Roma-Projekt der Caritas in Altenburg

Tatkraft und Improvisation

Aytac Ismailova (links) und Maiia Krycunenko

Foto: Ruth Weinhold-Heße

Aytac Ismailova (links) und Maiia Krycunenko in der Migrationsberatungsstelle der Caritas in Altenburg.

Die Mitarbeiter von der Caritas-Migrationsberatung in Altenburg sind Profis. Sie beraten nicht nur Flüchtlinge, sondern suchen auch da Lösungen, wo unerwartet Hürden auftauchen. Deshalb gründeten sie ein Angebot für Roma aus der Ukraine – in Thüringen ein Pionier-Projekt.

Aytac Ismailova lebt seit 25 Jahren in Altenburg. Die fröhliche Frau mit den dunklen Locken ist in Aserbaid-schan geboren und in Georgien aufgewachsen. Sie ist gelernte Krankenschwester und arbeitet als Sprach- und Kulturmittlerin der Caritas. Kurz nach ihrer Ankunft, fing sie ehrenamtlich an. „Ich betreue fast alle“, sagt sie. Neben ihrer Muttersprache spricht sie Russisch, Türkisch, Georgisch und neuerdings Ukrainisch. Sie ist Teil eines großen Teams – die meisten mit Migrationshintergrund – das anerkannten Flüchtlingen und Asylsuchenden hilft, sich hier zurecht zu finden. Der Bedarf an Beratung ist groß, die Hürden vielfältig, mehrere Flüchtlingswellen hat sie miterlebt. Aytac ist aber eine Frau, die Improvisation und Tatkraft auszeichnet.

Als am 24. Februar 2022 Russland die Ukraine angriff, dauerte es beispielsweise nur zwei Tage bis das Landratsamt Altenburg Volker Liebelt anrief, den Teamleiter für die Migrationsberatung des Caritasverbandes in Ostthüringen. Die ersten Flüchtlinge waren da. „Als die Privatunterkünfte nicht mehr reichten, musste ein professionelles Konzept her“, so Liebelt. Und Profis seien sie ja bei der Caritas. Eine ehemalige Altenburger Berufsschule wurde Notunterkunft.

Herausforderungen des Alltags

Liebelt und sein Team kennen die Herausforderungen, den Alltag zu meistern zwischen Wohnungssuche, Aufenthaltsgenehmigungen und der Anerkennung von Berufsabschlüssen. Er kritisiert, dass Letzteres viel zu schleppend verlaufe, so dass Arbeitskräfte nicht schnell genug in den Arbeitsmarkt integriert würden. Allein die Wartezeit auf Sprachkurse sei viel zu lang. Das schade allen – Einheimischen und Flüchtlingen. Dabei sucht der Caritasverband in Ostthüringen selbst händeringend Pflegefachkräfte. „Die, die aus der Ukraine kommen, sind überwiegend gut qualifiziert“, so Liebelt.

Die nächste Hürde: In der Notunterkunft kam es zu Spannungen, nachdem im Juni 2022 die erste Roma-Familie aus der Ukraine ankam. Auf engem Raum treten Konflikte offener zutage. Die Caritas konnte den Roma mit Hilfe des Landratsamtes ab Februar 2023 eine seperate Unterbringung anbieten. Liebelt erzählt: „So ein Projekt funktioniert nur, wenn man eine Respektperson als Ansprechpartner hat, die von den Menschen auch akzeptiert wird.“ Da kam Aytac Ismailova zu Hilfe. In der Notunterkunft hatte sie die Romni Maiia Krycunenko kennengelernt, eine ältere Frau, die von allen geachtet wird. Sie war im August 2022 nach Altenburg gekommen und arbeitet inzwischen für das Projekt mit dem offiziellen Namen „Stärkung des Empowerments von geflüchteten Ukrainer*innen mit Romno-Hintergrund im Landkreis Altenburger Land“. Dabei spricht Maiia kaum Deutsch, aber die Zusammenarbeit funktioniere ausgezeichnet, sagt Volker Liebelt.

Aytac erzählt, dass es durchaus Vorurteile von Deutschen gab, Anschuldigungen konnten aber aufgeklärt werden. Ebenso hatten die Roma aus der Ukraine Angst, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Aufgrund falscher Infos dachten sie, das Jugendamt würde ihnen die Kinder wegnehmen. Da konnten sie laut Aytac Vertrauen aufbauen. „Die meisten Roma-Ukrainer haben akzeptiert, dass es gut ist, was wir für sie tun“, sagt sie.

Volker Liebelt betont: „Die Sinti und Roma sind zwar eine relativ kleine Gruppe, aber eine vergessene Gruppe.“ Das gelte für Deutschland, aber eben auch für die Ukraine. Die Hildegard Lagrenne Stiftung (Berlin), die sich gegen Ausgrenzung der Sinti und Roma einsetzt, unterstützt das Projekt. Durch diese Zusammenarbeit kam es, dass Aytac und Maiia Anfang April den damaligen Europaabgeordneten Romeo Franz (Grüne) im Europaparlament besuchten.

Das gesellschaftliche Klima vor und nach den Landtagswahlen in Thüringen macht Volker Liebelt Sorgen. „Bei den Montagsspaziergängen sehe ich hassverzerrte Gesichter, es hängen russische Fahnen in der Stadt und als Höcke im Wahlkampf in Altenburg war, haben die Mülltonnen des ukrainischen Lokals gebrannt.“ Er fordert mehr finanzielle Unterstützung vom Bund – gerade dann, wenn Landesmittel gekürzt werden sollten.

Ruth Weinhold-Heße