Oblaten verlassen den Binger Rochusberg

Abschied mit Wehmut

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In diesen Sommertagen packen Pater Volker Stollewerk und Pater Elmar Theisen ihre Sachen. Die beiden Oblaten-Patres verlassen im Herbst den Binger Rochusberg. Damit endet eine mehr als 100-jährige Ära. Von Anja Weiffen



Das Kloster St. Rupertus wurde 1907 als Priesterheim errichtet. 1919 holte der Binger Stadtpfarrer Michael Eich die Oblaten auf den Rochusberg.


Allein 30 Quadratmeter Flur hat die erste Etage, schätzt Volker Stollewerk. „Solche riesigen Flure würde heute kein Mensch mehr anlegen“, findet der Oblatenpater. Für ihn und seinen Mitbruder Pater Elmar Theisen stehen rund 450 Quadratmeter Wohnfläche auf zwei Etagen zur Verfügung. „Im Keller gibt es eine große Küche.“ Diese Wohnverhältnisse „sind absolut unwirtschaftlich“, sagt Stollewerk. Als Ökonom der kleinen Klostergemeinschaft kennt er sich gut mit Zahlen aus und setzt noch eins drauf: „Wir verbrauchen mehr als 13 000 Liter Heizöl im Jahr.“ Stollewerk weist auch auf die aktuelle Energiekrise. „Zwar haben wir das Haus günstig von der Binger Basilika-Gemeinde gemietet, aber die Lebenshaltungs- und Nebenkosten schießen durch die Decke. Bei den aktuellen Preisen ist das Wahnsinn.“

„Ich würde noch zehn Jahre hierbleiben“

Dass das Oblatenkloster St. Rupert auf dem Binger Rochusberg aufgegeben wird, war bereits im vergangenen Herbst klar. Jetzt steht der Abschiedstermin fest. Zum 31. August soll das Kloster aufgelöst werden. Die beiden letzten Bewohner werden danach nach Hünfeld ins Bistum Fulda, in das dortige Mutterhaus der Oblaten in Deutschland, übersiedeln.


Die Oblatenpatres Volker Stollewerk und Elmar Theisen verlassen den
Binger Rochusberg und ziehen nach Hünfeld. Foto: Irmgard Erff

Eine Verabschiedung hat Pater Stollewerk bereits hinter sich, und zwar aus der Pfarrei in Schwabenheim, wo er seit 2019 als Pfarrvikar tätig war. „Ich liebe diese Tätigkeit und die Menschen dort und würde noch zehn Jahre hierbleiben“, sagt Pater Stollewerk. Doch angesichts der knappen Personalsituation, wie sie sich in den Orden vielerorts darstellt, sei es schlicht nicht vernünftig zu bleiben. „Schade. Ich gehe ungerne“, sagt der 68-Jährige.
2003 wurde Volker Stollewerk zum Priester geweiht, da war er 42 Jahre alt. Beruflich begann er als technischer Betriebsleiter im grafischen Gewerbe in Monschau, trat dann 1996 in den Orden der Oblaten ein – genauer gesagt in den Orden der „Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria“, lateinisch „Oblati Mariae Immaculatae“, kurz: OMI. Er hatte damals eine neue Orientierung für sein Leben gesucht. Ein Jahr nach seiner Priesterweihe wechselte er nach Zwickau. Durch einen schweren Unfall dort, er wurde von einem Auto erfasst, konnte er seitdem kaum in seinem Beruf arbeiten. „Meine Tätigkeit als Pfarrvikar in Schwabenheim ist sozusagen meine erste feste Stelle in der Seelsorge. Vorher hatten mich die Unfallfolgen für 14 Jahre quasi kaltgestellt.“ Umso mehr schmerzt es ihn, jetzt diese Stelle zu verlassen.
Pater Elmar Theisen ist seit zwei Jahren im Ruhestand. Der heute 85-Jährige war zwölf Jahre als Seelsorger in Schwabenheim tätig, sozusagen der Vorgänger von Pater Stollewerk dort. Von 2008 bis 2019 war Theisen zudem für Anfragen rund um die Rochuskapelle und die Rochuswallfahrt zuständig. Nach dem Weggang von Pater Günther Kames, für ein knappes Jahr Theisens Nachfolger, war nun eine Nachbesetzung durch einen Oblatenpater von Seiten der Verantwortlichen nicht mehr ge-
plant. Damit war sozusagen das Schicksal des Klosters St. Rupert besiegelt. „Hätte wieder ein Oblatenpater die Wallfahrtsseelsorge übernommen, hätten wir mit mehr Einnahmen durch Gehälter vielleicht noch bleiben können“, erläutert Pater Stollewerk die finanzielle Situation. Auch Pater Elmar Theisen wird den Rochusberg mit viel Wehmut verlassen: „Ich stamme aus Koblenz und bin Rheinländer. Wenn ich nach Hünfeld in die Rhön gehe, werde ich den Rhein sehr vermissen.“

Gottesdienst mit Bischof Peter Kohlgraf

Im Hünfelder St. Bonifatiuskloster werden Pater Theisen und Pater Stollewerk Teil einer weitaus größeren Gemeinschaft sein. Dort leben circa 30 Mitbrüder. Für seinen Aufenthalt im neuen Domizil hofft Pater Stollewerk, in der Seelsorge aushelfen zu können, zum Beispiel Gottesdienste zu übernehmen oder als Urlaubsvertretung eingesetzt zu werden. Hünfeld ist inzwischen Sitz der mitteleuropäischen Oblaten-Provinz, die Deutschland, Österreich und Tschechien umfasst. Die Aussichten, für das höhere Alter gut versorgt zu sein, stehen durch den Umzug gut, denn Pater Stollewerk weiß: „Das Hünfelder Mutterhaus hat auch eine eigene Pflegestation.“
Pater Elmar Theisen und Pater Voker Stollewerk werden am letzten Sonntag der Rochus-Wallfahrt, am 28. August, im Gottesdienst in der Rochuskapelle um 10 Uhr verabschiedet. Pater Stollewerk freut sich, dass der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf den Gottesdienst mitfeiert. „Das ist eine Anerkennung für mehr als 100 Jahre Oblaten auf dem Rochusberg“, findet der Ordensmann.

 

ZUR SACHE

Weiterhin mit Rochuskapelle verbunden

Das Gebäude des Oblatenklosters St. Rupertus auf dem Rochusberg wird demnächst wohl erst einmal leerstehen. Doch was passiert mit dem Klostergebäude auf dem Rochusberg? Das Haus gehört der Binger Basilikagemeinde St. Martin. Deren Pfarrer Markus Lerchl antwortet auf diese Frage, dass es aktuell noch keine wirklichen Pläne für das Haus gibt. Lerchl: „Grundsätzlich hat der Verwaltungsrat beschlossen, dass die Kirchengemeinde das Haus nicht verkauft und dass wir weiterhin eine religiöse, pastorale beziehungsweise soziale Nutzung anstreben.“ Auch soll die Verbindung des Hauses zur Rochuskapelle gewahrt bleiben. „Leider sind wir aber noch nicht weiter in unseren Plänen“, sagt Pfarrer Lerchl. „Das hängt auch damit zusammen, dass wir uns über ein Gutachten zunächst einmal einen Überblick über den inneren und äußeren Zustand des Gebäudes verschaffen wollen/müssen. Damit steht dann auch der Investitionsbedarf fest und die Frage der Wirtschaftlichkeit im Raum.“ Es gebe aktuell viele Anfragen und Interessenten, von denen viele das Haus kaufen möchten. Markus Lerchl: „Diese Option ist für uns ausgeschlossen.“
Für die Seelsorge an der Rochuskapelle, die zur Basilikagemeinde gehört, werde das Pfarrteam zuständig sein, sagt der Binger Pfarrer. „Ich bin in meiner Funktion als Kirchenrektor schon jetzt verantwortlich für das, was an und in der Kapelle geschieht und werde das auch in Zukunft bleiben“, teilt Pfarrer Markus Lerchl mit. „In unseren Pfarrgemeinderäten Bingen und Bingen-Süd gibt es schon Überlegungen, wie wir das geistliche Leben an der Rochuskapelle fortführen und sogar noch intensivieren können, um vor allem auch Menschen anzusprechen, die sich angezogen fühlen von dem einzigartigen Ensemble Kirche und Natur.“ Gedacht sei auch an Lesungen und Konzerte, aber auch an Gottesdienste am Außenaltar, zum Beispiel besonders für Familien. Lerchl: „Auch hier ist noch vieles offen und wird sicher auch die Projektgruppen im Pastoralraum beschäftigen. Die Rochuskapelle soll ein Ort bleiben, an dem das Evangelium verkündet wird.“
Konkret stehe fest, dass Pfarrer Walter Mückstein ab September nach dem Weggang der Oblaten die Gottesdienste am Sonntagmorgen bis auf weiteres halten wird.


Informationen zur Rochuswallfahrt vom 21. bis 28. August auf der Internetseite der Pfarrgruppe Bingen: https://bistummainz.de/pfarrgruppe/bingen

Von Anja Weiffen