Hermann Martins Erinnerungen

Modell für den heiligen Vitus

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„Ich bin der Letzte, der den Bau der Kapelle auf dem Steinhauck noch miterlebt hat.“ Hermann Martin aus Rothemann südlich von Fulda ist 95 Jahre alt. Bei der Weihe der Kapelle im Jahr 1935 war er neun. Er erinnert sich an diese Zeit.



Kapelle auf dem Steinhauck bei Fulda: Marienstatue und Heiligengruppe, ganz links der heilige Vitus


Hermann Martin ist nicht nur Augenzeuge. Er ist auch in der Kapelle oberhalb des Orts verewigt. Auf dem Wandgemälde trägt einer der abgebildeten Heiligen, der heilige Vitus, seine Gesichtszüge im Kindesalter. Entstanden ist das Gemälde aber erst zwei Jahre nach der Einweihung durch die beiden Kunstmaler Wirth und Klee aus Eiterfeld.


Das Bild des heiligen Vitus und Hermann Martin heute. Bild privat

Die Skizzen für die Kapellenwand entstanden im Schulhaus von Rothemann. Hermann Martins Vater Karl war Lehrer des Orts und Initiator des Kapellenbaus. Der Vitus des Wandgemäldes trägt einen Palmzweig in seiner Hand. „Für die Skizze hielt ich den Schulstock meines Vaters in der Hand“, erinnert sich Martin, der heute in einem Altenheim wohnt. Er war aber nicht das einzige Familienmitglied, das für Skizzen der Gesichtszüge zur Verfügung stand. Seine sechs Jahre ältere Schwester Lieselotte ist in der heiligen Barbara an der Kapellenwand verewigt. Insgesamt sind neun Heilige an der Wand hinter der Marienstatue abgebildet. Neben den bereits genannten Barbara und Vitus sind es weitere Schutzpatrone von Rothemann: Anna, Antonius der Einsiedler, Maria Magdalena, Pantaleon, Rochus, Valentin und Wendelinus.

Freiwillige hauen die Sandsteinblöcke
„Ohne meinen Vater gäbe es die Kapelle auf dem Steinhauck nicht“, betont Hermann Martin. Dieser habe den Bau organisiert. Und das hieß auch: Er setzte am 13. Mai 1935 ein Rundschreiben auf, das er verteilen ließ. Darin lud er Männer, die etwas vom Bauhandwerk verstanden, zur Mitarbeit ein. So mussten in einem nahegelegenen Steinbruch am Rippberg Sandsteinblöcke rausgehauen werden. Daraus entstanden die Stufen und Podeste der Rosenkranztreppe. Sie wurden von Steinhauern in Rothemann bearbeitet. Um die Steine den Anstieg zum Steinhauck hochzubekommen, reichten zwei Pferde nicht aus. „Da mussten vier angespannt werden“, erinnert sich Martin.

Einweihung kurz nach der Baugenehmigung
Martin weist auf eine Kuriosität beim Bau hin. „Als die Kapelle quasi schon fertig errichtet war, merkte man, dass niemand an die Baugenehmigung gedacht hatte“. So kommt es, dass die Baugenehmigung auf den 10. Oktober datiert ist. Und die Einweihung bereits am 27. Oktober stattfand. Der 95-jährige Zeitzeuge erinnert sich an den Vorabend der Einweihung auf dem Steinhauck. „Alle, die mitgeschafft hatten, wallten um die Kapelle. Dabei sangen wir das Lied ,Großer Gott, wir loben dich‘. Und einer läutete das Glöckchen der Kapelle dazu.“

Von Hans-Joachim Stoehr