Die Frage nach dem „Warum?“ beschäftigt die Menschen vor Ort.
„Wir sind alle entsetzt“
Montagmorgen, Katholische Schule Altona vor der ersten Stunde. Was empfinden, was sagen Menschen in einer Schule, die nicht überleben wird? Die Neue KirchenZeitung war dort und hat Eindrücke gesammelt.
Hinter vielen Fenstern der Schule brennt schon Licht. Im Dunkeln kommen die Schüler zur ersten Stunde eingetrudelt, in dicken Jacken und mit riesigen Ranzen auf dem Rücken. Noch einige Minuten warten – pünktlich um acht Uhr wird die Tür aufgehen. Heute ist kein normaler Schultag in der katholischen Schule am Dohrnweg. Es ist der erste Tag, an dem alle wissen: In vier Jahren wird die Tür zu bleiben. Dann wird es die Katholische Schule Altona nicht mehr geben. „Das ist hier eine gute Schule. Man kann hier Freunde finden“, sagt Catelina aus der fünften Klasse. Mark, der neben ihr im Schneegestöber steht, sagt: „Wir dürfen ja noch bleiben bis zur Zehnten. Mein Bruder aber nicht.“ Und er denkt weiter: „Was machen nur die ganzen Lehrer?“
Dass die Katholische Schule Altona eine gute Schule ist, wissen nicht nur die Kinder. Bei den Schulinspektionen gehörte sie immer zu den besten. Nicht zuletzt wegen ihrer sozialen Integrationskraft. Die Kinder, die in diese Schule gehen, kommen aus dem glanzlosen Teil Altonas. Hier leben Arm und Reich dicht beieinander. Zum Einzugsgebiet gehören das Schanzenviertel, St. Pauli, sogar aus Lurup kommen Schüler.
„Wir sind alle entsetzt“, sagt eine Lehrerin, die schon seit mehr als zehn Jahren an der Katholischen Schule Altona unterrichtet und nicht mit Namen genannt sein möchte. „Als wir es erfahren haben, haben einige im Lehrerzimmer geweint – ich auch.“ Arbeitslos wird sie zwar nicht, aber für Stadtteilschul-Lehrer gibt es in Hamburg künftig nur noch zwei katholische Schulen: in Eimsbüttel und in Billstedt. Bis zuletzt habe das ganze Kollegium gehofft – darauf, dass der künftige „Pastorale Orientierungsrahmen“ ein deutliches Votum für soziales Engagement und Ausstrahlung des Glaubens gibt und damit Rückendeckung gibt im Überlebenskampf.
Eigentlich hat die Schule alles richtig gemacht
Denn eigentlich hat diese Schule alles richtig gemacht. Eine gute pädagogische Arbeit, eine nicht nur räumliche Nähe zur Kirche St. Theresien, deren Umrisse sich auf der anderen Seite des Schulhofs abzeichnen. Auch zum Altenheim, wo die Schulkinder regelmäßig zu Gast sind und singen. Das einzige Problem ist das Geld. Als einzige katholische Schule steht der „Dohrnweg“ auf dem zweituntersten Level im Sozialindex für Hamburger Schulen. Das bedeutet zwar zusätzliche Förderung, mehr pädagogische Begleitung neben dem eigentlichen Unterricht, aber auch weniger Schulgeld-Einnahmen als anderswo.
„Es geht uns nicht gut mit dieser Entscheidung“, sagt Schulleiterin Bärbel Dörnte. Sie ist schon lange vor Schulbeginn in ihr Büro gekommen, trägt die Tageszeitung unter dem Arm und regelt schnell das Wichtigste für den Tag. „Die Nachricht hat uns besonders hart getroffen. Wir hatten immer noch die Hoffnung, dass unser pädagogisches und soziales Profil berücksichtigt wird.“ Protestaktionen und Solidaritätsbekundungen nimmt die Schulleiterin zur Kenntnis. Sie selbst hat im Moment anderes im Sinn. „Wir müssen diese Tage nutzen, um den Eltern behilflich zu sein. Diejenigen, die ihre Kinder für die erste Klasse oder die Vorschule angemeldet haben, müssen bis Freitag eine neue Schule finden.“
Die Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen, sehen das alles nicht so sachlich. Die Stimmung ist aufgeheizt, trotz der Kälte. „Ich hab zuerst gedacht, das ist ein Scherz“, sagt Diana Albuquerque. „Ich bin selbst zehn Jahre lang auf diese Schule gegangen. Mein Sohn ist in der ersten Klasse. Meine Nichte und zwei Cousinen sind hier. Ich gehöre zur Gemeinde, gehe zur Kirche, zahle Kirchensteuer und Schulgeld. Wo ist denn das Geld geblieben?“
Dass die Kinder zumindest bis zur vierten Klasse nicht die Schule wechseln müssen, beruhigt die Eltern nicht. Wie gut wird die Vorzeigeschule noch sein, wenn sie immer kleiner wird und am Ende nur noch eine Klasse da ist? Diana Albuquerque und eine andere Mutter wollen das nicht erleben. „Wir gehen jetzt los und suchen für unsere Kinder eine andere Schule.“
Text u. Foto: Andreas Hüser