Freiwillige Feuerwehr Norderney

Wer kommt, wenn's auf der Insel brennt?

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Zwei Männer in Uniform vor einem roten Feuerwehrauto mit Aufschrift: Freiwillige Feuerwehr Norderney.
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Foto: Petra Diek-Münchow

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Feuerwehrkameraden: Stadtbrandmeister Ralf Jürrens (l.) und Pfarrbeauftragter Markus Fuhrmann (r.) bei der Feuerwache auf Norderney. 

Markus Fuhrmann arbeitet für die katholische Kirchengemeinde auf Norderney: als Pfarrbeauftragter, Diakon und Notfallseelsorger. Seit einigen Wochen gehört er auch der Freiwilligen Feuerwehr auf der Insel an. Wie die anderen Frauen und Männer fährt „Truppmann Markus“ zu fast jedem Einsatz mit raus. Warum der Job nicht Hobby, sondern Berufung ist.

Als Mitglied der Inselfeuerwehr Norderney muss sich Markus Fuhrmann auf ganz verschiedene Gefahrenlagen einstellen. Wie neulich an einem Dienstagvormittag. Da piept der Meldeempfänger an seinem Gürtel das erste Mal gleich morgens – in einer Kleingartenanlage auf Norderney brennt es. Schnell können die ausgerückten Feuerwehrleute mit Fuhrmann in ihren Reihen das Feuer löschen. Wieder im Pfarrhaus angekommen, erledigt er ein paar Anrufe, unter anderem den mit der Kirchenzeitung. Mittendrin geht im Hintergrund die Sirene los. „Tut mir leid, aber ich muss noch mal raus“, sagt er am Telefon und flitzt erneut los.

„Wir müssen quasi autark sein.“

Ralf Jürrens schmunzelt, als Markus Fuhrmann davon später erzählt. „So ist das manchmal“, sagt der Stadtbrandmeister in der Feuerwache am Wasserturm. „Vier Tage ist nix, aber dann gibt es vier Einsätze an einem Tag.“ Jürrens leitet mit Jörg Saathoff die 82 Frauen und Männer starke Truppe auf Norderney. Bis zu 150 Einsätze stehen in der Jahresbilanz der mit zwölf Fahrzeugen und zwei Drehleitern ausgestatteten Wehr. „Die Ausstattung brauchen wir auch, wir müssen quasi autark sein“, sagt Jürrens. Auf Unterstützung vom Festland zu warten, würde im Ernstfall zu lange dauern.

„Es ist schön, ein echter Feuerwehrmann zu sein“, sagt Markus Fuhrmann.

Die Einsätze decken die ganze Bandbreite ab. „Alles, was auf dem Festland passiert, haben wir auch und manchmal noch eine Schaufel drauf“, sagt Jürrens und denkt dabei an hunderttausende von Übernachtungs- und Tagesgästen pro Jahr. Mal gibt es einen Verkehrsunfall, dann brennt die vergessene Plastiktüte auf der Herdplatte, dann steckt jemand im Fahrstuhl fest. Oder jemand wird vermisst, wie vor einiger Zeit eine demenziell erkrankte Patientin. Gottlob konnte die Frau rechtzeitig entdeckt werden. „Aber manchmal haben wir auch Einsätze mit Todesfolge“, sagt er ernst. „Und dann sind wir mega froh, dass wir einen so guten Kameraden wie Markus haben.“

„Und dann sind wir mega froh, dass wir einen so guten Kameraden wie Markus haben.“

Seit dem Frühjahr gehört Fuhrmann der Freiwilligen Feuerwehr an. Er hat wie die anderen Mitglieder eine mehrmonatige Ausbildung in Theorie und Praxis absolviert. In seinem Spind mit der Nummer 47 hängt nun die komplette Ausrüstung, vom Helm bis zu den Stiefeln. So passend hingestellt, dass er jederzeit hineinspringen könnte. Und am Gürtel trägt er stets den digitalen Meldeempfänger.

Predigen, taufen, beerdigen - und Feuerlöschen

Nur wenn Fuhrmann zum Beispiel Gottesdienst feiert, eine Beerdigung oder eine Taufe übernimmt, meldet er sich über die App ab, damit nicht im unpassenden Moment der Alarm schrillt. Denn hauptberuflich arbeitet Markus Fuhrmann seit 2014 für das Bistum Osnabrück auf Norderney. Gemeinsam mit seiner Frau Siri, Seelsorgerin in den Caritas-Kurkliniken auf Norderney, ist er auf die Insel gewechselt. „Wir wollten an einem Ort zusammen für die Kirche arbeiten.“ Als Pfarrbeauftragter leitet Fuhrmann die 1100 Mitglieder zählende Gemeinde, ist geweihter Diakon und engagiert sich in der Notfall- und Touristenseelsorge. 

Er predigt, traut, tauft und beerdigt, feiert Gottesdienste mit Kommunionausteilung, kümmert sich um Finanzen und Personal. Für bestimmte Messen, Erstkommunion oder Firmungen kommen Gastpriester auf die Insel, „wobei das schwieriger wird“. Das ganze Pensum schafft das Ehepaar nur dank des hohen Anteils von Engagierten, die „schnell mit anpacken“.

Erlebnisse, die einen bis heute begleiten

Und wie kam er zur Feuerwehr? Als Notfallseelsorger und Fachberater für die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) hatte Fuhrmann schon erlebt, wie belastend manche Ereignisse für Betroffene wie für Einsatzkräfte sein können. Da ist es wichtig, bei Bedarf vor dem ersten Nachtschlaf darüber reden zu können. „Irgendwann ist der Eimer voll und dann läuft er über“, bestätigt Ralf Jürrens und kann sich in seinem langen Feuerwehrleben an Erlebnisse erinnern, „die mich bis heute begleiten“. Dass dann jemand wie Markus Fuhrmann mit am Tisch sitzt, besser kann es nicht gehen“.

„Besser kann es nicht gehen.“

So hat der Diakon auch erlebt, was die Feuerwehrleute mit hoher Professionalität leisten. Hat gesehen, wie bei einem Alarm die Frauen und Männer aus allen Richtungen minutenschnell zur Feuerwache rennen, radeln, fahren. Sich in die Montur werfen und ins Fahrzeug springen. „Da kann man sehen, was es heißt, sich für andere einzusetzen und füreinander da zu sein“, sagt er. „Das ist kein Hobby, das ist eine Berufung.“

Die Frage, ob er „so ganz richtig mitmachen will“, ist irgendwann eine fast logische Entwicklung und überrascht ihn nicht wirklich. Er kommt zu einem Übungsabend, kommt das nächste Mal gerne wieder, trainiert schon mal mit – „und zack hatte ich einen Spind“. Da fehlte dann nur noch die Ausbildung mit 15 anderen Frauen und Männern und die erfolgreiche Prüfung.

Ein Teil der großen Blaulichtfamilie

Wer ihn heute im Feuerwehrhaus erlebt, sieht schnell, wie wohl er sich in der Blaulichtfamilie fühlt und wie willkommen er ist. „Es ist schön, ein echter Feuerwehrmann zu sein“, sagt Markus Fuhrmann mit einem Lächeln. Wichtig ist ihm, „als ganz normaler Typ“ dabei zu sein, der nicht mit religiösen Fachausdrücken „um sich wirft“. Sondern als Kamerad Markus, der mit anpackt, mit hinausfährt, mit löscht und hilft.

Von dem die Feuerwehrleute aber zugleich wissen, dass er bei Bedarf ein offenes Ohr für sie hat, weil sich einige Erlebnisse nicht wie die Uniform ablegen lassen. Und so profitieren Haupt- und Ehrenamt voneinander. „Ich habe jetzt eine ganz andere Nähe und kann mich besser in ihre Situation hineinversetzen“, sagt er. Das schlägt eine Brücke, macht Gespräche einfacher – und weitet den Blick. Auf beiden Seiten.

Petra Diek-Münchow