Die heilende Kraft des Segens

Im Alltag um Segen bitten

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Familie betet am Tisch
Nachweis

Foto: imago images/Zoonar

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Auch Tischgebete sind eine Form des Segens. Am Sonntag kann das gemeinsame Gebet vor dem Essen auch Anlass sein, um den Segen für die kommende Woche zu bitten. Foto: imago images/Zoonar

Die Kinder, Kranke oder reisende Angehörige segnen – das kann sich jeder vorstellen. Am Abend aber die Fehler des Tages segnen? Oder die Menschen, die mich verletzt haben? Ja, das kann entlasten, sagen Anselm Grün und Friedrich Assländer und erklären, wie es funktioniert.

Segnen kann jeder, es ist kein Privileg der Priester – das schreiben Benediktinerpater Anselm Grün und Friedrich Assländer in ihrem Buch „Segen, die heilende Kraft“. Beim Segnen können Christen das Kreuzzeichen verwenden oder jemandem die Hand auflegen und sagen,  was sie dem anderen wünschen. Sie können aber auch still für sich ein Segensgebet für jemand anderen sprechen, ohne dass die Person das weiß. „Wir brauchen keine speziellen Formeln und Rituale, es können spontane einfache Sätze sein, die wir aussprechen oder still formulieren“, so die Autoren. In jedem Fall gehe es darum, dem anderen Gutes zu sagen, worauf der lateinische Ursprung des Begriff Segnen verweist: benedicere.

Die Autoren appellieren also an ihre Leserinnen und Leser, möglichst oft anderen Gutes zu sagen, in der Familie, unter Kollegen, im Schulalltag, bei Nachbarn und auch in der Begegnung mit Fremden. Segen kann es nie genug geben. Ein Raum, in dem viel gestritten wird, könne ebenso gesegnet werden wie eine bevorstehende Besprechung. Das Buch enthält viele Beispiele.

Kinder segnen
Wer seine Kinder segnet, gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Dazu kann man abends, wenn man sie ins Bett gebracht hat, eine Hand auf ihren Kopf legen und sagen: „Guter Gott, segne meine Tochter (meinen Sohn) und halte die ganze Nacht schützend deine Hand über sie (ihn), damit sie (er) in Frieden schlafen kann und sich in deiner Liebe geborgen fühlt. Amen.“ Morgens, bevor das Kind zur Schule geht oder den Kindergarten betritt, zeichnet man mit dem Daumen ein Kreuzzeichen auf die Stirn des Kindes und segnet es. So startet es schöner in den Tag als mit den Worten „Mach schneller, wir sind spät dran“.

Jugendliche segnen
Einem älteren Kind, das eine Reise antritt, können Eltern sagen, dass sie es segnen wollen. Sie legen die Hände auf den Kopf des Jugendlichen und sprechen: „Barmherziger und guter Gott, segne meinen Sohn (meine Tochter) und führe ihn (sie) sicher ans Ziel. Behüte ihn (sie) in der Ferne (...)“. Auch vor einer schweren Prüfung kann man sein Kind segnen.

Kranke und Bedürftige 
Anselm Grün und Friedrich Assländer sind sich sicher, dass das Gebet für Kranke hilft, weil es Hoffnung gibt und deshalb zur Genesung beiträgt. Ein Gebet sei natürlich keine Garantie, dass jemand gesund wird, aber es könne den Kranken stärken, ebenso wie ein Krankensegen. In manchen Seniorenheimen wird bei  bestimmten Gottesdiensten regelmäßig der Krankensegen gespendet.
Doch auch „aus der Ferne“ kann man jemanden segnen. Anselm Grün und Friedrich Assländer fordern explizit dazu auf, in seinen Tagesablauf ein Bittgebet für eine andere Person einzuplanen, morgens oder abends. „Überlegen Sie, wer in Ihrem Bekanntenkreis in einer schwierigen Situation ist.“ Es gebe viele Gelegenheiten, jemand anderen zu segnen, einen Nachbarn, der  krank im Bett liegt, eine Kollegin, auf die eine schwierige Aufgabe zukommt. „Wir sollten also jeden Tag nutzen, um Ereignisse und Menschen zu segnen.“

Das Tagewerk segnen
Ereignisse zu segnen, mag manchem seltsam vorkommen. Anselm Grün erklärt dazu, es könne entlastend sein, nach einem Arbeitstag, den man mit einem unguten Gefühl abschließt, alles in die Hände Gottes zu legen. Man vertraue darauf, dass Gott alles in Segen verwandeln kann. Ein gutes Beispiel ist die Haltung vieler Gläubiger aus früheren Zeiten, die sich sagen konnten: „Wer weiß, wozu es gut ist“, wenn etwas anders kam als erhofft.

Segensgesten im Alltag
Eine Segensbitte ist kein Wünsch-dir-was-Zauberspruch. „Wir können segnen, damit etwas gelingen möge, aber auch, dass ein Geschehen, das man selbst nicht mehr ändern kann, sich zum Guten entwickelt.“ Jeder sei aufgefordert zu überlegen, welche Segensgesten in seinen Alltag passen. Zum Beispiel im Beruf, vor einer wichtigen Besprechung: „Guter Gott, segne unser heutiges Gespräch, so dass wir füreinander offen sind und erkennen, was für uns alle gut ist. Amen.“ Oder in der Familie, beim Frühstück oder Abendbrot am Sonntag: „Guter Gott, segne die neue Woche, die uns erwartet. Lass alles gelingen, was wir uns vorgenommen haben. Segne unsere Begegnungen, segne das Werk unserer Hände. Und lass uns füreinander Segen sein. Amen.“

Die mir Böses tun segnen?
Besonders anspruchsvoll ist die Aufgabe, jemanden zu segnen, der uns verletzt oder enttäuscht hat. Dafür könne man zum Beispiel formulieren: „Was geschehen ist, ist vorbei. Ich wünsche dir alles Gute, Gesundheit und Erfolg.“ Anselm Grün hatte diese Aufgabe in einem Seminar gestellt und traf auf starken Widerstand einer Teilnehmerin. Doch dann ließ sie sich auf das Experiment ein und stellte fest, dass es ihr anschließend viel besser ging. Damit sei sie aus der Opferrolle ausgestiegen, meint Grün. Sie selbst sagte dazu: „Ich kann diesem Menschen jetzt anders begegnen.“

Friedrich Assländer, Anselm Grün, „Segen. Die heilende Kraft.“ J. Kamphausen Mediengruppe, 18,95 Euro

Andrea Kolhoff