Queersensible Pastoral im Bistum Mainz

„Ihr seid herzlich willkommen“

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Am 9. Oktober beauftragt Bischof Peter Kohlgraf in einem Gottesdienst Pfarrer Mathias Berger und Pastoralreferentin Christine Schardt für queersensible Pastoral im Bistum. Ein Gespräch mit den beiden über ihre neue Aufgabe. Von Anja Weiffen



Mathias Berger und Christine Schardt haben in ihrer bisherigen pastoralen Arbeit junge Menschen begleitet.


Was ist queer? Kurz: Queer heißt soviel wie merkwürdig. Damit bezeichnen sich Menschen, die in ihrer sexuellen Identität und Orientierung nicht in die Schemen „Mann/Frau“ oder „Heterosexualität“ passen. Sie wehren sich mit dem Begriff gegen diese Normen. Seit einigen Jahren formieren sie sich als Bewegung, oft mit Kürzeln wie LSBTI (Lesben, Schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Menschen). Die Kirchen in Deutschland sind dabei, sich dem Thema zu stellen.
Erstmals bekommt das Bistum Mainz mit Pfarrer Mathias Berger und Pastoralreferentin Christine Schardt Beauftragte für queersensible Pastoral. Im April wurden sie von Bischof Peter Kohlgraf dazu ernannt. Für die neue Aufgabe zeichnen sich die beiden vor allem dadurch aus, dass sie seit vielen Jahren junge Menschen begleiten.

Menschen so geschaffen von Gott, wie sie sind

„Queerness ist ein großes Thema für junge Menschen, die sich mit der eigenen Identität, mit Gender, sexueller Orientierung beschäftigen“, weiß Schardt. Die Pastoralreferentin, verheiratet, zwei Kinder, arbeitet als Hochschulseelsorgerin und Dozentin an den Mainzer Hochschulen. Sie schildert den Umgang mit Queerness in der Hochschulseelsorge. „Wir begleiten Menschen offen in ihren Entwicklungsprozessen. Die Menschen sind so geschaffen von Gott, wie sie sind, und nicht so, wie wir sie entwickeln wollen.“ Auch von verletzenden Erfahrungen weiß sie und bekräftigt: „Wir stehen ein gegen jede Form von Diskriminierung.“ Berger ergänzt, dass Queerness schon lange Thema ist. Die Frage ist: „Wie helfen wir jungen Leuten in diesen komplexen Prozessen?“ Er ist überzeugt: „Rein heteronormative und bipolare Vorstellungen decken nicht die ganze Wirklichkeit ab.“ Berger und Schardt ist bewusst, dass es auch viele ältere queere Menschen gibt, die sich erst im fortgeschrittenen Alter geoutet haben. Den Wunsch queerer Menschen fasst Berger so zusammen: „Macht aus mir kein Problem, seht in mir eine Facette von Möglichkeiten.“
Nach 13 Jahren Jugendarbeit tritt Mathias Berger in diesem Monat eine neue Stelle als Pfarradministrator in der Pfarrei Liebfrauen in Mainz an. Mit 25 Prozent arbeitet er, genau wie Schardt, in der queersensiblen Pastoral. Berger: „In meiner zweiten Lebenshälfte möchte ich mich dafür einsetzen, dass das Thema in der ganzen Kirche zur Normalität wird.“ Auch persönlich habe er damit zu tun und begleitet in seiner Familie ein lesbisches Paar.
Unter dem Eindruck der Wahlen in Italien warnen Christine Schardt und Mathias Berger vor Queerfeindlichkeit. Pfarrer Berger weist darauf hin, dass die Akzeptanz von queeren Menschen in der Kirche insgesamt gewachsen ist. „Aber wir müssen nicht nur in die Kirche, sondern auch in die Gesellschaft hineinwirken und unseren Teil dazu beitragen, queere Menschen gegen rechtspopulistische Strömungen zu verteidigen.“ Schardt ist sich bewusst, dass Kirche hier noch viel zu lernen hat. „Wir wollen erst einmal zuhören. Aber wir müssen Mitverantwortung übernehmen und unsere Stimme erheben gegen Gewalt, die zunimmt.“ Auf die Frage, ob eine Sonderseelsorge queere Menschen nicht erst recht diskriminiert, antwortet sie: „Es ist immer ein Dilemma, sich für eine bestimmte Gruppe von Menschen einzusetzen, weil diese damit zugleich marginalisiert wird. Aber das ist eine Übergangsphase.“ Ziel sei Gendergerechtigkeit. Berger: „Im Bistum geht es jetzt um das Signal: ,Ihr seid herzlich willkommen‘.“

Segnung als wichtige Perspektive

Eine Willkommenskultur können zwei Seelsorgende aber nicht alleine schaffen. Daher richtet sich ihre Arbeit in den nächsten Wochen auf die Suche nach pastoralen Mitarbeitenden, die queere Menschen geistlich und/oder liturgisch begleiten. Neben dem Aufbau einer Regionalstruktur steht die Vernetzung mit queeren Communities an sowie die Entwicklung von Fortbildungsformaten.
Als Beispiele für eine liturgische Begleitung nennt Berger das Begehen von Gedenk- und Feiertagen queerer Communities, etwa den Christopher Street Day. Auch liturgische Feiern für Menschen nach einer Geschlechtsumwandlung kann er sich vorstellen. Die Segnung von homosexuellen Paaren sieht er als wichtige Perspektive. „Wenn ich angefragt werde, mache ich das.“ Langfristiges Ziel ist, dass die Segnungen in aller Öffentlichkeit stattfinden können.

Gottesdienst mit Beauftragung durch Bischof Peter Kohlgraf am Sonntag, 9. Oktober, um 18.30 Uhr in St. Quintin in Mainz

Queere Woche im Erbacher Hof: am 10. Oktober um 19 Uhr Lesung mit Mara Klein, Herausgeberin des Buchs „Katholisch und Queer“; am 12. Oktober Loungegespräch mit dem Titel „Queer in der Katholischen Kirche – Zwischen Unbehagen und Akzeptanz“. Die Teilnahme ist jeweils kostenfrei.
www.ebh-mainz.de

Von Anja Weiffen