Jugendseelsorge im Bistum Dresden-Meißen
Jugendliche sind unsere Gegenwart

„Jugendliche sind nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart.“ Diese Ansicht teilt Michael H. Kreher mit dem gerade verstorbenen Papst Franziskus. Seit letztem August ist der Kaplan für die Jugendlichen zwischen Zittau und Kahla, von Leipzig bis Markneukirchen Ansprechpartner. Als Diözesanjugendseelsorger ist er Teil des Teams der Bistumsabteilung Kinder-Familie-Jugend, Spiritual der Dresdner Kapellknaben und Hausgeistlicher im Winfriedhaus. Dabei sei ihm die Grundhaltung wichtig: „Wir freuen uns, dass ihr da seid!“
Aus der Perspektive junger Menschen denken
Michael H. Kreher, der eher bedacht und leise redet, versprüht Freude, wenn er über junge Menschen spricht. Vorurteile der Älteren wehrt der 36-Jährige ab: „Die Jugendlichen von heute haben ein gutes Gespür für sich selbst und gehen verantwortlich mit sich selbst um. Sie nehmen nicht alles hin, weil es immer schon so war, sondern fragen auch in der Kirche und in Sachen Spiritualität: Bekomme ich, was ich brauche? Wenn das passiert, bringen sie sich ein; wenn nicht, suchen sie sich etwas anderes.“ Das sei erst einmal unbequem für die Kirche, gibt der Priester zu, aber letzten Endes doch gut, weil junge Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
„Wenn wir Jugendliche erreichen wollen – und das ist unser Auftrag – müssen wir versuchen, aus der Perspektive junger Menschen zu denken.“ Er versuche beispielsweise, sie in die Vorbereitung von Angeboten einzubeziehen, auch wenn das herausfordert. „Aber meine Erfahrung ist, dass Gleichaltrige sie besser ansprechen können.“ Beim Weltjugendtag 2023 in Lissabon habe er Jugendliche begleitet und anfangs nur schwer überzeugen können, auch mal tratidionelle Gebetsformen auszuprobieren. Denn jeder müsse die Form von Gebet finden, die zu ihm passt. „Als dann unsere jungen Gastgeber begeistert über den Rosenkranz sprachen, waren plötzlich auch meine deutschen Jugendlichen ganz motiviert, ihn zu beten.“
Althergebrachte Formate versucht Kreher ehrlich anzuschauen. „Eltern sagen manchmal: Das war immer so toll, da sind immer viele hingekommen! Bei solchen Veranstaltungen braucht es vielleicht ein Update. Auch habe ich eingeführt, dass wir bei der Jugendvesper, die vierteljährlich in Wechselburg stattfindet, nachzählen, wie viele denn tatsächlich kommen.“ So könne man nachvollziehen, ob Angebote realistisch geplant sind. Alternative Formate seien ihm wichtig, etwa Jugendgottesdienste, Musik oder Taizétreffen. „Die Brüder in Taizé haben ein unglaubliches Vertrauen in die Jugend. Sie sagen: Das sind großartige Menschen. Das spüren die Teilnehmer. So authentisch will ich auch sein“, sagt Michael H. Kreher begeistert.
Räume öffnen, in denen andere Gott spüren können
Deshalb fordert er, dass junge Menschen in den Gremien der Kirche vorkommen. Und er kommt zu dem Schluss: „Sie sollten ihre eigenen Wege finden, auch wenn die Art zu glauben, anders ist als meine.“ Dieses Grundvertrauen zieht der Kaplan direkt aus seiner Gotteserfahrung. Bei seiner Priesterweihe vor vier Jahren wählte er den Jesus-Satz aus Lukas 22: „Ich aber habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht erlischt.“ Bis heute ist er überzeugt, dass Gott letzten Endes seinen Weg mit jedem Menschen geht. „Ich bin mir sicher, dass die institutionalisierte Kirche in zehn bis 20 Jahren sehr anders aussehen wird als heute. Aber Gott hat der Kirche seinen Segen verheißen, darum mache ich mir keine Sorgen um sie“, sagt Kreher. „Die Lebensumstände der Menschen um uns herum ändern sich. Für mich gehört es dazu, dass wir uns als Kirche mit ihrer Lebenswelt auseinandersetzen und uns ihren Fragen nicht verschließen.“ In Fragen der Sexualmoral habe die Kirche das Vertrauen der Menschen längst verloren. „Ich muss über niemanden als Moralapostel urteilen. Das ist Aufgabe des barmherzigen Gottes.“ Entscheidender sei, dass sich Kirche zu Menschenrechtsverletzungen, Hunger und Armut zu Wort melde oder zum Frieden mahne. Für ihn als Seelsorger seien nicht theologische Grabenkämpfe wichtig, sondern die Frage: „Wie kann ich Räume öffnen, so dass Menschen Gott spüren können?“
Gott macht ein Angebot zu einem gelingendem Leben
Michael H. Kreher hat diese Suche nach Gottesbegegnung selbst erlebt. Evangelisch getauft und aufgewachsen in einer Familie, in der der Glauben keine zentrale Rolle spielte, entschied er sich trotzdem für ein Theologiestudium. Als er nach zwei Jahren Vorstudium nahe Hannover zurück in seine Heimatstadt Leipzig kam, fand er zunächst keinen Anschluss mehr an seine Gemeinde und suchte auch in verschiedenen Freikirchen nach seinem Platz. Als ihn Freunde in eine Rorate-Messe um 5 Uhr morgens in die Katholische Studierendengemeinde einluden, habe er sofort eine große innere Ruhe vor Gott gespürt. Und das, obwohl die kleine Hauskapelle völlig überfüllt war. Es begann ein langer Prozess, in dem er prüfte, ob er konvertieren und schließlich auch katholische Theologie studieren wollte. Zu beidem fand er durch gute seelsorgerliche Begleitung sein Ja. Auch zu der Berufung zur Ehelosigkeit. Kreher ist bis heute überzeugt: „Gott hat eine großartige Idee für unser Leben. Wenn wir dieser Spur folgen, werden wir zu jenen Menschen, die wir sein wollen und als die wir von Gott erdacht wurden. Das Fragen und Ringen war mein Weg. Der Zölibat gehört zu meiner Berufung, ist aber keine Entscheidung gegen Familie, sondern für das Priestersein, weil meine Sehnsucht mehr dahin strebt.“ Zu seinen Aufgaben im Bistum gehört neben der Jugend-, auch die Berufungspastoral, er versucht also junge Menschen für kirchliche Berufe zu begeistern. „Ich fasse das sogar weiter: Gott macht uns ein Angebot für ein gelingendes Leben. Mir ist es wichtig, junge Menschen dabei zu begleiten.“
