Pastorin Ina Jäckel ist bei Instagram unterwegs

„Wir sind kein Stück heiliger“

Eine Frau im Talar

Foto: Petra Diek-Münchow

Zu Hause in Leer-Loga: Ina Jäckel arbeitet als Pastorin für die lutherische Gemeinde mit der Friedens- und der Petruskirche.

Pastorin, Mama von vier Kindern, Feministin und begeisterte Ostfriesin: So stellt sich Ina Jäckel selbst vor. Auf ihrem Instagram-Kanal erzählt sie als „dingens.von.kirchen“ von ihrem Leben zwischen Kirche und Familientrubel. Und das kommt offenbar gut an, denn mittlerweile folgen ihr über 42 000 Menschen bei der Online-Plattform.

Als Pastorin arbeitet Ina Jäckel mit ihrem Mann Benjamin seit 2017 für die lutherische Kirchengemeinde in Leer-Loga, die mit ihren gut 3000 Gliedern und zwei Kirchen zum Sprengel Ostfriesland-Ems gehört. Dort teilt sich das Ehepaar eineinhalb Pfarrstellen – und die 40-Jährige engagiert sich mit einer eigenen Beauftragung zusätzlich für das Thema digitale Kirche, vor allem bei Instagram. Was sie richtig und wichtig findet. „Unser Auftrag ist es doch, das Evangelium mit dieser tollen Botschaft in die Welt zu bringen“, sagt sie. Und gerade in den sozialen Medien sind nach ihrer Wahrnehmung „so viele Menschen in Massen unterwegs. Da müssen wir als Kirche einfach präsent sein“.

Angefangen hat Ina Jäckel mit ihrem Account „dingens.von.kirchen“ in der Corona-Zeit – um im Gespräch mit ihren Gemeindegliedern zu bleiben. Aber das Projekt zog schnell Kreise weit über Ostfriesland hinaus. „Plötzlich folgten mir Leute aus der ganzen Republik“, sagt sie und klingt noch immer ein bisschen überrascht über die stetig wachsenden Zahlen. Sie sieht darin eine „ganz feine Möglichkeit“ zum Kontakt: für Menschen, die sonst vielleicht nie in eine Kirche kommen würden, aber mit ihren Fragen auf der Suche sind. Manchmal reicht da eine kurze Notiz über die Nachrichtenfunktion, manchmal wird es eine längere Mail auch abends um 22 Uhr noch. „Ich nehme das sehr ernst, was die Leute mir schreiben.“

Zwischen Kirche, Kanzel und Familie

Dieser Tiefgang mag den Erfolg des Kanals erklären. Und die erfrischende Offenheit, gepaart mit Authentizität und Humor, mit der die Pastorin aus ihrem Alltag zwischen Kirche, Kanzel und Familie berichtet. Sie lässt die Leserinnen und Leser dabei einerseits hinter die Kulissen eines Pfarrhaushaltes gucken: mit Nutellaklecksen auf dem Frühstückstisch, fiebrigen Kindern, Wäschebergen und einer Küche, „die aussieht wie explodiert“. Wie in tausend anderen Haushalten auch, „wir sind kein Stück heiliger“. Und andererseits erzählt sie von ihrem Beruf, von ihrem Glauben, von anrührenden Erlebnissen bei Gottesdiensten, Seelsorgegesprächen oder Beerdigungen. Sie macht keinen Hehl daraus, wie anstrengend dieser „wilde Mix“ zuweilen ist, aber oft klingt zugleich große Dankbarkeit heraus. Weil sie ihre Arbeit als Geschenk begreift und an vielen Tagen „mit vollem Herzen ins Bett geht“.

Dabei will Ina Jäckel in jungen Jahren nicht mal Pastorin werden, sondern eher Lehrerin für Germanistik und Latein. Aber da sind die Erfahrungen von einem freien und fröhlich erlebten Glauben zu Hause im Elternhaus in Tichelwarf nahe Leer, im Kindergottesdienst der Heimatgemeinde und bei den Eltern ihres Freundes und späteren Mannes, ebenfalls ein Pastoren-Ehepaar. Und spätestens im Theologie-Studium in Göttingen verliebt sie sich endgültig in den Beruf. „Da hat es sich total mit meinen positiven Erinnerungen aus der Jugend verbunden.“ Der gemeinsame Weg führt die Jäckels nach dem Studium zuerst nach Ostfriesland, dann für eine Station nach Rotenburg/Wümme und wieder zurück in die Heimat nach Leer. Sehr bewusst und sehr gewollt. Sie mag den unaufgeregten Landstrich mit seiner grünen Weite, die plattdeutsche Muttersprache mit ihrem Witz und bildhaften Ausdrücken, die Leute mit ihrer freundlichen und direkten Art. „Das ist bodenständig und ich bin gern bodenständig.“

Ihr Glaube ist der feste Grund

Das passt genau zu der herzlichen und zugewandten Haltung, wie sie ihren Beruf ausübt. In manchen akademisch überfrachteten Runden früher im Hörsaal hat sie schnell gespürt, wie sie als Pastorin nicht sein möchte: hochtrabend, kompliziert, langatmig, theoretisch. Weil das ihrer Ansicht nach den Menschen eher das Gefühl gibt: Ich verstehe das nicht, ich komme da nicht rein, ich fühle mich fremd in so einer Kirche. Ina Jäckel ist auf der Kanzel wie bei sozialen Medien eine einfache Sprache wichtig und eine frohe Botschaft, die Gott im Alltäglichen entdeckt. Bei der der Glaube – wie für sie selbst – der feste Grund ist, „auf dem ich jeden Tag lebe und entscheide“.

Das schließt ein, dass sie öffentlich auch klar Stellung bezieht. Zu Intoleranz und Ausgrenzung, zu Frauenfeindlichkeit und verstaubten Bildern von Kirche. Das gefällt nicht jedem. Mitunter schaffen es manche, fast hasserfüllten Kommentare noch immer, sie trotz aller Routine zu überraschen. Wie die Reaktionen auf ein tanzendes Kind vor dem Altar: „Das scheint einige Leute echt noch aufzuregen.“ Oder bizarre Anmerkungen über ihre roten Fingernägel, ihr Piercing und dass sie zuweilen Leggings mit Leo-Print unter dem Talar trägt. Weil sie das Muster einfach gern mag. „Mein Mann ist noch nie gefragt worden, was er unter dem Talar trägt. Ich schon mehrfach“, sagt sie mit einem lächelnden Kopfschütteln. „Aber für unser Christsein ist es ja nun überhaupt nicht wichtig, was für eine Hose wir anhaben.“ Sie versucht, verstörende Sätze mit der Hölle als persönlicher Androhung nicht zu sehr an sich herankommen zu lassen – will sich aber auch nicht daran gewöhnen. „Da lösche ich dann schon mal was bei Instagram.“

Die allermeisten ihrer Followerinnen und Follower aber schätzen ihre Beiträge. Vor allem ihre tiefsinnigen Texte, die sie über Begegnungen mit bemerkenswerten Menschen schreibt, über eine lebendige und „gleich würdige“ Kirche, über Trauer und Einsamkeit, über ein schweres Gestern und leichteres Morgen. „Und Gott war an beiden Tagen da.“ Die Reaktionen darauf sind eine Inspiration auch für ihre Gemeindearbeit, das „befruchtet sich gegenseitig“.

"Wir müssen eine Gegenstimme sein"

Digitale Kirche, das ist für Ina Jäckel daher ein Weg, der weitergehen muss. Nicht nur der reinen Präsenz wegen, sondern auch inhaltlich. „Wenn man sich anguckt, was sonst so Leute da für einen Mist manchmal schreiben, müssen wir eine Gegenstimme sein. Mit unseren christlichen Werten.“ Hat sie einen Rat für Kirchenmenschen, die auch über Instagram und Co. nachdenken? Nicht zu viel Angst haben, etwas Mut mitbringen, fröhlich drauflos und ausprobieren. „Anders habe ich auch nicht angefangen.“

Petra Diek-Münchow