Anstoß 12/2025
Ei-Krümel


Pastoralreferentin in Berlin
Bei Hundswetter wird die Pforte geöffnet. Hungrige Gäste strömen herein. Ein Gast ist auf Krawall gebürstet. „Hey, euer Laden hat mich zu einem Bier eingeladen. Das wusstet Ihr vielleicht nicht.“ Der Mann scheint hackedicht und riskiert damit den Rauswurf. „Hier gibts Kartoffelsuppe. Mit Ei“, kontere ich. Ein Freiwilliger serviert ihm den Teller. „Oh, wie krass, ein Ei! Darf ich das sofort essen?“ Seine Stimme ist nun ganz sanft. Mit einem „Happs“ verschwindet das Ei im Mund. Naja, nicht ganz. Ein paar Reste des Eigelbs krümeln in seinen Mundwinkeln. Dann trifft uns sein dankbarer Blick: „Wie heißt Ihr? Soll ich mal für euch beten?“
Wir „Leute von der Kirche“ haben bei unseren Gästen einen ganz guten Stand. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sie das Gebet suchen und von uns annehmen. Heute ist es aber umgekehrt: Der Mann breitet seine straßenverschmutzten Hände über uns aus, schließt die Augen und spricht seine Segensworte. Worte voller Liebe und Sanftmut, die mitten in unsere Herzen strömen. Für mich wirkt hier Gottes Heiliger Geist.
„Machts gut!“ Immer noch haftet Eigelb an seinen Mundwinkeln. „Du auch“, erwidern wir: „Und danke fürs Gebet!“ Das Ei ist im Christentum Symbol für die Auferstehung. Wenn wir doch in Krisenzeiten alle solche Eigelbkrümel mit uns tragen. Er zieht weiter. Ein gewandelter Mensch. Ich bleibe staunend zurück. Im Strom heiliger Geistkraft können wir unser Leben erneuern. Sogar Krawallbürsten werden zu Aposteln!