Weihnachtskrippe der Sankt Hedwigs-Kathedrale

Eine Krippe für den Kaiser

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Figuren der Neapolitanischen Krippe der Sankt Hedwigs-Kathedrale
Nachweis

Foto: Konstantin Manthey

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Die "Neapolitanische Krippe“ ist in der Krypta der Sankt Hedwigs-Kathedrale zu sehen.

Eingemauert, vergessen, wiederentdeckt: die „Neapolitanische Krippe“ der Sankt Hedwigs-Kathedrale.

„Das wirkt ja wie eine Theaterbühne, nur ohne Kulissen“, sagt eine Frau, die sich die Krippe anschaut. Ihr Sohn begeistert sich für das Jesuskind, Maria und die Schafe. „Aber der Stall fehlt“, bemängelt der Sechsjährige. Die insgesamt 34 Figuren erzählen von der Menschwerdung Gottes mitten im Gewimmel eines sizilianischen Marktplatzes: Marktfrauen, noble Damen und Herren, Menschen mit Beeinträchtigungen, Kinder; Musikanten spielen. Ihre Gewänder aus edlen Stoffen wurden historisch genau restauriert. „Guck mal, Mama, Maria hat Sandalen an.“ Der Junge hat den Fuß Mariens entdeckt, der unter ihrem Rock hervorlugt.

Der Theologe und Kunstgeschichtler Konstantin Manthey hat sich mit dem „Krippenweg“ bis nach Sankt Hedwig befasst: „‚Kaiserkrippe‘ wird diese Krippe genannt, weil sie wohl dem Kaiserhaus gehört hat. Das kam so: Der Münchner Krippensammler Max Schmederer schenkte Kaiser Wilhelm II. eine kleine Krippe. Daraufhin bot ein Adolf Leinhaas dem Kaiserpaar seine Krippenfiguren ebenfalls an. Diese kamen schließlich hierher.“ Nach der Flucht des Kaisers ins Exil blieb die Krippe im Berliner Museum für Deutsche Volkskunst. Da 1930 das Bistum Berlin errichtet und Sankt Hedwig bis 1932 zur Kathedrale umgebaut wurde, sei der Ankauf der „Kaiserkrippe“, deren älteste Figuren aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammen, logisch gewesen: „Stolze 5500 Reichsmark hat sie gekostet. Die Summe entsprach etwa dem halben Jahresgehalt eines Dompropstes.“

Nach Kriegsbeginn wurde das kostbare Inventar in der Krypta eingemauert; man fürchtete die Bombardierung. Nach 1945 ließ sich ein sowjetischer Offizier die eingelagerten Gegenstände zeigen und empfahl dem Dompropst, sie wegen der Plünderungen an einen sicheren Ort zu bringen. Dem Rat folgend, wurden die Schätze von Sankt Hedwig in das öffentlich nicht zugängliche Kloster St. Gabriel in Berlin-Westend gebracht. „Später landete die Krippe in St. Kamillus Berlin-Charlottenburg“, erzählt Manthey. „Frauen vom Paramentenkreis der Gemeinde besserten die Gewänder aus, kleideten Figuren neu ein, alles mit Stoffen aus den 1980er Jahren, also mit hohem Kunstfaseranteil.“

Im Rahmen der Wiedereinweihung von Sankt Hedwig interessierte sich das Metropolitankapitel für die ausgelagerten Ausstattungsstücke und die wertvolle Krippe. Aufgrund von Einfuhrschwierigkeiten kehrte sie aber erst Mitte der 1990er zur Kathedrale zurück. Danach geriet die Krippe in Vergessenheit, bis ihre Figuren 2012 im Keller des Bernhard-Lichtenberg-Hauses entdeckt wurden. Studenten des Studiengangs Restaurierung der Fachhochschule Potsdam katalogisierten und sicherten die Figuren im Rahmen einer Bachelor-Arbeit über die „Kaiserkrippe“.

Acht Jahre lang wurde die Krippe Stück für Stück restauriert, bis sie zur Wiedereröffnung der Kathedrale 2024 ihren Platz im Kapellenkranz der Krypta fand. Aufgegriffen wurde das Prinzip der Communio: Im Zentrum der Kapelle stehen das Kind, Maria und Josef, um sie im Halbrund die anderen Figuren. Zusammen mit den Besuchern davor bilden sie eine Gemeinschaft, die sich um die Heilige Familie schart.

Juliane Bittner