Anstoß 08/2025
Jordanien, die Sioux und Paulus


Senderbeauftragter der katholischen Kirche beim Mitteldeutschen Rundfunk
Wir reden über den nächsten Urlaub. „Ich will mal nach Jordanien“, sagt der eine. „Da würd ich nie hin“, antwortet der andere überrascht. „Wieso nicht“, frage ich. „Weil es da bestimmt krass ist“, sagt er. Schon sind wir in einem Gespräch über das Land am Jordan.
Drei Männer – drei Brötchen – drei Meinungen. Was uns eint: Wir waren noch nie in Jordanien. Aber in unseren Köpfen laufen verschiedene Filme ab. Der Erste sieht vielleicht Wüsten und Kamele, der Zweite verschleierte Frauen vor Moscheen, der Dritte Städte voll hupender Motorräder und bunter Basare. Könnten Jordanier diese Filme sehen, würden sie den Kopf schütteln. Wahrscheinlich hat das alles wenig mit ihrem Land zu tun.
Die Sioux, die sehr weit von Jordanien weg leben, haben ein schönes Sprichwort. „Urteile nie übe einen Menschen, ehe du nicht ein paar Kilometer in seinen Mokassins gelaufen bist.“ Jeder Mensch ist hat seine eigenen Geschichten, Macken, Stärken, Träume. Schon meine Nachbarin ist anders als ich. Was uns eint, ist auch unsere Verschiedenheit. Viel mehr als Herkunft und Sprache.
Der Apostel Paulus hatte es oft mit Menschen zu tun, die es gerne zu einfach hätten. Denen am besten jemand sagt, wie es ist. Sein Rezept ist einfach und schwierig zugleich: „Prüfe alles, das Gute behalte.“ Das heißt auch, immer mal die Perspektive zu wechseln, neugierig sein für neue Erfahrungen und Ansichten.
Den Sioux-Spruch mit dem Schuhwechsel kann man auch auf Länder anwenden. „Urteile nie über ein Land, wenn du es nicht wenigstens ein paar Tage erlebt hast.“