Schnelle Trauer gibt es nicht

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Person am Strand bei dunklem Himmel.
Nachweis

Foto: Stefanie Langos

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Ostsee im Winter. Ein Weg am Strand hilft, die Gedanken zu ordnen.

Schon zum wiederholten Mal bietet der ambulante Hospizdienst in Mecklenburg eine Trauerreise an die Ostsee an. Mit drei Begleiterinnen können sich die Teilnehmer dort gemeinsam und individuell mit ihrer Trauer auseinandersetzen.

Der Tod gehört zum Leben. Aber der Tod kommt in unterschiedlichen Gestalten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Bei manchen Menschen erst, wenn sie schon ein langes, erfülltes Leben gelebt haben und bereit sind, Abschied zu nehmen. Manche Menschen werden regelrecht aus dem Leben gerissen und lassen auch ihre Angehörigen mit einer tiefen Erschütterung zurück. Jeder Verstorbene hinterlässt jemanden, der um ihn trauert. Trauer ist individuell. Sie braucht Zeit. Und sie ist anstrengend.

„Trauer kann man nicht zurücklassen, die geht immer mit“, sagt Iris Zellmer. Sie arbeitet schon seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Begleitung sterbender und trauernder Menschen. Im kommenden Februar leitet sie zum wiederholten Mal eine einwöchige Trauerreise an die Ostsee, gemeinsam mit Regina Graw und Helke Marienhagen vom ambulanten Hospizdienst der Caritas. Vom 23. Februar bis 1. März 2024 geht es nach Graal-Müritz, das Tagungshaus liegt nah am Meer.

Ein Urlaub sei das aber nicht, sagt Regina Graw. Im Gegenteil, die Woche sei gefüllt mit intensiver Trauerarbeit und sehr anstrengend. „Die Teilnehmer müssen die Bereitschaft zu richtiger Arbeit mitbringen“, sagt Graw. Deshalb gehöre Mut dazu, sich auf eine solche Reise zu begeben.

Für jeden Tag auf der Trauerreise gibt es eine Struktur. Morgens wird nach dem gemeinsamen Frühstück das Thema des Tages vorgestellt. Die Gruppe startet auch mit aktiven körperlichen Übungen in den Tag. Vormittags und nachmittags wird ungefähr drei Stunden lang gemeinsam gearbeitet. Das können Gespräche sein, aber auch kreative Einheiten, bei denen die Teilnehmer sich etwa durch Malen oder Basteln mit ihrer Trauer auseinandersetzen. Den Kursleiterinnen ist wichtig, dass alle Inhalte nur Angebote sind: niemand muss, aber jeder darf bei allen Aktivitäten mitmachen. Abends hat die Gruppe dann den Freiraum, ohne die Kursleitung Zeit zusammen zu verbringen. Natürlich sprechen die Teilnehmer auch außerhalb der Kurszeiten über ihre Verluste – aber nicht nur. „Freiräume entstehen, wenn Trauernde unter Trauernden sind“, sagt Iris Zellmer.

Ein Netz, in dem man sich getragen fühlt

Auch wenn jeder Verlust individuell sei, fühlen die Teilnehmer sich oft über die Trauer miteinander verbunden. Dann können sie auch besser loslassen: Nicht selten höre man abends aus der Runde der Teilnehmer schallendes Gelächter, so Regina Graw.

Durch die Trauerarbeit und die Momente außerhalb der Einheiten sollen die Teilnehmer gestärkt aus der Woche gehen. Dazu müssen sie auch viel mehr Rücksicht aufeinander nehmen und bereit sein, sich selbst zu öffnen, aber auch anderen zuzuhören. Immer wieder gebe es das Bedürfnis nach Einzelgesprächen, sagen die Kursleiterinnen Graw und Zellmer. Um das zu ermöglichen, sei es gut, dass sie die Woche zu dritt anleiten. Iris Zellmer rät den anderen Koordinatorinnen Graw und Marienhagen aber auch: „Nehmt euch für die Woche nach der Trauerreise nichts vor – ihr seid danach platt.“ Auch für sie sei es häufig berührend, von den individuellen Verlusten der Teilnehmer zu erfahren und gemeinsam mit ihnen an ihrer Trauer zu arbeiten. Dabei könne sie aber selbst jedes Mal ganz viel lernen und das dann wiederum an andere Trauernde weitergeben.

Die Bandbreite an Menschen, die bisher bei solchen Trauerreisen mitgemacht haben, ist groß. Von Menschen, die jung einen Partner, ein Elternteil oder ein Familienmitglied verloren haben, bis hin zu alten Menschen, deren Partner verstorben ist. Manche haben erst vor Kurzem einen geliebten Menschen verloren, bei anderen liegt der Tod schon mehrere Jahre zurück. Regina Graw sagt: „Es gibt keine Trauer, die schnell geht, und dann ist sofort alles wieder gut.“ Jeder Trauernde brauche seine Zeit. Das heiße auch nicht, dass die Teilnehmer todtraurige Menschen seien, die nicht mehr lebensfähig seien. „Das sind gestandene Menschen.“

Aber es müsse einen Raum geben, in dem Trauernde nicht funktionieren müssen, sondern – mit ihrer Trauer und all ihren anderen individuellen Eigenschaften – einfach da sein dürfen.

Die Kursleiterinnen sind dankbar dafür, dass die Caritas Mecklenburg und die Diakonie Güstrow das Angebot mittragen und damit die Begleitung von Trauernden unterstützen. Es gab in der Vergangenheit auch schon Gruppen, die sich bei einer Trauerreise kennengelernt haben, und seitdem jedes Jahr privat eine gemeinsame Reise organisieren. Von vielen Teilnehmern habe es in der Vergangenheit nach einer Trauerreise auch die Rückmeldung gegeben: „Das verändert einen.“

Regina Graw und Iris Zellmer sehen für sich einen klaren Auftrag: Wir müssen das Netz bilden, in dem die Trauernden sich getragen fühlen. Und irgendwann nehmen sie das Netz selbst in die Hand und tragen sich selbst.“

Interessierte können für eine Anmeldung, Nachfragen und weitere Informationen per Telefon oder E-Mail Kontakt mit der Ansprechpartnerin Regina Graw aufnehmen: 0162 / 300 33 26 / regina.graw@caritas-im-norden.de

Melanie Giering