Was uns diese Woche bewegt
Der Krieg ist sein Freund
An den Krieg mitten in Europa haben wir uns leider gewöhnt. Die Drohnenschwärme, die Raketen und Marschflugkörper, mit denen Russland die Ukraine unvermindert angreift – wir nehmen diese Bilder seltener mit in den Schlaf. Die brennenden Wohnhäuser sind weit weg, die Schicksale Zehntausender getöteter Soldaten und Zivilisten werden zu abstrakten Zahlen. Wir Menschen halten es nicht aus, auf jedes Grauen gleich intensiv zu reagieren. Wer nicht direkt betroffen ist, schaut irgendwann weg. Das ist keine Kritik, sondern Realität.
Woran ich mich nicht gewöhnen werde: wenn jemand seine Meinung herausposaunt und Fakten ignoriert. Es ist wichtig, dass wir in einer freien Gesellschaft um die besten Argumente streiten. Respektvoll, verantwortungsvoll, leidenschaftlich – und faktenbasiert. Hier sind wir Journalisten gefordert. Wenn wir gut berichten, einordnen und Zusammenhänge verständlich erklären, können Menschen mitdiskutieren.
Für die Mehrheit der Menschen ist Frieden ein Normalzustand und Krieg eine unerträgliche Anomalie, die man schnellstens beenden muss. Die Ukrainer sehnen sich nach Frieden. Aber der Vernichtungskrieg hält an. Weil Wladimir Putin nicht einfach aufhören kann. Der Krieg ist sein Freund, sein zentrales Machtmittel. Von den 25 Jahren seiner Herrschaft bis heute hat er 20 Jahre lang Krieg geführt: in Tschetschenien, in Georgien, in Syrien und seit 2014 in der Ukraine.
Systematisch hat er das Feindbild Westen aufgebaut. Es ist seine Geschichtserzählung, seine Machtgrundlage und seine Dauerkarte für den Kreml. Deshalb lässt er alle internationalen Friedensvermittler auflaufen, droht dem Westen mit Atomwaffen und überzieht vor allem Deutschland mit einem hybriden Krieg. Der russische Herrscher wird alles tun, um das Szenario einer dauerhaften europäischen Friedensordnung zu verhindern. Er will Europas Grenzen verschieben. Und nein, das ist keine "westliche Propaganda"!
Wer tiefer in das Thema eintauchen möchte, dem empfehle ich zum Beispiel das Buch „Eisiges Schweigen flussabwärts“ von Michael Thumann, Moskau-Korrespondent der Wochenzeitung „Die Zeit“. Er schreibt: „Man stelle sich vor, Putin müsste unter verschärften Bedingungen eines wirklichen Friedens mit der Ukraine und dem Westen regieren. Seine Wende nach Osten würde sofort ins Stocken geraten. Russische Geschäftsleute würden versuchen, die alten Verbindungen nach Westen wieder aufleben zu lassen. Es ließe sich nicht mehr begründen, warum das Regime der gesamten Bevölkerung einen Maulkorb vorschreibt. Die auf Kriegsbedürfnisse getrimmte Industrie des Landes müsste schmerzhaft zu einer Friedenswirtschaft umgebaut werden (…). Putin müsste sich mit den Niederungen des friedlichen Alltags herumschlagen: Versorgung der Kriegsversehrten, Erhöhung des Rentenalters, Reparatur des Gesundheitssystems, Rückbau des krakenhaft gewachsenen militärisch-industriellen Komplexes, Stabilisierung des Rubels (…). Alles Themen, die ihn nicht wirklich interessieren.“
In der Demokratie können und müssen wir streiten. Über Waffenlieferungen, hohe Rüstungsausgaben, Wiedereinführung der Wehrpflicht, das schwierige Thema Nahost. Und uns auch als Christen einbringen. Aber bitte gut informiert, auf der Grundlage von Fakten.