieser Zeit war die Kirche ganz nah bei uns. Sie war ein sicherer Ort, egal, ob man Christ oder Hindu war. Dort, wo die Kirche war, wurden wir nicht attackiert. Die Priester waren immer bei uns und ich bemerkte: Priester sein bedeutet, mit Menschen zu sein! Zwischenzeitlich war ich etwas orientierungslos, doch nach der Schule wusste ich, ich muss jetzt eine Entscheidung treffen. Bei den Claretinern war bereits ein Verwandter von mir und so trat ich 2009 in das Priesterseminar in Negombo im Süden Sri Lankas ein.

Der volle Name der Claretiner lautet „Söhne des unbefleckten Herzens der seligen Jungfrau Maria“. Welche Rolle spielt Maria für Sie?

Ich bin quasi im Schoß der Mutter aufgewachsen. Unser Flüchtlingslager war in einer Marienpilgerstätte in Madhu. Als ich ein Kind war, beteten wir als Familie jeden Tag den Rosenkranz. Maria ist für mich der Ort, an dem ich meinen Glauben entdeckt habe. Der heilige Antonius Claret, mein Ordensgründer, sagte mal: „Maria ist für mich alles nach Christus“.

„Bei euch soll es nicht so sein“ ist Ihr Weihespruch. Was verbinden Sie damit?

Claretinerpater Vinoraj ArulnesanIch wurde in einer Zeit zum Priester geweiht, in der die Welt so viel Gewalt, schamlose Kriege und den Verlust unzähliger Menschenleben erlebt. Ich denke, all das geschieht wegen des menschlichen Strebens nach Macht und Kontrolle. Es geht immer um die Frage: Wer ist der Mächtigste, der Größte oder der Einflussreichste unter uns? Doch Jesus hat uns gewarnt und seinen Jüngern im Matthäusevangelium eindeutig geboten: „Bei euch soll es nicht so sein.“ Sogar innerhalb der Kirche erleben wir viele Konflikte, Diskussionen und Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit Macht. Das ist menschlich und auch als Priester hat man Macht, die man missbrauchen kann – darüber müssen wir sprechen. Aber an erster Stelle sind wir Priester Diener. Es ist die christliche Botschaft für die Welt und meine Identität als Priester in der Kirche: Dienen! Weil ich in diese Zeit gehöre, finde ich diese Worte ganz aktuell und wichtig.

Und welches Gebet beten Sie am liebsten?

Das Vaterunser! Als Ordensmann bin ich es gewöhnt, viel in Gemeinschaft zu beten. Hier hingegen bete ich allein. Dann öffne ich das Fenster, von dort aus kann ich unsere Kirche und die beiden historischen Kirchen Wittenbergs sehen. Und in der Stille kommt das Vaterunser zu mir, das mich nicht nur mit Gott verbindet, sondern auch mit den Menschen.

Bis Sie 18 wurden, haben Sie nur Tamil gesprochen, anschließend lernten Sie Englisch und später Deutsch. Gibt es etwas, das Ihnen an der deutschen Sprache besonders gefällt?

Im Deutschen werden oft positive Worte verwendet. Insbesondere das Wort „Hoffnung“ trägt hier eine große Bedeutung. Ich glaube, das hat mit der deutschen Geschichte zu tun und wurde für die Politik und Theologie nach dem Zweiten Weltkrieg wichtig. Das ist auch mein Lieblingswort in der deutschen Sprache. Sowohl in der Theologie als auch in der säkularen Welt kommt es oft vor. Denn egal, ob man an Gott glaubt oder nicht: Das Wort „Hoffnung“ kann man überall verwenden.

Und gibt es ein Wort, das Ihnen besonders schwer fällt?

Das erste deutsche Wort, das ich kennenlernte, war „Entschuldigung“. Das ist so ein lang. Da dachte ich erstmal: Deutsch wird nicht meins.

Johanna Marin