Ministranten im Bistum Osnabrück

Wichtig für die Wertebildung

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Rückläufige Ministrantenzahlen sind kein Grund zur Sorge. Warum? Das weiß Timo Hilberink, Referent für Ministrantenpastoral. Außerdem erklärt er, was Gemeinden für mehr Vertrauen tun können und wie sich Jung und Alt am Altar sinnvoll ergänzen. Denn es gibt mittlerweile auch viele erwachsene Messdienerinnen und Messdiener, die sich in Liturgiekursen und in der Praxis fit machen.


Den Ablauf einer Messe in die richtige Reihenfolge bringen: eine knifflige Aufgabe für angehende erwachsene Ministranten, die einen Kurs „Basiswissen Liturgie“ besuchen. Foto: Anja Sabel

Wie hoch ist der Anteil erwachsener Ministrantinnen und Ministranten im Bistum Osnabrück?

Eine Zählung im Jahr 2015 hat eine Zahl von etwa 1000 ergeben. Das entspricht einem Anteil von rund zehn Prozent.

Sind Sie denn auch Ansprechpartner für die Erwachsenen?

Meine Aufgaben sind ausschließlich in der Jugendpastoral angesiedelt. Es kommen aber Anfragen erwachsener Interessenten, die ich dann an den Bereich Liturgie weiterleite. So gibt es jetzt zum Beispiel Liturgiekurse, die nicht nur für Kommunionhelfer und Lektoren ausgeschrieben werden, sondern auch für erwachsene Ministranten.

Und wie können sich Erwachsene in der Praxis fit machen für den Altardienst?

Ich glaube, dass es da unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Männer, die schon als Kinder und Jugendliche ministriert haben, wollen ihr Wissen nur auffrischen. Andere, die ganz neu einsteigen, könnten sich vom jeweiligen Küster oder Pfarrer, aber auch erfahrenen Jugendlichen in den Ministrantendienst einweisen lassen.

Das heißt, Erwachsene müssen sich nicht den Ausbildungskursen der jungen Ministranten anschließen?

Nein. Aber grundsätzlich kann das jede Gemeinde handhaben, wie sie will. Auch was die Wahl der Gruppenleiter betrifft. Vor einigen Jahren habe ich von einer Kirchengemeinde gehört, in der zwei Väter den Nachwuchs ausbildeten – Väter, die früher selbst Ministranten waren. Das fand ich spannend, weil es selten und zugleich eine Chance ist, dass Männer auf so praktische Weise den Glauben weitergeben.

Wie können sich junge Ministranten und ältere Semester sinnvoll ergänzen?

Der Klassiker für den Einsatz Erwachsener sind Beerdigungen. Wo sie vormittags stattfinden, sind Kinder und Jugendliche in der Schule. Und auch so manche Beerdigung am Nachmittag liegt für junge Leute zeitlich ungünstig. Da ist es schon von Vorteil, wenn man bei einem Seniorenministranten anfragen kann. Darüber hinaus werbe ich dafür, den Altardienst auch in Werktagsgottesdiensten zu übernehmen.  

Wie steht es um den klassischen Ministrantennachwuchs? Was verändert sich?

Die Zahlen sind rückläufig. In einigen Gemeinden gibt es manchmal gar keine Neuaufnahmen. Parallel dazu sinkt die Zahl der Gottesdienste. In meiner Heimatgemeinde gab es früher wie fast überall drei Messen am Sonntag. Jetzt findet an vielen Kirchenstandorten nur noch ein Sonntagsgottesdienst statt. Das heißt: Wo vielleicht zwölf Messdiener gebraucht wurden, sind es jetzt nur noch vier. So kommt es vor, dass die Gruppen zwar kleiner geworden sind, der Einzelne aber trotzdem nur selten zum Einsatz kommen.


Timo Hilberink, Referent für Ministrantenpastoral
Foto: privat

Welche Rolle spielen die Missbrauchsfälle und der damit verbundene Vertrauensverlust bei den weniger werdenden Ministranten?

Das wirkt sich mit Sicherheit aus. Die Messdienerarbeit lebt von einem Vertrauensvorschuss. Da hilft es grundsätzlich, wenn sich alle Beteiligten – Priester, Hauptamtliche, Gruppenleiter, Eltern und Messdiener – gut kennen. Die Missbrauchsfälle haben in den betroffenen Gemeinden dieses Vertrauen in gut bekannte Personen erschüttert. Auch andernorts verstärkt sich die Unsicherheit.

Also müssen sich die Gemeinden auch mit der Vertrauensfrage beschäftigen ...

Ja, und sie müssen selber aktiver werden. Wenn es in der Erstkommunionvorbereitung um die Frage geht, wer Ministrant werden will, sollten sich auf jeden Fall auch die Verantwortlichen für die Messdienerarbeit vorstellen. Gesicht zu zeigen und sich kennenzulernen, ist wichtig. Und man sollte dabei ruhig darauf hinweisen, dass alle Verantwortlichen Präventionsschulungen besuchen. Dazu sind sie durch ein bischöfliches Gesetz verpflichtet. Ziel solcher Schulungen: Sie sollen sensibler werden für einen achtsamen Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Wenn ich zum Beispiel in Küsterkursen über Ministrantenarbeit informiere, tauchen Fragen auf wie: „Darf ich am schiefsitzenden Gewand eines Ministranten zupfen oder muss ich vorher fragen?“ Darüber hinaus sollte eine Kultur der Aufmerksamkeit und Transparenz die Messdienerarbeit prägen. Das gilt für die Sakristei als meist „elternfreie Zone“ genauso wie für ein Miteinander aller auf Augenhöhe in den Gruppen und bei Gemeinschaftsaktionen.

Früher hieß es: „Ministranten stehen stellvertretend für die Gemeinde am Altar.“ Wie ist das heute?

Gottesdienst ist feiernde Gemeinde – bedeutet Gemeinschaft. Dass die Ministranten stellvertretend am Altar stehen, ist ein vorkonziliares Verständnis. Jeder, der mitfeiert, ist auf Grundlage der Taufe Subjekt der Liturgie, sowohl die Ministranten als auch die Gläubigen in der letzten Bank. Eine Gottesdienstfeier bildet die Vielfalt der Gemeinde ab. Jeder hat Anteil an der Feier und kann sich mit seinen Talenten einbringen. Die Ministranten helfen mit, dass Symbole anschaulich werden, indem sie zum Beispiel die Gaben zum Altar bringen – was elementar ist für die Eucharistiefeier.

Was lernen Ministranten fürs Leben?

Die Messdienerarbeit prägt – wenn sie gut begleitet wird und wenn die Gemeinschaft stimmt. Sie macht Kinder stark und selbstbewusst, weil sie ihnen vermittelt: „Du kannst etwas, wirst gebraucht und darfst auch mal einen Fehler machen.“ Mit steigender Erfahrung kann ich mehr Verantwortung bekommen. Es gibt eine Studie der Universität Münster, die untersucht hat, wann und unter welchen Bedingungen religiöses Lernen gelingt. Die Messdienerarbeit, heißt es darin, sei höchst bedeutsam für religiöse Wertebildung, Wissenserwerb und Glaubenspraxis. Und es gibt positive Synergieeffekte. Das heißt zum Beispiel: Wer Ministrant ist oder war, zeigt in der Regel mehr Interesse am Religionsunterricht.

Interview: Anja Sabel