Umgang mit der AfD in den Landkreisen

Der Glaube weist ihm den Weg

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Der Görlitzer Landrat Stephan Meyer, hier während einer Sondersitzung des Kreistag zu geplanten Unterkünften für Geflüchtete
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Foto: picture alliance/dpa/Sebastian Kahnert

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Konstruktiver Politiker: der Görlitzer Landrat Stephan Meyer, hier während einer Sondersitzung des Kreistag zu geplanten Unterkünften für Geflüchtete

Keine Zusammenarbeit mit der AfD! Das sagen viele demokratische Parteien immer wieder. Aber wie geht das konkret in einer Region, in der die Rechtsaußen-Partei stark ist? Stephan Meyer, CDU-Politiker und Landrat aus Görlitz, erzählt.

„Nein, absolut nicht“, sagt Stephan Meyer. Der CDU-Politiker und Landrat des Landkreises Görlitz klingt entschlossen, wenn man ihn fragt, ob er sich eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD im Kreistag vorstellen kann. Man könne unterschiedlicher Meinung sein und es sei völlig legitim, dass es in der Demokratie unterschiedliche Sichtweisen gebe, sagt er: „Aber die müssen immer auf einem gemeinsamen Wertefundament basieren, und das ist mit der AfD ausgeschlossen. Und ich sehe auch keine Entwicklung dahin.“ 

Meyer (42) wurde 2022 zum Landrat gewählt. In der Stichwahl setzte er sich gegen den Kandidaten der AfD durch. Seitdem muss er im Kreistag mit einer starken Fraktion der demokratiefeindlichen und in Teilen rechtsextremen Partei umgehen. Die AfD hat 24 Sitze, die CDU 23. So wie Meyer geht es mittlerweile einigen Kommunalpolitikern. Weil die AfD stark in Kreistagen oder Stadträten vertreten ist, suchen sie Lösungen, um mit anderen Parteien Mehrheiten zustande zu bringen. 

Thomas Arnold, der Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen, sagt, die Frage sei: „Mit wem mache ich gemeinsame Sache?“ Wer auf lokaler Ebene mit der AfD zusammenarbeite, so denkt er, arbeite mit Menschen zusammen, die sich mit ihrer Parteimitgliedschaft „auch zu den Inhalten und zu den Personen der Partei auf der Bundesebene bekennen“. 

Das sieht auch Meyer so. Als sein Wertefundament bezeichnet er den christlichen Glauben. Das Thema Asyl nennt er als Beispiel. „Wir sind ein Land, das in der Lage ist, Menschen, die vor Krieg und Terror flüchten müssen oder vor Naturkatastrophen, zeitweise vernünftig und menschenwürdig unterzubringen. Das muss gelingen“, sagt der Landrat. Er sieht viele Probleme im Zusammenhang mit Migration, aber wie die AfD „den Schutzbedarf von Menschen abzulehnen, sodass sie einem völlig egal sind, hat nichts mit dem christlichen Menschenbild zu tun“. Auch die Sozialpolitik der AfD findet er unchristlich. In den Thesen und Programmen der Partei ist seiner Meinung nach „nicht mehr viel übrig von Solidarität gegenüber sozial schwächeren Menschen“.

Er lädt Bürger ein, die Fragen stellen können

Als Landrat hat Meyer eine überparteiliche Funktion, deswegen hat er auch der AfD-Fraktion im Kreistag das Gespräch angeboten. Für ihn sei es „entscheidend, dass man sich mit den Themen, die die AfD aufwirft, auseinandersetzt“, sagt er. Dennoch, ergänzt er, „kommt man immer schnell zu dem Punkt, dass dahinter eine gewisse Ideologie steckt, dass es nicht darum geht, Kompromisse zu finden, sondern in extremen Positionen zu verharren“. 

Die Auseinandersetzung mit der extrem rechten Partei ist herausfordernd. Im März beantragte die AfD-Fraktion eine Sondersitzung des Kreistages; sie wollte den Beschluss herbeiführen, keine Geflüchteten mehr im Landkreis Görlitz unterzubringen. Eine Forderung, die zwar populär klingt, aber auf Landkreisebene nicht entschieden werden kann. Denn durch Bundesgesetze sind Kommunen verpflichtet, ihnen zugewiesene Asylbewerber aufzunehmen. Konkrete Vorschläge, wie man die Probleme bei der Unterbringung von Geflüchteten lösen könnte, machten die AfD-Abgeordneten nicht. 

Meyer lud zu der Sondersitzung auch Bürgerinnen und Bürger ein, die Fragen stellen konnten. Und er holte Vertreter der sächsischen Landesdirektion hinzu, die für die Umsetzung bundesweiter Gesetze wie denen zur Flüchtlingsunterbringung zuständig sind. Experten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge klärten über konkrete Fragen zum Thema auf. Die Einwände der Bürgerinnen und Bürger waren emotional, die Stimmung aufgeheizt. Meyer rief sie zur Mäßigung auf und beantwortete Fragen sachlich.

Und die AfD blieb nicht die einzige Partei, die einen Antrag zur Abstimmung vorlegte. Auch die gemeinsame Fraktion aus Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Wählergemeinschaft für Kinder, Jugend und Familie sowie die Landkreisverwaltung legten je einen Antrag zur Abstimmung vor. Beide Anträge enthielten Forderungen an die Bundesregierung und die Landesregierung nach mehr Gebäuden und finanzieller Unterstützung, um die Unterbringung und Integration von Geflüchteten gewährleisten zu können. Der Antrag der Landkreisverwaltung enthielt zudem die Forderung an die Bundesregierung nach zügiger Rückführung abgelehnter Asylbewerber.

Die Beschlussvorlage der Landkreisverwaltung erhielt 39 Stimmen, der Antrag der gemeinsamen Fraktion 37. Der Antrag der AfD wurde abgelehnt. Dass „die AfD mit ihrem Antrag nicht wirklich stattgefunden hat“, wie Meyer sagt, zeigt, wie er versucht, umstrittene Themen anzugehen. Er stellt sich den Fragen – und macht die Probleme deutlich, die es gibt.

Im August hat sich der Görlitzer Landrat mit einem offenen Brief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser gewandt. Darin forderte er sie auf, „den Zustrom illegaler Migration zu stoppen, um sowohl die Sicherheit unseres Landes als auch die Akzeptanz für die Unterbringung von Flüchtlingen mit berechtigtem Asylgrund zu gewährleisten“. Eine Antwort hat er noch nicht. Statt nur zu warten, muss er handeln. In den nächsten Tagen will Meyer ein Unterbringungskonzept in den Kreistag einbringen, das die Möglichkeiten der Gemeinden realistisch berücksichtigt.

Er will einen anständigen Umgang miteinander

Aber was passiert, wenn die AfD im Kreistag Vorschläge macht, die seine Parteikollegen von der CDU eigentlich ganz gut finden? „Das ist noch nicht vorgekommen“, sagt Meyer. Für Arnold, den Leiter der Katholischen Akademie in Dresden, ist es entscheidend, nicht zu warten, bis AfDler einen Vorschlag machen. Die anderen Politikerinnen und Politiker sollten früher die Probleme in ihrem Landkreis erkennen und gemeinsam bessere Lösungen erarbeiten.
Doch wie schafft man es, für schwierige und unpopuläre Entscheidungen wie bei den Problemen der Flüchtlingsunterbringung Mehrheiten zu finden – an der zahlenmäßig starken AfD vorbei? „Das ist natürlich viel Kommunikation. Ich suche das Gespräch mit den Fraktionen und stelle fest, dass die weit überwiegende Mehrheit im Kreistag ähnliche Werte vertritt“, sagt Meyer. 

Arnold hält es für „klug und geboten, dass Parteien, die sich als Demokraten verstehen, auch wenn sie im Inhalt erst mal nicht automatisch zusammenpassen, so lange miteinander verhandeln, bis sie einen Konsens finden“. Das sei „immer noch besser, als mit so einer rechten Partei gemeinsame Sache zu machen“. Dabei ist der Druck von Wählerinnen und Wählern manchmal groß, die beispielsweise CDU-Politikern raten, doch lieber mit der AfD zusammenzuarbeiten als mit SPD, Grünen oder Linken, gibt Arnold zu bedenken. Der CDU-Politiker Meyer hat dagegen ein gutes Argument. Die AfD „hat uns in Sachsen zum Feind erklärt“, sagt er. Und „wer jemanden zum Feind erklärt, ist nicht auf eine konstruktive Lösungsfindung aus“.  

Trotzdem fordert er im Kreistag einen „normalen, vernünftigen, anständigen Umgang miteinander“ ein. Ihm ist wichtig, dass man dort keine persönlichen Befindlichkeiten austrägt. Auch er behandle alle vernünftig und schneide niemanden: „Das, finde ich, ist für eine Demokratie und die Außenwirkung auch wichtig.“

Barbara Dreiling