Sargenzeller Früchteteppich

Rittersporn für die Wellen

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Frauen legen den Sargenzeller Früchteteppich
Nachweis

Foto: Rudolf Karpe

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Maria Zackl-Fritsch und Heike Richter haben im Team mit anderen das Motiv gelegt.

Mit einem selbst gelegten Erntedank-Teppich haben Gemeindemitglieder in Sargenzell vor 37 Jahren ihre Kirche gerettet. Heute ist der Früchteteppich eine Attraktion in der Gegend. Die Künstlerinnen selbst finden, die Arbeit tue der Seele gut.

Getrocknete weibliche Brennnesselsamen ergeben ein schönes Olivgrün, weiß Maria Zackl-Fritsch. „Als ich heute Morgen spazieren war, habe ich gleich ein Bündel für nächstes Jahr gepflückt. Seit ich beim Legen des Sargenzeller Früchteteppichs mithelfe, habe ich einen ganz neuen Blick auf die Natur, sehe, was sie uns an Farben schenkt“, erzählt die Rentnerin und Malerin, die ihre Werke auch in der Region ausstellt.

Seit drei Jahren hilft Zackl-Fritsch aus Burghaun, getrocknete Früchte, gemahlene Blüten- und Blumenblätter, Gewürzkörner und Samen zu legen. Der Sargenzeller Früchteteppich ist seit 37 Jahren eine Attraktion rund um Hünfeld. Das erste Motiv wurde 1988 als traditioneller Erntedank-Teppich gelegt. Gemeindemitglieder wollten mit seiner Ausstellung Spenden zum Erhalt der neugotischen Kirche sammeln. Die Gemeinde war in eine neuere Kirche umgezogen. Die alte Kirche sollte nun abgerissen werden.

Das Team hatte Erfolg. Die Kirche wurde nicht nur gerettet. In den vergangenen Jahren kamen jeweils rund 45 000 Besucher und Besucherinnen in den Stadtteil von Hünfeld. Bis heute sind alle Einnahmen für den Förderverein der „Alten Kirche“ bestimmt. Ihr Erhalt ist damit gesichert. Sollten Gelder übrig sein, werden sie an soziale Projekte gespendet.

Einnahmen werden gespendet

Sargenzeller Früchteteppich
Der Früchteteppich in Sargenzell
Foto: Rudolf Karpe

In diesem Jahr ergeben bis zu 80 verschiedene Farbtöne aus Naturmaterialien eine künstlerische Darstellung der Bibelstelle von Lukas 8,22–25: „Der Sturm auf dem See“. Auf dem Boden der Kirche liegen Rittersporn, Hornschotenklee, Amaranth, Chili, gemahlene Gewürznelken, schwarzer Tee, Lampionblumen und Blutpflaume. Weich wie ein Samtteppich sieht das 28 Quadratmeter große Bild aus. Das Motiv hat die Hünfelder Künstlerin Heike Richter entworfen. Seit 2018 ist sie die künstlerische Leiterin in Sargenzell. „Wir leben in stürmischen Zeiten. Alle fragen sich, wem können wir noch vertrauen? Da schien mir die Bibelstelle passend, die zeigt, wie Jesus den Sturm beruhigt“, sagt Richter.

Zu Beginn malt sie das Motiv im kleinen Format, auf vier mal sechs Meter. Mitte Juni wird es auf Spanplatten übertragen, die fest auf dem Boden der Kirche verankert werden. Einige Farbtöpfe aus Naturmaterialien hat das Team noch aus dem vergangenen Jahr vorrätig. Dazu bekommen die Frauen gespendete Blüten und Samen. Auch sammeln sie das Jahr über selbst und kaufen zu, manchmal online aus fernen Ländern.

Equipment für den Früchteteppich
Gesammelte Früchte und Samen für den Teppich
Foto: Rudolf Karpe

Jede der zehn ehrenamtlichen Legerinnen bekommt einen Bereich zugeteilt. Vier Helferinnen haben die Aufgabe, verfärbtes Material auszusortieren und zu waschen. Zehn bis zwölf Wochen lang treffen sich die Frauen an vier Abenden in der Woche und legen den Teppich in einer flachen Schicht. Immer sieben Frauen arbeiten gleichzeitig kniend mit Löffel und Pinzette. Welches Naturmaterial an welche Stelle kommt, ist nicht vorgegeben. Das Team probiert viel aus. Insgesamt haben sie etwa 200 Farbtöne zur Auswahl.

Rot ist schwer zu finden. Um Farbabstufungen zu erreichen, mischt Heike Richter getrocknete Blüten mit Milchreis. „Es macht sehr viel Spaß zu sehen, wie viel wir aus der Natur herausholen können“, sagt sie. Helferin Zackl-Fritsch sagt: „Heike hat alles im Kopf. Das ist beeindruckend. Manchmal sind wir nicht zufrieden und dann kommt auch der Handstaubsauger zum Einsatz.“

„Das ist ein schöner Abend“

Während die Ausstellung läuft, halten die Helferinnen die Farben in Dosen und Gläsern parat. Mehrmals in der Woche kommt einer von ihnen vorbei und bessert Schäden aus. Denn immer mal wieder passiert es, dass Menschen ihr Handy oder ihre Handtasche über dem Früchtebild fallen lassen. Manch ein Besucher oder eine Besucherin kann es sich nicht verkneifen, zu fühlen, wie weich der Teppich ist. Auch Fliegen, Käfer oder Motten setzen dem Bild über die Wochen zu.

Wenn die Ausstellung zu Ende ist, sind die Frauen einerseits traurig, dass ihr Werk abgebaut wird. Andererseits sind sie schon gespannt, was sie im nächsten Jahr erwartet. Wieder mit dabei sein wird wahrscheinlich auch Maria Zackl-Fritsch. „Ich genieße die zwei Stunden stilles, konzentriertes Arbeiten in der kleinen Kirche. Sie hat eine besondere Atmosphäre. Es liegt ein herrlicher Duft von Gewürzen und Blüten im Raum. Im Anschluss bleiben wir noch zusammen und tauschen uns aus. Das ist ein schöner Abend. Die Arbeit tut meiner Seele gut“, sagt sie.

Theresa Breinlich

Mehr als 150 Freiwillige engagieren sich beim Sargenzeller Früchteteppich, passen auf und bieten Führungen an. Der „Sturm auf dem See“ ist in der Alten Kirche (Salugoweg 1) täglich von 10.30 Uhr bis 16.30 Uhr bis zum 9. November zu sehen. Der Eintritt ist frei. Um Spenden wird gebeten. Gruppen sollen sich bei der Tourist-Info Hessisches Kegelspiel, Telefon 06652 180195 anmelden. E-Mail: info@fruechteteppich.de