Frauen in kirchlichen Führungspositionen
Gleichberechtigt Kirche erleben

Foto: Katrin Kolkmeyer
Yvonne von Wulfen führt viele Gespräche und hat für alle Anliegen erstmal ein offenes Ohr.
Abbrüche können Entwicklungen vorantreiben. So war es noch vor einigen Jahren nicht vorstellbar, dass eine Frau über Versetzung und Einsatz von Priestern in der Kirche entscheidet. Yvonne von Wulfen macht das heute. Seit zwei Jahren leitet sie das Bischöfliche Personalreferat im Bistum Osnabrück. Zunächst gemeinsam mit Domkapitular Thilo Wilhelm in einer Doppelspitze. Seit dem 1. Juli trägt sie allein die Verantwortung für das gesamte pastorale Personal des Bistums: 165 aktive Priester und gut 90 Ruheständler, 88 Diakone und etwa 350 Seelsorgerinnen und Seelsorger anderer pastoraler Berufsgruppen.
Yvonne von Wulfen ist promovierte Psychologin, Coach und Supervisorin. Sie möchte die Menschen im kirchlichen Dienst begleiten, dafür sorgen, dass sie gut arbeiten können. Dies tun zu dürfen, sei „ein Geschenk“, sagt sie. Mit hoher Fachkompetenz kümmert sich die 49-Jährige mit ihrem Team um Einstellungen, Versetzungen, Stellenpläne, persönliche Anliegen, Umstrukturierungen, Fortbildungen und Qualifizierungen. Sie möchte Entwicklungen möglich machen, Menschen in ihrer Arbeit fördern. Dazu führt sie viele Gespräche, hört zu, hat für alle Anliegen erstmal ein offenes Ohr. Wünsche kann sie derzeit jedoch nur wenige erfüllen. Die „harten Sparbeschlüsse“ des Konsolidierungsprozesses sorgen dafür, dass sie 45 Prozent des Personals im pastoralen Dienst abbauen muss – ohne Kündigungen auszusprechen. Eine Gradwanderung.
Strukturiertes und zielorientiertes Arbeiten liegt ihr. Das kommt ihr in den Umbruchprozessen sehr zugute. Personalführung und Netzwerken hat sie gelernt, sie ist kommunikativ und teamorientiert – „leider nicht immer die Geduldigste“, meint sie mit einem Augenzwinkern. Geprägt ist Yvonne von Wulfen durch die kirchliche Verbandsarbeit in der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) in ihrem Heimatort Recke (Bistum Münster). Bis in die diözesane Leitungsebene war sie aktiv, hat hautnah erfahren, wie junge Menschen gleichberechtigt Kirche erleben und gestalten können. Das macht ihr Mut, spornt sie an.
Nach Studium und sieben Jahren Berufstätigkeit in einem privatwirtschaftlichen Bildungsinstitut führten sie ihre Wurzeln 2007 wieder in den kirchlichen Dienst – jetzt nach Osnabrück. Bevor sie die Leitung des Personalreferates übernahm, war sie dort für Personalentwicklung, Personaleinsatz und den Aufbau des Schutzprozesses gegen sexuellen und geistlichen Missbrauch zuständig.
Es war noch kein Priester irritiert, dass ihm nun eine Frau gegenübersitzt.
Bundesweit ist Yvonne von Wulfen nicht die einzige Frau auf ihrer Position. Vor ihr war der Posten im Bistum Osnabrück ausschließlich Priestern vorbehalten. Ein Kulturwandel. Thilo Wilhelm, sagt sie, habe sie gut in die spezifischen priesterlichen Themen eingeführt. Die Zusammenarbeit sei hervorragend gewesen. Dass sie selbst nun nicht aus dem pastoralen Dienst stammt, sieht sie als Vorteil: „Ich bin unabhängig und gehöre keiner der Berufsgruppen an, so fällt mir der objektive Blick vielleicht leichter“, betont sie. Neben Berufung und Charisma hat sie besonders Faktoren im Blick wie Arbeitsmotivation, gute Rahmenbedingungen, Teamkonstellationen, Qualifizierungen, realistische Erwartungen und klare Arbeitsaufträge. Schmunzelnd fügt sie hinzu: „Ich habe noch keinen Priester erlebt, der irritiert war, dass ihm nun eine Frau gegenübersitzt.“
Mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt Yvonne von Wulfen in Münster. Der Arbeitsweg hilft ihr, den Kopf frei zu bekommen, den Arbeitstag hinter sich zu lassen. Entspannen kann sie am besten mit der Familie, auf Reisen, beim Lesen, beim leidenschaftlichen Cellospiel und in ihren kirchlichen Ehrenämtern, die sie mit Freude ausübt. Denn christliche Werte, Gleichberechtigung und Beteiligung sind ihr nicht nur dienstlich wichtig. Sie sagt: „Ich bin überzeugt, dass die Kirche im Kern von der Zeugenschaft jedes einzelnen lebt.“ Dazu möchte sie auch als Privatperson ihren Teil beitragen.
Yvonne von Wulfen will Kirche gestalten, neue Formen entwickeln. Sie ist kreativ und innovativ. Aufgrund der Sparmaßnahmen blieb ihr bisher wenig Luft für neue Ideen. „Jetzt sind wir so langsam so weit, dass wir ans Gestalten gehen können“, sagt sie und erzählt begeistert von Plänen für neue Personalstellen in den Dekanaten: Gemeinden, Haupt- oder Ehrenamtliche sind aufgerufen, Ideen und Initiativen zu entwickeln für neue Angebote, Projekte, Orte der Begegnung oder Treffpunkte. Beim Bistum können sie hierfür eine Förderung beantragen. „Es gibt dabei keine Grenzen. Je bunter das Projekt, desto mehr Potenzial hat es, ein Beitrag für die Zukunft unserer Kirche zu werden“, sagt die Personalchefin. Wird das Projekt genehmigt, gibt es die Möglichkeit, eine befristete Stelle zu erhalten, um es umzusetzen und zu begleiten.
Innovative Projekte in den Dekanaten
Damit möchte Yvonne von Wulfen nicht nur Menschen neu für Kirche und Glauben begeistern, sondern auch die Beteiligung Ehrenamtlicher stärken und den pastoralen Mitarbeitern neue berufliche Wege eröffnen. Sie sagt: „Wir wollen gemeinsam mit den Gemeindemitgliedern eine Pastoral der Zukunft entwickeln. Denn die Kirche von morgen wird eine Kirche der Ehrenamtlichen sein. Wir sind noch viel zu sehr mit der Versorgung durch Hauptamtliche beschäftigt.“
Bei diesen „Dekanatsprozessen“ (Seite 33) arbeitet das Personalreferat eng mit dem Seelsorgeamt und der Abteilung Kirchengemeinden zusammen. Diese Zusammenarbeit, das gute Teamwork, die vernetzende Kommunikation, all das ist seit ihrer Amtsübernahme sehr viel enger geworden. Ist es das, was Frauen in Leitungspositionen anders machen als Männer? Yvonne von Wulfen überlegt und schüttelt den Kopf.
„Jede Frau, jeder Mann ist individuell mit seinen Stärken und Schwächen.“ Vielleicht arbeiteten viele Frauen etwas teamorientierter, suchten eher Gestaltungsspielräume als Macht. Die Kirche sei aber gut beraten, „wenn wir unterschiedliche Führungstypen haben: Männer und Frauen, Junge und Alte. Wir müssen divers in Führung aufgestellt sein.“ Ein guter Anfang ist gemacht.
Im Generalvikariat Osnabrück ist – neben Generalvikar Ulrich Beckwermert als Gesamtleitung – ab dem 1. Juli kein Priester mehr als Abteilungsleitung tätig. Von Pater Dominik Kitta geleitet wird noch das Offizialat, das aber eigenständig ist. (bpo)