Alte Mauern, neues Leben: Mariacron in Oppenheim

Wohnen in Mariacron

Image
Eine Tafel erinnert an die Geschichte des Zisterzienserinnenklosters.
Nachweis

Foto: Anja Weiffen

Caption

Nur wenig erinnert mehr an die Geschichte des Zisterzienserinnenklosters.

„Alte Mauern – neues Leben“: Einmal im Monat führt diese Reiseseite zu Stätten, an denen einst kirchliches Leben blühte. Im ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Mariacron in Oppenheim befinden sich heute Wohnungen. Ein Jahrhundert lang wurde Weinbrand hergestellt.

Vom ursprünglichen Kloster Mariacron in Oppenheim ist wenig übrig, unter anderem Mauerreste und Rundbögen. Foto: Anja Weiffen

Mannshoch sind die beiden Steintafeln an der Hauswand in der Mainzer Straße 122 in Oppenheim. Schweigend erzählen sie die Geschichte des Ortes. „Mariacron ehemals Kloster und adliges Frauenstift wohl 894 unter König Ludwig dem Frommen erbaut und gegründet vor dem Seilertor unter den Steinbrüchen an der Straße nach Mainz beherbergte die erste nachweisbare Klosterschule zu Oppenheim.“ So beginnt der Text. Das Gründungsjahr darf angezweifelt werden. Erstmals erwähnt, darauf verweist das Pfälzische Klosterlexikon, wurde Mariacron 1265. Und auch der letzte Satz auf den Steintafeln stimmt heute nicht mehr. „Anno 1894 wurde die Klosterbrennerei Mariacron gegründet und hat seitdem hier ihren Sitz.“
 

Oppenheim
Susanne Pohl vom Geschichtsverein Oppenheim (links) mit Bewohnerin Silke Boehm Foto: Anja Weiffen

2006/2007 wurde das In-Stein-Gemeißelte hinfällig. Vor 17 Jahren entstand auf dem Areal, das damals nur noch als Lagerstätte für Spirituosen diente, eine Wohnanlage. 
„Es ist erstaunlich, dass bei all den Vorgängen rund um das Klostergebäude überhaupt noch etwas davon zu sehen ist“, sagt Susanne Pohl, Vorsitzende des Geschichtsvereins Oppenheim. Sie unterstützt beim Ortstermin die Suche nach Zeugnissen klösterlichen Lebens. Bemerkenswert sei auch, findet die Kunsthistorikerin, dass vor allem der Name des Klosters als Marke eines Weinbrands die Zeit überdauert hat.
Die materiellen Überreste von Mariacron sind spärlich: wenige Mauern, die aus den Wänden des heutigen Wohnkomplexes ragen, Rundbögen in einer der Eigentumswohnungen.Die rekonstruierte Grabplatte der letzten Stiftsleiterin Margarete Knebel von Katzenelnbogen erinnert gleich am Eingang an eine der Protagonistinnen der Klostergeschichte. Hinter den wenigen Zeugnissen steckt Schicksalhaftes. Hier widersetzten sich Nonnen der Amtsgewalt. Während der Reformation wollte Kurfürst Friedrich III. auf seinem Herrschaftsgebiet die neue Konfession durchsetzen. Während die Mehrheit der Oppenheimer Bürger Mitte des 16. Jahrhunderts das Bekenntnis angenommen hatte, lebten die Zisterzienserinnen vor den Toren der Stadt bis 1565 in gewohnter Weise. 


Der Kurfürst drohte, die Nonnen aus dem Kloster zu jagen

Im Frühjahr 1565 kam der Kurfürst, inzwischen glühender Calvinist, nach Oppenheim, setzte einen lutheranischen Geistlichen ab, löste einen Bildersturm aus und erschien am 15. Mai persönlich bei den sieben Schwestern in Mariacron. Dort verkündete er seine Anordnungen. Statt Messe sollte reformierter Gottesdienst gefeiert werden, das Lesen aus Legenden bei Tisch sei zu unterlassen. Ihren Habit sollten die Ordensfrauen tauschen gegen eine Kleidung, „so auch andere ehrliche matronen von adel und christen tragen“, so das Pfälzische Klosterlexikon. Die Nonnen wehrten sich mit Hilfe verwandter Familien gegen die Maßnahmen. Die Fronten verhärteten sich. Der Kurfürst drohte, die Frauen aus dem Kloster zu jagen. Am Ende wurde verhandelt und die Parteien einigten sich. Nur eine der Nonnen verließ aufgrund der „capitulation“ Mariacron. Das Ende des Konvents ist schnell erzählt: Nach dem Tod der letzten Verwalterin Margarete Knebel von Katzenelnbogen 1585 wurden die übrigen drei Nonnen mit einer Pension abgefunden. Die Geistliche Güterverwaltung in Heidelberg übernahm das Gebäude, das zu einem landwirtschaftlichen Gut umgebaut wurde.

Wir denken jeden Tag daran, dass hier einmal Ordensfrauen lebten. Bewohnerin Silke Boehm


Bewegt von der Spurensuche beim Ortstermin zeigt sich eine Bewohnerin der heutigen Wohnanlage. Silke Boehm erzählt, wie sie und ihr Mann ihre Eigentumswohnung vor acht Jahren kauften, ein Glücksfall für das Ehepaar aus Norddeutschland, die aus privaten Gründen in die Nähe von Mainz ziehen wollte. „Im Norden gibt es so etwas wie eine Wohnung in einem ehemaligen Kloster ja gar nicht“, sagt sie und betont: „Ich würde gerne noch mehr von der Geschichte des Gebäudes erfahren.“ Auf die Frage, wie es sich anfühlt, in einem früheren Kloster zu wohnen, antwortet sie: „Wir sind spirituelle Menschen, evangelisch. Wir denken jeden Tag daran, dass hier einmal Ordensfrauen lebten.“

Zur Sache: Der Weinbrand

Mariacron
Der Name des Klosters hat als Marke eines Weinbrands überlebt. Foto: picturealliance/ZB/Jens Wolf

Der Weinbrand Mariacron stammt ursprünglich aus Oppenheim. 1870 errichtete die Firma Nöding auf dem Gelände des ehemaligen Klosters Mariacron eine Brennerei, schreibt das Pfälzische Klosterlexikon. Ab 1905 wurde der Name „Klosterbrennerei Mariacron“ geführt. 
Anfang der 1960-er Jahre übernahm die Firma Eckes, Nieder-Olm, die Brennerei und machte den Weinbrand als Marke bekannt. In den 1980-er Jahren siedelte die Produktion um, der Standort Oppenheim blieb Lagerstätte. 2006 gab Eckes die Spirituosen-Sparte an die Firma Rotkäppchen-Mumm ab, die seitdem die Marke führt (Foto von Mariacron-Produktion 2006). Das Gebäude-Ensemble kaufte ein Investor. (red)

Anja Weiffen