Ausstellung in Lingener Innenstadtkirche

Geborgen und behütet wie bei Maria

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eine Frau sitzt in einem Zelt
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

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Für einen Moment geborgen: Das können Gäste in der Schutzmantel-Ausstellung in Lingen erleben. Foto: Petra Diek-Münchow

Jeder von uns braucht Schutz. In Krisenzeiten, bei Ängsten, im Alltag. Eine Ausstellung im emsländischen Lingen macht dieses Bedürfnis in einer Kunstinstallation erlebbar ­– in einem Schutzmantel, der an die Gottesmutter denken lässt.

Christine Lux kommt in die Lingener St.-Bonifatius-Kirche und sieht sofort den „Schutzmantel“ in der Ecke. 3,30 Meter hoch und 4,40 Meter lang ist die Kunstinstallation, genäht aus japanischer Baumwolle im marianischen Blau. Wie Arme strecken sich die Seitenteile des Stoffes aus und viele Gäste werden sicher schnell an das bekannte Marienlied denken: „Maria breit den Mantel aus, mach Schirm und Schild für uns daraus“. Auch Christine Lux scheinen solche Gedanken durch den Kopf zu gehen. Sie zieht ihre Schuhe aus, betritt das Innere des Mantels und setzt sich auf die warme Unterlage. Mit dem Blick nach oben auf den zimtfarbenen Zelt-Himmel läuft ein kleiner Film in ihrem Kopf ab, sagt sie später. Wo finde ich Schutz, wer gibt mir Schutz und wem kann ich Schutz geben?

Eine Frau und eine Kind schauen sich eine Kunstausstellung an.
Wie ein übergroßer Mantel sieht die Kunstinstallation in Lingen aus. Foto: Petra Diek-Münchow

Genau diese Assoziationen will die Künstlerin Astrid Eichin mit ihrem Werk auslösen. Schon seit Jahren erschafft sie in ihrem Atelier in Lörrach Hüllen, Häute und Mäntel in unterschiedlichen Materialien. Im ersten Corona-Jahr, geprägt durch so viele Ängste und Unsicherheiten, wächst die Idee zu einem übergroßen „Schutzmantel“: als begehbares Zelt, angelehnt an alte Madonnen-Motive und mitgestaltet von Menschen aus aller Welt. Gäste, die hineingehen, sollen sich ganz unmittelbar geborgen und behütet fühlen – wie unter Marias Mantel.

Hände, die Herzen halten

Sie näht in vielen Stunden den blauen Umhang und bestickt ihn mit zarten Kreisen. Wo diese sich überschneiden, fügt sie kleine goldene Kreuze hinzu. „Wo Begegnung stattfindet, wo wir uns nahe sind, dort findet sich der Schatz!“, sagt sie selber dazu. Doch der wahre Schatz der Installation sind die anderen Schutzmantel-Teile, die über der Hülle hängen: Stickereien von 140 Menschen aus 19 Ländern. Sie waren Eichins Aufruf gefolgt und hatten immer gleich große rechteckige Stoffstücke an sie geschickt: mal aus dem Laken des Kinderbetts, mal aus dem Handtuch der Oma. Darauf sind dem Wunsch der Künstlerin gemäß filigran gestickte Hände zu sehen. Hände, die Herzen oder Blumen halten. Hände, die einen Regenbogen oder die Weltkugel umfangen. Hände, die beten. Wer sie betrachtet, findet anrührende Bilder, die sich über Länder- und Kontinentgrenzen hinweg von Gambia über Afghanistan bis in die Ukraine miteinander zu einer universellen Botschaft verbinden. „Ein Ausdruck dessen, was geschehen kann, wenn wir einander beschenken und miteinander teilen“, sagt Eichin.

Auch 15 Stickereien aus dem Emsland und Rheine hängen auf dem Schutzmantel. Dafür hat Christine Lux gesorgt, die sich in Lingen für den Verein Frauen helfen Frauen engagiert. Sie hatte die Kunstinstallation an einem anderen Ort gesehen, war gleich begeistert und hatte Lingen als weiteren Standort angefragt: als Gemeinschaftsaktion mit der Stadtpastoral, der katholischen Erwachsenenbildung Emsland-Süd und dem Lingener Hospizverein. Den Grund dafür bringen Dekanatsreferent Holger Berentzen, Gisela Bolmer von der KEB und Günter Oberthür vom Lingener Hospiz schnell auf den Punkt: Jede und jeder braucht im Leben Schutz. Manchmal von heute auf morgen, manchmal für lange Zeit.

Das Thema war dem Vorbereitungskreis so wichtig, dass es in Lingen nicht bei der reinen Ausstellung in der Innenstadtkirche bleibt. Das Projekt ist eingebettet in eine mehrwöchige, breit angelegte Veranstaltungsreihe, von der die Künstlerin selbst sagt, es sei die bislang umfangreichste dazu. In vielen Facetten und mit ganz unterschiedlichen Angeboten geht es da um das Thema Schutz und Schutzlosigkeit: für Frauen und Kinder, für Gewaltopfer, in Leid und Not, am Ende des Lebens, im Glauben. Es gibt Filme und Musik dazu, kreative Aktionen und Bibelgespräche, fast alles mit einer kostenlosen Teilnahme.

Die Arme ausbreiten im Schutzmantel

Wer mag, kann aber auch einfach an einem ruhigen Nachmittag in die Kirche kommen und sich wie Christine Lux in den Schutzmantel hineinsetzen. Vielleicht zuerst in dem dicken Begleitbuch blättern, in dem die beteiligten Menschen ihre Gedanken, Gedichte und Ideen zu ihren Stickereien mit den Gästen teilen. Und sich dann einfach hinlegen, die Arme ausbreiten und sich für einen Moment beschützt fühlen. 

Die Ausstellung ist noch bis Freitag, 21. Juni, von jeweils 9.30 bis 18 Uhr
in der Kirche St. Bonifatius in Lingen (Burgstraße 21) zu sehen. Die Künstlerin Astrid Eichin
bietet kostenlos am 21. Juni um 18 Uhr eine Führung an. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

 

Zu dem Projekt gehört eine breit angelegte Veranstaltungsreihe, die Teilnahme ist meist kostenlos.

 

Ausstellung zum Thema „Häusliche Gewalt“ in St. Bonifatius
Vom 23.5. bis zum 21.6. haben Besucher der Ausstellung die Möglichkeit, sich auch der Thematik "Häusliche Gewalt" zu nähern. Diese Ausstellung wird ebenfalls in der Kirche St. Bonifatius in Lingen eröffnet am 23. Mai um 19.30 Uhr. Der Sozialdienst katholischer Frauen Lingen präsentiert Bilder von Frauen, die ihre Gewalterfahrungen in Form von Farbe und Gestaltung zeigen. Weiterhin werden einige Bilder von Kindern gezeigt, die auf ihre Weise Gewaltsituationen ausdrücken. Auf Wunsch kann die Ausstellung nach Voranmeldung fachlich begleitet werden. Termine können unter der Telefonnummer 0591-4129 vereinbart werden.

Schutz-Situationen in Filmen
Pastoralreferentin Eva Schumacher zeigt am Montag, 27.5. um 19.30 Uhr im Pfarrzentrum St. Bonifatius (Burgstraße 21, Lingen) Schutz-Situationen in Filmen. Wer oder was bietet uns Menschen eigentlich Schutz? Sind es immer nur die Großen und Starken, die Schutz bieten können? Bei wem oder was fühle ich mich eigentlich beschützt? Diesen Fragen soll in einigen Filmausschnitten und Kurzfilmen nachgegangen werden. 

Kinderschutz geht uns alle an! 
Der Kinderschutzbund Lingen (Ems) Beratungsstelle LOGO, lädt zu einem Informationsabend am Donnerstag, 30.05.um 19 Uhr im Pfarrzentrum St. Bonifatius (Burgstraße 21, Lingen) ein. Die Beratungsstelle setzt sich für das Recht auf gewaltfreies Aufwachsen aller Kinder und Jugendlichen ein. Hierfür ist die Unterstützung durch wachsame Augen und Ohren der Gesellschaft nötig.

Eingehüllt in Sehnsucht - Klangkontakte mit der Seele
Im Rahmen der Schutzmantelausstellung bietet Theologe Günter Oberthür am Freitag, 31. Mai um 19.30 Uhr in der Kirche (Burgstraße 21, Lingen) die Veranstaltung „Klangkontakte mit der Seele“ an. An diesem Abend hören die Besucher zeitgenössische Chormusik, Singersongwriter und erläuternde Kommentare. Zu hören sein werden auch vertonte Gedichte von Selma Merbaum (1924 - 1942). Sie ist eine rumänische deutschsprachige Dichterin, die als verfolgte Jüdin achtzehnjährig im Zwangsarbeitslager Michailowka (Königreich Rumänien) entkräftet am Fleckfieber starb. 

Denkwerkstatt für sichere Glaubensräume
Zu der Schutzmantelausstellung bietet Farina Dierker, Referentin für Frauenseelsorge im Bistum Osnabrück, am Mittwoch, 5.6. um 19 Uhr im Pfarrzentrum St. Bonifatius (Burgstraße 21, Lingen) eine Denkwerkstatt für sichere Glaubensräume an. Die Veranstaltung lädt dazu ein, gemeinsam darüber nachzudenken, wie unsere Glaubens-Räume diskriminierungssichere Orte werden können. Ein Ausgangspunkt ist dabei die Betrachtung des Zusammenspiels verschiedener Diskriminierungsfaktoren wie Geschlecht, sozialer Status oder ethnische Herkunft. 

Bibliolog unterm Schutzmantel
Ergänzend zu der Schutzmantelausstellung bieten Farina Dierker und Kerstin Kröger am Freitag, 7.Juni von 17.30 Uhr bis 19 Uhr in der Kirche St. Bonifatius (Burgstraße 21, Lingen) einen "Bibliolog unterm Schutzmantel2 an. Der Bibliolog ist eine Methode, Bibelverse lebendig werden zu lassen und sie persönlich zu erfahren. Durch die kreative Interpretation und das gemeinsame Erleben des Textes können neue Perspektiven entdeckt werden. 

Informationsabend: Was palliative Versorgung bietet
Der Lingener Hospizverein lädt zu einem Informationsabend am Montag, 10.6. um 19.30 Uhr im Pfarrzentrum St. Bonifatius zum Thema „Was palliative Versorgung bietet“ an. Referentinnen sind vom Bonifatius Hospital Funktionsoberärztin Adelheid Huhmann (Psychoonkologin, ärztliche Leitung der Palliativstation) und Pflegeexpertin Mechthild Bornhorst (Onkologische Fachkraft / Palliativ Care Fachkraft). Außerdem besteht an diesem Abend die Gelegenheit, sich für eine Vor-Ort-Führung vormerken zu lassen.

Centralkino zeigt „Der Pfad“
Im Rahmen der Schutzmantelausstellung zeigt das Lingener Centralkino (Marienstraße 8) am Mittwoch, 12.6. um 19 Uhr den Film „Der Pfad“. Der Pfad ist ein Drama aus dem Jahr 2022 von Tobias Wiemann mit Julius Weckauf und Nonna Cardoner über die Flucht eines 12-Jährigen vor den Nazis über die Pyrenäen. Der Eintritt kostet 8 Euro. 

Kreativ-Aktion in der Kunstschule
Die Kunstschule Lingen (Universitätsplatz 3) bietet am Samstag, 15. Juni, von 14 bis 17 Uhr in ihren Räumen eine Kreativ-Aktion für alle Altersgruppen an. (Teilnehmerbeitrag 10 Euro, Kinder bis 12 Jahre kostenlos). Zusammen gehen die Teilnehmenden auf eine persönliche Suche nach Orten, Plätzen, Momenten, Menschen oder Tieren, wo und bei denen sie Liebe, Sicherheit, Ruhe, Trost, Hoffnung und Schutz erlebt haben und sich geborgen fühlten. Mit Farbe, Materialien und Techniken nach eigener Wahl wird der je eigene Raum sichtbar gemacht. Anmeldungen sind möglich bis zum 10.06.2024 bei Dekanatsreferent Holger Berentzen, E-Mail: h.berentzen@ bistum-os.de , Telefon 0591-96497221.

Informationsabend: Opfer nicht allein lassen – Opferschutz
Kriminalhauptkommissarin Hiltrud Freese, Beauftragte für Jugendsachen und Opferhilfebeauftragte bei der Polizeiinspektion Emsland-Grafschaft Bentheim, informiert am Dienstag, 18.6. um 19.30 Uhr im Pfarrzentrum St. Bonifatius (Burgstraße 21, Lingen) über den polizeilichen Umgang mit Opfern von Straftaten unter Berücksichtigung der Aspekte des Opferschutzes. Zudem werden Opferrechte erläutert und Hilfsmöglichkeiten durch Opferhilfeeinrichtungen vorgestellt.

Führung und Finissage des „Schutzmantelprojektes“
Der Verein Frauen helfen Frauen, der Lingener Hospiz, die Katholische Erwachsenenbildung Emsland-Süd und die Stadtpastoral Lingen laden zum Abschluss der „Schutzmantel-Ausstellung“ am Freitag, 21.06.2024 um 18 Uhr in der Kirche St. Bonifatius (Burgstraße 21, Lingen) ein. Auf dem Programm stehen kurze Statements der Veranstalter, Lieder des Mitmach-Chores der VHS unter der Leitung von Peter Alexander Herwig und eine Führung durch die Künstlerin. Der Eintritt ist frei.

 

Blog-Beitrag des Emslandmuseums 

In einem Blog-Beitrag auf dem Museumsblog www. emslandmuseum.de erläutert Museumsleiter Andreas Eyinck die Entstehung des Motives der Schutzmantel-Madonna und zeigt überregional bekannte Beispiele ebenso wie unbekannte Schutzmantel-Bilder aus dem Emsland. Der Blog-Beitrag begleitet die „Schutzmantelausstellung“. 

 

Petra Diek-Münchow