Repair-Café in Lingen

Reparieren statt wegwerfen

Image
Ein junger Mann sitzt vor einem aufgeschraubten elektronischen Gerät. Zwei weitere Personen stehen daneben und nutzen einen Schraubenzieher
Nachweis

Foto: Petra Diek-Münchow

Caption

Vielleicht klappt es: Simon Helmingdirks versucht, einen CD-Player zu reparieren. Marianne Schlütke-Bührs hofft für den Besitzer auf einen Erfolg. Foto: Petra Diek-Münchow

Erst ein knappes Jahr alt und die Stehlampe ist schon kaputt. Aber gleich in die Mülltonne und eine neue kaufen? Das gucken wir uns erstmal an – sagen Menschen, die sich ehrenamtlich in „Repair-Cafés“ engagieren. Zum Beispiel im emsländischen Lingen.

Jonte ist traurig. Er hält seinen ferngesteuerten Muldenkipper in der Hand – der funktioniert nicht richtig. „Der blinkt bloß noch, aber er fährt nicht mehr“, sagt der vierjährige Junge. Er schaut auf Enno Seeker und Udo Temme. Die machen sich gleich daran und schrauben das Spielzeugauto auseinander. „Mal gucken, ob wir da was machen können“, sagt Enno Seeker.

Die zwei Männer gehören zu den 14 Ehrenamtlichen im „Repair-Cafe“ im Lingener Stadtteil Gauerbach. Alle acht Wochen öffnet diese etwas andere Reparaturwerkstatt im Bürgerzentrum am Jägerplatz: immer samstags von 14 bis 17 Uhr, das nächste Mal am 1. Juni. Jeder Gast, der einen defekten Staubsauger, Toaster, Mixer oder Kaffeeautomaten hat, kann kommen und auf eine kostenlose Instandsetzung hoffen. Dafür stehen jede Menge Expertinnen und Experten parat: Elektriker und Tischler genauso wie Fahrradspezialisten und Näherinnen. Nicht immer klappt es, aber oft. Auch ihre Stehlampe kann eine Besucherin wieder funktionstüchtig mit nach Hause nehmen.

Große Resonanz im Repair-Café

Hinter der Nachbarschaftsinitiative stehen Ralf Haberland und Marianne Schlütke-Bührs. Haberland hatte bei einem Besuch in Dortmund, wo sein Sohn lebt, ein „Repair-Café“ kennengelernt und war schnell davon begeistert. Bei seiner Mitstreiterin rannte er mit der Idee, etwas Ähnliches im eigenen Stadtteil zu organisieren, sofort offene Türen ein. Wertvolle Tipps bekamen beide von der niederländischen „Stichting Repair Café“ (siehe auch „Zur Sache“), die lokalen Gruppen mit einem Starterpaket Unterstützung anbietet. „Die 49 Euro dafür waren gut investiert“, sagt Haberland. Passende Räume sind zum Beispiel wichtig. In Gauerbach kann das Team das von zwei Kirchen, der Stadt und einem Förderkreis getragene Gemeindezentrum nutzen.

Und das „Repair-Café“ stößt auf große Resonanz, es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Bis zu 100 Gäste zählt Marianne Schlütke-Bührs meist und auf ihrem Tisch stapeln sich bis zu 50 Reparaturaufträge. Sie freut sich, dass zahlreiche Menschen das Projekt so gut annehmen und sich damit gleichfalls für mehr Nachhaltigkeit und den Schutz der Schöpfung starkmachen. „Wir werfen viel zu schnell viel zu viele Sachen weg“, sagt sie. Gegenstände zu reparieren, statt gleich zu entsorgen, spart Müll, Rohstoffe und Energie. „Und außerdem schont es den Geldbeutel“, sagt Haberland und denkt an Leute, die sich keinen neuen Staubsauger oder eine neue Jacke leisten können.

Jeans geflickt und Pullover gestopft

Das wissen auch Anni Thesing, Angela Berendzen und Monika Krieger. Die Frauen aus der Handarbeitsgruppe der örtlichen katholischen Frauengemeinschaft (kfd) lassen ihre Nähmaschinen rattern. An diesem Nachmittag haben sie neue Reißverschlüsse eingesetzt, Jeans geflickt und Pullover ausgebessert. Eine Besucherin hat einen ganzen Beutel mit Wünschen mitgebracht: lose Nähte am Wäschesack, ein löchriger Zugluftstopper und das Pulsband sitzt auch viel zu locker. In allen Fällen können die kfd-Frauen helfen. „Ist doch besser, als alles wegzuwerfen“, meint Anni Thesing.

Dass ihr Gäste über die Schulter schauen, stört sie nicht. Ganz im Gegenteil. Denn vielleicht gucken die Besucherinnen und Besucher sich noch etwas ab, damit sie künftig selbst zu Nadel und Faden greifen können. Diesen Nebeneffekt begrüßen Ralf Haberland und Marianne Schlütke-Bührs ausdrücklich. Das Wissen um kleinere Alltagsreparaturen schwindet zunehmend. Längst nicht mehr jeder weiß heute noch, wie man Socken stopft. Zudem schaffen die Gespräche über Tipps und Tricks Kontakte.

Kuchen beim Warten

Daher gehört auch die Kaffeetafel zum „Repair-Café“. Während die Leute warten, trinken sie etwas, essen ein Stück Kuchen und plaudern. Gerade diesen Aspekt findet Holger Berentzen „klasse“. Der Dekanatsreferent aus dem südlichen Emsland unterstützt die Initiative mit Werbung in Pfarrbriefen und versucht so oft wie möglich, selbst dabei zu sein. „Da entsteht ganz viel Kommunikation“, sagt er. „Ein wirklich wunderbares Projekt.“

 

Zur Sache

Verbände oder Initiativen, die einen Reparaturtreff eröffnen wollen, sollten im Vorfeld verschiedene Voraussetzungen klären.

Welche Räume stehen zur Verfügung und wie hoch ist die Miete? Lassen sie sich heizen?

Haben die Ehrenamtlichen, die Geräte reparieren sollen, genügend Platz? Gibt es stabile Tische, Stromanschlüsse, Platz für Werkzeug?

Stehen die Nähmaschinen an einem staubfreien Ort?

Wer finanziert das Werkzeug (zum Beispiel ein Stromprüfgerät)?

Gibt es genügend Platz für die Kunden, die warten? Kann man ein Café als Treffpunkt einrichten? Wer backt die Kuchen?

Stehen genügend Ehrenamtliche zur Verfügung (Reparieren, Cafébetrieb, Organisation)? Sind die Ehrenamtlichen versichert?

Wer übernimmt die Öffentlichkeitsarbeit (Flyer, Plakate, Instagram)?

Wie viel Geld ist in der Kasse, um die laufenden Ausgaben zu decken?

Wie oft wollen wir öffnen? Wie soll der Treffpunkt heißen?

Wollen wir uns „Repair Café“ (geschützter Begriff) nennen und vernetzen? Weitere Infos: www.repaircafe/org (kol)

Petra Diek-Münchow